Ob und wenn ja, in welchem Umfang der Bildungsbereich im Rahmen der GATS-Verhandlungen liberalisiert werden sollte, darum ging es in der Debatte des Deutschen Bundestags am 16. Januar diesen Jahres. Grundlage war der Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „GATS-Verhandlungen – Bildung als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern”.
Die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen erklären in ihrem Antrag, dass Bildung und Kultur besondere Dienstleistungen sind und nicht mit Bankdienstleistungen oder dem Transportwesen über einen Kamm geschoren werden. Sie wollen mit ihrem Antrag der Bundesregierung einen klaren Verhandlungsauftrag für die Haltung Deutschlands bei der Formulierung einer gemeinsamen Position der Europäischen Gemeinschaft geben. Die Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundstags, Ulla Burchardt, MdB, machte in der Debatte unmissverständlich deutlich, dass sie Liberalisierungsforderungen gegenüber Drittstaaten in den Bereichen der audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen für verzichtbar hält. Mit Blick auf den Bildungsbereich fordert Burchardt, dass der bestehende Regulierungsvorbehalt und damit die öffentliche Aufsicht über das Bildungswesen beibehalten werden muss. Hier bezieht sie auch die Qualitätssicherung ein. Darüber hinaus vertritt Burchardt die Auffassung, dass die staatliche Förderung des Bildungswesens nicht automatisch auf ausländische Bildungsanbieter übertragen werden darf.
Thomas Rachel, CDU/CSU, pflichtet in seiner Rede zwar der Forderung nach der zu erhaltenden öffentlichen Aufsicht über das Bildungswesen bei und lehnt Subventionsansprüche ausländischer Anbieter für Bildungsdienstleistungen in Deutschland ab, begrüßt jedoch ansonsten die Liberalisierung im Bildungsbereich. Er vertritt die Meinung, dass der Wettbewerb das Geschäft beleben wird und die Qualität im Bildungswesen damit steigen wird. Rachel nimmt dabei eine Haltung nach dem Motto ein „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass”. Auf der einen Seite wird die Liberalisierung begrüßt und werden positive Impulse für das Bildungswesen erwartet, auf der anderen soll die Struktur des öffentlichen Bildungswesens und die Kompetenz der Länder für Bildungsfragen nicht zur Diskussion gestellt werden. Pointierter ist dagegen die Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags, Ulrike Flach, FDP. Ihrer Meinung nach muss, was für deutsche Anbieter gilt, für ausländische eben- falls gelten. Im Klartext: Wenn deutsche Bildungsanbieter Subventionen erhalten, stehen diese ausländischen Anbietern auf dem deutschen Markt ebenfalls zu. Flach plädiert für eine stärkere Marktöffnung und zwar für alle Bereiche des Bildungswesens. Im internationalen Wettbewerb auch im Bildungsbereich stecken laut Flach mehr Chancen als Gefahren.
Grietje Bettin, Bündnis 90/Die Grünen, spricht sich grundsätzlich für die Öffnung des Bildungssektors für private Anbieter aus. Sie erwartet hieraus zusätzliche Innovationen im deutschen Bildungswesen und positive Effekte einer Internationalisierung der Bildung. Im fast gleichen Atemzug warnt Bettin aber davor, dass ein globaler Bildungsmarkt entsteht, bei dem letztlich nur noch die Maxime des größtmöglichen ökonomischen Gewinns gilt. Wie Rachel und Burchardt weist sie dem Staat die Rolle zu, über die Chancengleichheit zu wachen und die Qualität im Bildungswesen sicherzustellen. Als erste Rednerin benennt Marion Seib, CDU/CSU, ganz klar und unmissverständlich, dass sich für Bildungs- und Kultureinrichtungen zahlreiche Gefahren aus den GATS-Verhandlungen ergeben. Sie fürchtet um die kulturelle Vielfalt. Insbesondere der mögliche Wegfall der staatlichen Aufsicht über das Bildungssystem oder aber die Subventionierung ausländischer Bildungsanbieter werden von Seib als Gefahr für die Besonderheiten des föderalen Bildungswesens in Deutschland angeführt.
Hinsichtlich der audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen empfiehlt Seib den Blick über die Grenze nach Frankreich, da dort eine Diskussion geführt wird, wie den Besonderheiten dieses Sektors bei den GATS-Verhandlungen Rechnung getragen werden kann.
Alle Redner mahnten an, dass die deutschen Verhandlungspositionen stärker im Parlament debattiert werden müssen und dass insgesamt die GATS-Verhandlungen, ihr Stand und das weitere Vorgehen, transparenter gemacht werden. Eine Forderung, die auch für die Zivilgesellschaft gilt.