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Auf Bildungsreise im Schloss

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Das Seminar „Mitverantwortung im Jugendorchester“
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Hannah Kentouche und Martha Vogel vom Jugendorchester der Musik- und Kunstschule Jena nahmen im Jahr 2007 am Seminar „Mitverantwortung im Jugendorchester“ teil. Insgesamt elf Jugendorchestermitglieder hatten sich zum Seminar angemeldet und reisten insgesamt für drei Wochenenden nach Weikersheim. Großzügig unterstützt wurde das Seminar von der Hertie-Stiftung. In Weikersheim arbeiteten die Teilnehmer mit jeweils unterschiedlichen Dozenten. Hier ein Bericht der beiden Musikerinnen:

Am 9. März 2007 machten wir uns das erste Mal auf den Weg nach Weikersheim. Während der Zugfahrt von Jena zum Sitz der Jeunesses Musicales Deutschland wuchs unsere Neugier auf das erste Wochenende des Seminars „Mitverantwortung im Jugendorchester“. Dem Seminar-Flyer konnten wir die Themen des Wochenendes, Führung und Selbstverantwortung, Selbstorganisation und Musik, entnehmen.

Nach circa vier Stunden Fahrt kamen wir im kleinen Weikersheim an und gingen zu dem im Schlosspark gelegenen Gärtnerhaus, in dem die Begrüßung und Einführung durch den Seminarleiter Uli Wüster stattfand. Die weiteren Teilnehmer aus den verschiedensten Jugendorchestern Deutschlands waren bereits anwesend. Nach dem leckeren Abendessen im Logierhaus begann Andreas Schultze-Florey mit uns Musik zu machen. Dabei standen unsere unterschiedlichen Instrumente und unser Können nicht im Vordergrund. Vielmehr übten wir das Zusammenspiel, den gemeinsamen Einsatz und das Wahrnehmen des Gespielten. In den folgenden zwei Tagen setzten wir die Arbeit daran fort und lernten musikalisch zu führen. Jeder Teilnehmer sollte eine Probe leiten und die Gruppenmitglieder gaben dem jeweiligen Probenleiter anschließend ein konstruktives Feedback. Das richtige Maß an Lob und Kritik war hier gefragt. Andreas Schultze-Florey konnte uns mit seiner langjährigen Orchester-Erfahrung als Fagottist des Staatsorchesters Hannover viele nützliche Hinweise und Impulse für unsere Orchesterarbeit geben.

Matthias Ilkenhans erläuterte Inhalte, die zur Führung von Gruppen, also auch von Jugendorchestern nützlich sind. Wir diskutierten, welche Qualitäten Menschen brauchen, die führen wollen. Außerdem zeigte er uns verschiedene Arbeitstechniken wie zum Beispiel die Kartenabfrage, mit deren Hilfe man Meinungsbilder von Gruppen erfassen kann. Als Leiter der NDR-Radiophilharmonie hat Matthias Ilkenhans selbst eine Führungsrolle inne. So konnte er uns aufschlussreich und inhaltsvoll informieren.

Uli Wüster, der Generalsekretär der JMD, brachte uns Grundlagen der Selbst­organisation bei. Die Funktion des Büros und die Aufgaben der damit Arbeitenden standen zunächst im Vordergrund. Dabei wurden die Grundlagen für ein zielorientiertes Projektmanagement gelegt. Für die Seminarteilnehmer bestand immer die Möglichkeit, eigene Erfahrungen einzubringen und sich mit den andern auszutauschen. Gemeinsam suchten wir nach Ideen für Projekte, die wir in unseren Orchestern durchführen wollten. Außerdem stellte uns Uli Wüster die e-community der JMD vor. Diese Internet-Plattform sollte den Austausch über die bearbeiteten Aufgaben während der Praxisphase in den Heimatorchestern ermöglichen. Das Forum wurde zur Kommunikation der Teilnehmer untereinander und mit den Dozenten eingesetzt. Mit Vorfreude auf das nächste Wochenende und einem Gruppenfoto verabschiedeten wir uns am Sonntag aus Weikersheim.

Am 11. Mai 2007 war es wieder soweit. Wir betraten erneut das Schloss von Weikersheim. Unsere Seminargruppe wuchs um drei neue Jugendorchestermusikerinnen. Diesmal berichteten wir von den laufenden Projekten in unseren Orchestern. Wir in Jena hatten noch mehrere Möglichkeiten zur Auswahl und entschieden uns schließlich für die CD-Produktion einer selbst geschriebenen Geschichte mit kleinen eigens komponierten Werken. Diese war anlässlich unserer Teilnahme an dem von der Jeunesses Musicales ausgerufenen Deutschen Jugendorchesterpreis entstanden. Das Projekt sollte möglichst während der Laufzeit des Seminars realisiert werden. Uli Wüster erarbeitete mit uns einen Leitfaden zur Projektplanung. Diesen konnte jeder Teilnehmer für sein geplantes Projekt anwenden. Unser Musikdozent für dieses Wochenende war der Posaunist Michael Büttler. Auch für ihn ging es vor allem um das Zusammenspiel im Ensemble, und wir machten viele praktische Übungen zu Atmung und Haltung. Er zeigte uns, dass die Wahrnehmung sowohl der eigenen Person als auch der anderen Mitspieler eine entscheidende Rolle spielt. Des Weiteren gab er uns eine kurze Einführung in die Alexandertechnik.

Das Thema „Demokratie im Orchester“ stellte uns Ulf Werner vor. Er präsentierte uns die Organisation der Jungen Deutschen Philharmonie als Beispiel für ein demokratisch organisiertes Orchester. Er klärte uns auch darüber auf, dass die Demokratie in deutschen Kulturorchestern nicht wirklich von Bedeutung ist und dass ein Orchestermusiker wenig Mitspracherecht hat. Ulf Werner bestärkte uns darin, bewusst Demokratie in unseren Jugendorchestern anzuwenden. Die Möglichkeiten, die ein Jugendorchester für jeden Mitspieler an Mitgestaltung bietet, sollten wir aufgreifen und nutzen. Bereits wenige Wochen später sahen wir Ulf Werner an seinem Arbeitsplatz im Konzerthaus in Berlin wieder. Auf seine Empfehlung hin hörten wir uns ein faszinierendes Konzert an.

Die nächste Praxisphase sollte erst im November stattfinden. Jetzt war das selbstständige Organisieren der eigenen Projekte an der Reihe. Wir überlegten, dass unsere CD-Aufnahme entgegen unserem Vorhaben erst im Februar 2008 stattfinden sollte, da uns vorher nicht genügend Probenzeit zur Verfügung stand. Die Aufnahmen sollen im eigenen Tonstudio unserer Musikschule gemacht werden.

Am 9. November ging es zum finalen Treffen unseres Seminars. In der letzten Präsenzphase standen erneut Selbst­organisation und musikalische Aufgaben auf dem Programm. Außerdem wollten wir uns mit Kommunikation und Redekunst auseinandersetzten.

Mit Uli Wüster besprachen wir die einzelnen Projekte und präsentierten die bisherigen Arbeitsergebnisse. Für jedes Projekt schloss sich eine Zwischenauswertung an. Außerdem erfuhren wir einiges über günstige Taktiken für das Werben von Sponsoren.

Das Leiten von Stimmproben übten wir mit Barbara Bultmann, der Konzertmeisterin des Ensemble Resonanz. Wir besprachen, wie viel Verantwortung für eine Gruppe bei dem Stimmführer liegt und welche Aufgaben ihm zufallen. Auch die Bedeutung der Sitzordnung im Orchester diskutierten wir. Am Sonntag konnten wir große Fortschritte bezüglich des gemeinsamen Musizierens unserer Gruppe feststellen. Wir kannten uns nun schon länger; das wirkte sich auch auf die Qualität des Zusammenspiels aus und steigerte unsere Freude.

Barbara Haack von der neuen musikzeitung schulte uns im geschickten Reden. Wir besprachen, welche Kriterien einen guten Redner ausmachen und welche Vorteile es bietet, die Redekunst zu beherrschen. Wir lernten, dass ein guter Redner nicht nur durch Sprache und Inhalt überzeugend wirkt. Auch ein fester Stand und das richtige Sprechtempo sind von großer Wichtigkeit. Jeder Teilnehmer musste am letzten Seminartag seine eigenen Fähigkeiten präsentieren und eine fünfminütige Rede halten. Die Seminarteilnehmer waren Publikum und Kritiker zugleich. Barbara Haack konnte uns viele hilfreiche Tipps für freies, überzeugendes Sprechen geben, die uns auch für Schule und Studium nützen werden. Die kleinen Reden bildeten den Abschluss der letzten Präsenzphase in Weikersheim und nach einem guten Sonntagsessen ging es für uns wieder nach Jena.

Mit dem Ende des Jahres 2007 war auch unser Seminar abgeschlossen. Bis zum Jahreswechsel stellten wir unsere Projektdokumentationen in die e-community ein. Die Teilnahme an dem Seminar war für uns sehr lohnenswert und wir haben neben interessanten Inhalten andere engagierte Jugendliche und tolle Menschen aus dem deutschen Musikleben kennen gelernt. Für uns hat es sich sehr gelohnt, dass wir uns auf den Weg nach Weikersheim gemacht haben!

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