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Die Künstlersozialkasse ist in Gefahr

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Der Deutsche Kulturrat fordert Reform der Künstlersozialkasse
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Nachdem bereits seit einigen Jahren immer wieder der Versuch unternommen wurde, den Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse abzusenken, macht die Regierung Schröder jetzt wahr, was in der Regierungzeit von Helmut Kohl von den Verbänden verhindert werden konnte: der Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse soll abgesenkt werden. Mit diesem Vorstoß, der zudemgleichsam durch die kalte Küche versteckt im Haushaltssanierungsgesetz erfolgte, kündigt der Bund die Solidarität mit den Künstlern und der Kulturwirtschaft. Es wird jedoch nicht nur die Künstlersozialkasse in existenzielle Gefahr gebracht, sondern auch die Chance zur Diskussion über eine Reform der Künstlersozialkasse verbaut. Vor 15 Jahren, im Jahr 1983, wurde das Künstlersozialversicherungsgesetz verabschiedet. Vorausgegangen war die erste und bislang einzige umfassende Erhebung zur sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler aus dem Jahr 1975 (Der Künstlerreport, Hamburg 1975) sowie eine über mehrere Jahre andauernde Debatte, wie eine soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler aussehen könnte und wer mit welchem finanziellen Anteil dazu beitragen könnte. Herausgekommen ist dabei ein Gesetzeswerk und eine Sozialkasse, die erstmals die Künstlerinnen und Künstler sozialversicherungsrechtlich absichert. Heute, nach 16 Jahren ist festzustellen, dass es Dank des Künstlersozialversicherungsgesetzes geglückt ist, Künstlerinnen und Künstlern den erforderlichen Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten. Die Rente, die durch die in die Künstlersozialkasse eingezahlten Beiträge erworben wird, ist hingegen beschämend niedrig. Allein diese Tatsache würde ein Nachdenken über eine grundsätzliche Reform der Künstlersozialversicherung rechtfertigen. Hinzu kommt, dass der finanzielle Anteil des Bundes und der Verwerter an der Künstlersozialkasse in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Waren es im Jahr 1988 noch 38,7 Millionen Mark, zahlte der Bund im Jahr 1998 insgesamt 169,4 Millionen Mark an die Künstlersozialkasse. Doch sind diese Zahlungen des Bundes weder eine besondere Wohltat noch eine frei verfügbare Masse im Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, der Anteil des Bundes an der Künstlersozialkasse gehört vielmehr zu den Grundprinzipien dieser Sozialversicherung. Freiberufliche Künstlerinnen und Künstler erfüllen eine wesentliche Voraussetzung zur Mitgliedschaft in den normalen Sozialversicherungen nicht: sie haben keinen Arbeitgeber, der 50 Prozent der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zahlen könnte. Bei der Entwicklung des Künstlersozialversicherungsgesetzes wurde daher eine Hilfskonstruktion gewählt. Den üblichen Arbeitgeberbeitrag von 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge teilen sich die Verwerter, also Verlage, Galerien, Werbeagenturen, Tonträgerher-steller, Kulturveranstalter und der Bund jeweils zur Hälfte. Das heißt der Bund zahlt 25 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge und die Verwerter zahlen ebenfalls 25 Prozent. Künstlerinnen und Künstler zahlen wie Arbeitnehmer die restlichen 50 Prozent ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Beide, Bund und Verwerter, sind keine Arbeitgeber der freiberuflichen Künstlerinnen und Künstler. Es konnte aber nach langen Diskussionen und zahlreichen Anhörungen Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre ein Übereinkommen dahingehend erzielt werden, dass aus kulturpolitischen Gründen und um eine soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler überhaupt zu ermöglichen, dieser zusätzliche Beitrag beider Parteien, Bund und Verwerter, die Chance bietet, eine soziale Sicherung der Künstlerinnen und Künstler überhaupt zu ermöglichen. Am Ende die Demontage? Jetzt kündigt der Bund mit seinen Sparvorhaben im Haushaltssanierungsgesetz dieses Fundament der Künstlersozialkasse einseitig auf. Seit Bestehen der Künstlersozialkasse wurde in diesem Jahr erstmals ohne eine vorherige Anhörung der betroffenen Verbände eine Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes vorgelegt. Als ein Teil des Haushaltssanierungsgesetzes soll für das nächste Jahr der Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse von 25 auf 20 Prozent gekürzt werden. Damit kürzt der Bund seinen Anteil um 20 Prozent und schiebt diesen Anteil den Verwertern zu. Mit dieser Vorgehensweise kündigt der Bund die Grundlage der Künstlersozialkasse auf und bringt sie damit insgesamt in Gefahr. Es steht nun zu befürchten, dass auch die Verwerter sich nicht mehr an ihre Zusage gebunden fühlen und ebenfalls die Künstlersozialkasse in Frage stellen. Am Ende könnte die vollständige Demontage der Künstlersozialversicherung stehen. Verschenkt wird mit der geplanten Absenkung des Bundeszuschusses darüber hinaus die Chance, über eine grundsätzliche Reform der Künstlersozialkasse nachzudenken. Bei einer solchen grundsätzlichen Reform sollten auch die Aufnahmekriterien in die Künstlersozialkasse noch einmal einer kritischen Überprüfung unterzogen und die Erfahrungen der letzten 16 Jahre damit für die Reform nutzbar gemacht werden. Der rasante Anstieg des Bundeszuschusses ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich die Versichertenzahl von 37.215 Mitgliedern im Jahr 1989 auf 102.212 Mitglieder im Jahr 1998 erheblich vergrößert hat. Angesichts der Zunahme bei der Zahl der Versicherten sowie der bestehenden Defizite in der Rentenversicherung muss die Künstlersozialversicherung einer Überprüfung unterzogen werden. Ziel muss es sein, dass alle freiberuflich arbeitenden Künstlerinnen und Künstler sowie Publizisten ohne Ausnahme Mitglied in der Künstlersozialkasse werden können, dass aber ebenso die Erweiterung des Mitgliederkreises auf Freiberufler, die nicht künstlerisch oder publizistisch tätig sind, gestoppt werden muss. Ebenso muss erreicht werden, dass auch tatsächlich alle Unternehmen, die künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch nehmen, ihrer Abgabepflicht nachkommen. Weiter muss eine Alterssicherung für Künstlerinnen und Künstler sowie Publizisten entwickelt werden, die diesen Namen auch tatsächlich verdient. Voraussetzung für eine solche Reformdiskussion ist aber, dass die Grundlage der Künstlersozialversicherung erhalten bleibt, das heißt, dass weiterhin der Bund und die Verwerter jeweils 50 Prozent des Arbeitgeberanteils der Künstlersozialkasse zahlen. Anlässlich eines Expertengespräches im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags wurde Anfang Oktober von Vertretern der Künstler/-innen und der Kulturwirtschaft übereinstimmend erklärt, dass sich für den Erhalt der Künstlersozialkasse beide Seiten solidarisch zeigen und entschieden die geplante Absenkung des Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse ablehnen. Zur Zeit werden alle sozialen Sicherungssysteme auf den Prüfstand gestellt, das kann und muss auch für die Künstlersozialversicherung gelten. Ziel muss sein, die Künstlersozialversicherung fortzuentwickeln und dabei kultur- und sozialpolitischen Erfordernissen Rechnung zu tragen.
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