Partizipation! Die JMD möchte in ihren Initiativen und Projekten Jugendliche anregen und darin bestärken, Verantwortung zu übernehmen. Auch beim Deutschen Jugendorchesterpreis ist die aktive Beteiligung der Orchestermitglieder an der Gestaltung ihres eigenen Konzertprojekts eines von drei Bewertungskriterien. Wie erleben es Jugendliche, selbst die Macher ihres Projekts zu sein, Verantwortung für einen gemeinsamen Erfolg zu übernehmen? Und wie kommt ein Orchesterleiter damit zurecht, die dafür notwendigen Entscheidungs- und Gestaltungsfreiräume zu geben? Auf der Musikmesse in Frankfurt berichteten Mitglieder des Jugendsinfonieorchesters Stuttgart und dessen Dirigent Alexander Adiarte im Gespräch mit Moderatorin Barbara Haack von der neuen musikzeitung von ihren Erfahrungen.
Mitten in der Ouvertüre zu Mozarts Zauberflöte landet „Dr. Who“ mit seiner Zeitmaschine im Konzert des Jugendsinfonieorchesters Stuttgart. Inspiriert von der gleichnamigen Sciencefiction TV-Serie haben die Stuttgarter ihr Wettbewerbskonzert als Theaterstück inszeniert. Und: Dr. Who ist begeistert: Musik! Zauberhaft! Auf seinem Planeten gibt es das nicht. Mithilfe der Zeitmaschine unternimmt Dr. Who gemeinsam mit Orchester und Publikum spontan eine Reise durch unterschiedliche musikalische Epochen. Dieses Konzert durch Raum und Zeit haben die Jugendlichen weitgehend in Eigenregie auf die Beine gestellt, von der Auswahl der Stücke, Texten des Theaterstücks, über das Schauspielern bis zur Gestaltung von Plakat und Programmheft. Die JMD unterstützte die Jugendlichen in Stuttgart – so wie auch alle anderen Organisationsteams der 15 nominierten Ensembles – in der Vorbereitung ihres Wettbewerbskonzerts mit einem ausführlichen „Wettbewerbsguide“, der zahlreiche Anregungen und Tipps bereithält, einem Begleitheft für den Orchesterleiter und einem individuellen Coaching vor Ort.
„Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass das Orchester hinter einem steht“, sagt Benedikt Kasprik. Zusammen mit Alicia Pfendtner und Aleksander Tanunin und einigen weiteren Mitstreitern gehörte er zum Wettbewerbs-Projektteam. Der Stolz, ihr eigenes Konzertprojekt verwirklicht zu haben, ist allen Dreien anzumerken. Mit ihrem Engagement haben sie im JSO Stuttgart viele ihrer Orchesterkollegen zum Mitmachen motiviert und dazu, gleichfalls ihre keineswegs nur musikalischen Talente einzubringen: „Es waren eigentlich alle begeistert von unseren Ideen, und es haben viele mitgemacht, zum Beispiel bei den Requisiten oder beim Bau der Zeitmaschine. Das hat uns sehr gefreut.“ Einen zusätzlichen Motivationskick bedeutete für Alle das Coaching, für das die JMD Nena Wunder von der Jungen Oper Stuttgart engagiert hatte. Einen Nachmittag lang war es dabei um organisatorische Fragen gegangen und darum, die Konzertdramaturgie rund zu bekommen. Angesichts der vielen Ideen, die für mehrere Konzert gereicht hätten, mussten in der Vorbereitung auch Abstriche gemacht werden. „Es war auch eine interessante Erfahrung, mal zu merken, wir schaffen nicht alles, was wir uns vorgenommen haben“, berichtet Alicia. Und dann sagt sie noch einen weiteren Satz, der vielleicht „typisch Jugendorchesterpreis“ genannt werden könnte: „Wir haben gemerkt, es geht nicht alles, aber irgendwie kriegen wir‘s trotzdem hin. Und am Schluss ist wirklich etwas sehr Gutes rausgekommen.“ Mit ihrem „Zeitglissando“ haben die Stuttgarter Jugendlichen nicht nur ein außergewöhnliches Konzertprojekt realisiert und ihr Publikum begeistert. Auch im Orchester hat sich mit der Wettbewerbsteilnahme nachhaltig etwas verändert. Benedikt ist sich sicher: „Das hat das ganze Orchester ein Stück weiter gebracht. Auch um sich als Gruppe zu fühlen.“ – Und wie hat Dirigent Alexander Adiarte die Wettbewerbsteilnahme erlebt? Als Orchesterleiter ist er es gewohnt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. In einem Begleitheft lädt die JMD Jugendorchesterdirigenten ein, mit der Wettbewerbsteilnahme für sich eine neue Rolle auszuprobieren, die des Coachs, Moderators und Spezialisten.
Moderatorin Barbara Haack fragt nach: Klingt gut – aber wo er für das Orchester letztlich doch verantwortlich bleibe, bedürfe es hierfür wohl einer gehörigen Portion Zutrauen und Vertrauen in die Jugendlichen und ihr Können? Alexander Adiarte nickt: „Ja, das Vertrauen ist da!“ Das JSO Stuttgart hat bereits mehrfach am Wettbewerb teilgenommen, aus dieser Erfahrung weiß Adiarte auch: „Vertrauen heißt nicht, die Jugendlichen einfach machen zu lassen. Es heißt, sie zu begleiten.“ Diese Begleitung erfordere eine aufmerksame, individuelle Unterstützung, deren Intensität sich im Laufe des Projekts durchaus ändert: „Am Anfang musste ich noch oft ‚Einsätze‘ geben, aber dann konnte ich die Aufgaben immer mehr abgeben.“ Für ihn bedeutete dies nicht nur eine Entlastung, weil die Jugendlichen viele organisatorische Aufaben übernahmen. „Es war für mich ein schönes Erlebnis zu sehen, wie etwas entsteht und sich entwickelt.“
15 Jugendsinfonieorchester und sinfonische Jugendblasorchester in ganz Deutschland wurden von der Jury für die Konzertphase des Deutschen Jugendorchesterpreises nominiert. Die Wettbewerbskonzerte, in denen sie die Ergebnisse ihrer oft monatelangen Vorbereitung präsentieren, finden seit Dezember 2014 und noch bis Juli 2015 bundesweit statt. Dann erst wird sich auch für das Stuttgarter Projektteam und Orchester zeigen, ob sie sich mit ihrer Zeitmaschine auf einen der ersten drei Plätze beamen konnten. Im Herbst werden in der Musikakademie Schloss Weikersheim im Rahmen eines Orchestercamps, zu dem noch einmal Vertreter aller im Wettbewerb nominierten Orchester eingeladen werden, die Preise verliehen. Menschliche Begegnung und Gemeinschaft werden dann erneut im Mittelpunkt stehen.