In seiner Stellungnahme „Bürgerschaftliches Engagement in der Kultur stärken! – Rahmenbedingungen für bürgerschaftlich Aktive verbessern“ aus dem Jahr 2003 fordert der Deutsche Kulturrat die vermehrte Ausschöpfung der Ermessensspielräume im Zuwendungsrecht durch den Zuwendungsgeber sowie Veränderungen im Zuwendungsrecht, um das bürgerschaftliche Engagement zu stärken. Die Vorschläge des Deutschen Kulturrates fanden unter anderem Eingang in ein Positionspapier des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement „Bürgerschaftlich Engagierte unbürokratisch fördern“.
Im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) arbeiten circa 180 Verbände und Organisationen aus den verschiedensten Bereichen der Zivilgesellschaft von der Wohlfahrtspflege, den Kirchen, den Gewerkschaften, den Naturschutzverbänden, der Selbsthilfe, den Jugendeinrichtungen bis zum Kulturbereich zusammen. Neben dem Austausch untereinander zielt die Arbeit des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement darauf ab, die Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagement zu verbessern.
Im April dieses Jahres veranstaltete das BBE zusammen mit dem Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln eine Tagung, um auszuloten, welche Veränderungen auf welchem Weg im Zuwendungsrecht umgesetzt werden können. Zuvor hatte das BBE bereits ein Gespräch mit dem Bundesministerium des Innern geführt.
Das BVA ist eine nachgeordnete Bundesbehörde. Es ist Dienstleister für verschiedene Bundesministerien. Unter anderem reicht das BVA im Auftrag verschiedener Ministerien, so etwa dem BKM und dem BMFSFJ, Zuwendungen aus und prüft die Verwendungsnachweise. Das BVA präsentierte sich in der Diskussion mit den anwesenden Vertretern aus den Reihen des BBE als eine moderne Dienstleistungsbehörde. Im Mittelpunkt der Betrachtung standen Zuwendungen aus dem Bereich des BMFSFJ, die auf Grund der Vorgaben des Kinder- und Jugendplans des Bundes und des Bundesaltenplans eine relativ hohe Regelungsdichte und Verbindlichkeit haben.
Der zuständige Referatsgruppenleiter stellte gleich zu Beginn klar, wofür das BVA nicht zuständig ist, nämlich:
- Lockerung des Jährlichkeitsprinzips
- Veränderung hinsichtlich der Verwendungsfrist von zwei Monaten
- Vorgabe der Finanzierungsarten hinsichtlich institutioneller und Projektförderung
- Definition zuwendungsfähiger Ausgaben.
Zuständig ist das BVA für:
- Zügige Sachbearbeitung unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten beim Zuwendungsempfänger
- Gestaltung von Abrufmodalitäten im Rahmen der Zwei-Monats-Frist
- zeitnahe Prüfung des Verwendungsnachweises
- Beratung hinsichtlich der Beachtung von Rechtsvorschriften
- Ermessensausübung im Rahmen der jeweiligen Vorschriften.
Der letztgenannte Punkt, die Ermessensausübung im Rahmen der jeweiligen Vorschriften, war der Dreh- und Angelpunkt der sehr anregenden Diskussionen über den gesamten Tag hinweg. Bei fast allen Problemen, die von Zuwendungsempfängern geschildert wurden, wurde entweder darauf verwiesen, dass sie nicht in die Zuständigkeit des BVA fallen oder aber im Rahmen des Ermessens ohnehin alles zum Besten des Zuwendungsempfängers geregelt würde. Dabei war unmissverständlich klar, wer die Regelungskompetenz besitzt, nämlich das BVA als Zuwendungsgeber und wer sich nach den Regeln zu richten hat, nämlich der Zuwendungsempfänger. Ebenso deutlich wurde, dass es für fast jede Regel eine Ausnahme gibt, so dass der Eindruck entstand, die Ausnahme sei die Regel.
Zuwendungen werden recht grob in den §§ 23 und 44 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) beschrieben. Im einschlägigen Kommentar zur Bundeshaushaltsordnung, der unter anderem vom ehemaligen Leiter der Abteilung Kultur im Bundesministerium des Innern dem inzwischen verstorbenen Dr. von Köckritz begründet wurde, ist nachzulesen, dass Zuwendungen in der Haushaltspraxis eine große Bedeutung haben, da die Bundesbehörden hierüber die Möglichkeit haben, politische Akzente zu setzen.
Ebenso klar wird in diesem Kommentar formuliert, dass auf Grund einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die Verwaltung einen weiten Auslegungsspielraum besitzt und eine Rechtsprechung weitgehend fehlt. Die fehlende Rechtsprechung rührt zum Einen daher, dass Rechtsstreitigkeiten innerhalb der staatlichen Seite, also etwa zwischen Ministerien und dem Rechnungshof nicht ausgetragen werden können, da es sich um unzulässige „Insichprozesse“ handeln würde und dass Zuwendungsempfänger es tunlich unterlassen zu klagen, da sie zumeist auf staatliche Förderung angewiesen sind und daher alles vermeiden, was das Verhältnis belasten könnte.
Diese eindeutigen Worte, die im Kommentar zum Zuwendungsrecht Köckritz et alii nachgelesen werden können, kennzeichnen das Verhältnis zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer: Der Zuwendungsgeber hat das Sagen, der Zuwendungsnehmer nimmt hin.
Dieses wird auch darin deutlich, wenn mit Stolz verkündet wird, dass Spenden nicht vollständig auf Zuwendungen angerechnet werden, damit das Interesse beim Zuwendungsempfänger nicht erlahmt, sich um Spenden zu bemühen. Wie viel Prozent einer Spende allerdings beim Zuwendungsempfänger verbleiben und wie viel auf die Förderung angerechnet wird, liegt wiederum im Ermessen des Zuwendungsgebers.
Dieses aus meiner Sicht ungleiche Verhältnis war auch bei dem sehr offenen und freundlichen Gespräch des BBE mit dem BVA bestimmend. Ohne Zweifel ist das BVA bestrebt, ein moderner kundenorientierter Dienstleister zu sein, der Informationen schnell weiterreicht und seine Vorgänge zügig bearbeitet. Selbstverständlich haben sich die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine große Kompetenz in ihrer beruflichen Praxis angeeignet.
Was aber fehlt, ist ein Verständnis für die grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweise an Zuwendungen zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer. Für den Zuwendungsnehmer steht der Inhalt im Vordergrund, um diesen zu verfolgen, nutzt er mangels eigener Mittel Zuwendungen. Für den Zuwendungsgeber steht das Recht im Vordergrund, innerhalb der Gestaltungsräume, die das Recht lässt, werden die Zuwendungen ausgereizt.
Da der Zuwendungsgeber zahlreiche Möglichkeiten besitzt, im Rahmen des geltenden Rechts nach seinem Ermessen zu entscheiden, wird auch nicht die Notwendigkeit gesehen, grundsätzliche Veränderungen vorzunehmen. Wenn es in der Anwendung des Zuwendungsrechts hakt, liegt es allein am Zuwendungsempfänger. Schulungen sollen dann Abhilfe schaffen. Auch wenn diese sicherlich wünschenswert sind, sollte von Seiten der Zivilgesellschaft nicht nachgelassen werden, grundsätzliche Veränderungen einzufordern.