Hauptrubrik
Banner Full-Size

Jetzt die Chance nicht verschenken

Untertitel
Zur Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz
Publikationsdatum
Body

Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags plant für den 11.12.2006 eine öffentliche Anhörung zum Staatsziel Kultur. Diese Anhörung gehört zum parlamentarischen Verfahren der Behandlung des Gesetzesentwurfs der FDP-Bundestagsfraktion „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Kultur)“ Drucksache 16/387 (18.01.2006). Nach der ersten Lesung im Deutschen Bundestag wurde dieser Gesetzesentwurf an den Rechtsausschuss weiterverwiesen, der den Gesetzesentwurf federführend berät.

Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ hatte in ihrem Zwischenbericht im Juni 2005 dem Deutschen Bundestag die Handlungsempfehlung unterbreitet, das Staatsziel Kultur im Deutschen Bundestag zu verankern. Empfohlen wurde eine Ergänzung des Grundgesetzes um einen Artikel 20 b mit dem Wortlaut: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“ Dieser Handlungsempfehlung ging eine Anhörung führender Verfassungsrechtler voraus. In der Enquete-Kommission wurde das Für und Wider des Staatsziels Kultur sehr genau abgewogen. In der Anhörung kamen sowohl die Befürworter des Staatsziels Kultur zu Wort als auch die Gegner, so dass die Enquete-Kommission sich am Ende entscheiden musste, welche Argumentation sie sich zu eigen macht. Bemerkenswert an der Entscheidung der Enquete-Kommission ist, dass sie einstimmig gefasst wurde. Das heißt, alle fraktionsgebundenen Mitglieder der Enquete-Kommission wie auch die Sachverständigen fassten die Entscheidung, dem Deutschen Bundestags die oben genannte Ergänzung zum Grundgesetz vorzuschlagen.

In „politik und kultur“, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, kamen in der Ausgabe 4/2005 die Befürworter und die Gegner des Staatsziels Kultur zu Wort. Autoren dieser Ausgabe waren die Verfassungsrechtler Peter Badura, Max-Emanuel Geis, Ulrich Karpen und Bodo Pieroth, die Bundestagsabgeordneten Eckhardt Barthel, Wolfgang Gerhardt und Angela Merkel sowie die Ministerpräsidenten Dieter Althaus, Ole von Beust, Peter Müller, Jürgen Rüttgers und Henning Scherf.

Zur Bundestagswahl 2005 fragte der Deutsche Kulturrat die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, ob sie sich für ein Staatsziel Kultur in der nächsten Legislaturperiode einsetzen werden. Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, FDP und SPD sprachen sich klar für die Verankerung des Staatsziels Kultur aus, CDU/CSU wollten die Pro- und Contra-Argumente unvoreingenommen prüfen. Die vollständige Antwort der Parteien kann in der Ausgabe 5/2005 von „politik und kultur“ nachgelesen werden. Im Rahmen der Debatte um die Föderalismusreform forderten die Befürworter des Staatsziels Kultur, dass im Zuge dieser Reform das Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankert werden sollte. Dabei war den Befürwortern bewusst, dass die Einfügung des Staatsziels Kultur in das Grundgesetz föderalismusneutral ist.

Die umfassende Grundgesetzänderung sollte allerdings genutzt werden, das Staatsziel Kultur zu verankern. Da sich bei der Einbringung der Föderalismusreform in den Deutschen Bundestag der Vorsitzende der SPD-Fraktion Peter Struck in seiner Rede klar für die Aufnahme des Staatsziels Kultur zusammen mit dem Staatsziel Sport in das Grundgesetz ausgesprochen hat, bestand einige Hoffnung, dass zumindest eine Debatte darüber einsetzen würde. Diese Hoffnung wurde noch dadurch genährt, dass der frisch gewählte Vorsitzende der SPD, Ministerpräsident Kurt Beck, bei der Vereinigung des Deutschen Sportbunds mit dem Nationalen Olympischen Komitee zum Deutschen Olympischen Sportbund sich ebenfalls noch einmal für die Aufnahme des Staatsziels Kultur und des Staatsziels Sport ausgesprochen hat. Trotz dieser Befürworter wurde das Anliegen bei der Föderalismusreform nicht weiterverfolgt und das Staatsziel Kultur nicht im Grundgesetz verankert. Als Argument wurde dabei stets vorgetragen, dass der mühsam gefundene Kompromiss zur Föderalismusreform nicht noch einmal aufgeschnürt werden sollte.

Zusammen mit der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel hatte der Deutsche Kulturrat im Mai 2006 eine Tagung zum Staatsziel Kultur durchgeführt, um der Debatte erneute Schubkraft zu verleihen. In der Ausgabe 4/2006 von „politik und kultur“ setzten sich Max Fuchs, Karl Ermert und Ulrich Karpen mit dem Thema auseinander. Die Ausgabe 4/2006 von „politik und kultur“ kann unter der nachfolgenden Adresse von der Website des Deutschen Kulturrates heruntergeladen werden (www.kulturrat.de

Bei der Wolfenbütteler Tagung formulierte Ulrich Karpen, der zunächst als klarer Gegner eines Staatsziels Kultur im Grundgesetz auftrat und sich so auch bei der Anhörung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ positionierte, einen dreistufigen Vorschlag, wie das Staatsziel Kultur in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte. Er schlägt als neuen Artikel 20 b Grundgesetz vor: „Kultur ist Auftrag von Bund, Ländern und Gemeinden. Alle Träger öffentlicher Gewalt schützen, pflegen und fördern die Kultur. Jedermann ist die Teilhabe an Kulturgütern zu ermöglichen.“

Es wird sehr spannend sein, ob die anstehende Beratung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags dazu beitragen kann, noch mehr Gegner des Staatsziels Kultur im Grundgesetz davon zu überzeugen, dass Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden sollte. Dabei ist klar, dass ein Staatsziel Kultur nicht automatisch eine Erhöhung der Kulturförderung bedeutet. Es geht vielmehr darum, dass bei Ermessensentscheidungen dieses Staatsziel in die Waagschale geworfen werden kann. Es bleibt spannend, wer mehr überzeugen kann, die Befürworter oder die Gegner.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ in der 15. und der jetzt laufenden 16. Legislaturperiode

Print-Rubriken
Unterrubrik