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Den Sound der Klassik hörbar checken lassen

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Gewandhaus Leipzig erhält Sonderpreis zum „junge ohren preis 2006“
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Die Jury des „junge ohren preises“ war sich schnell einig: Hier ist eine bemerkenswerte Initiative, die in der Ansprache junger Leute authentisch und schnörkellos ist, klassische Musik nicht anbiedert, pädagogisiert oder ihre Wertbestimmung vorgibt. Hier werden junge Leute ernst genommen, genauso ernst wie die Musik. Aber in das Beurteilungsraster des Preises, der erstmals für die Saison 2005/06 gemeinsam von der Jeunesses Musicales Deutschland, der Deutschen Orchestervereinigung und der Initiative Hören verliehen wurde, wollte sich das Leipziger Projekt nicht so recht einfügen. So erhielt das Besondere einen Sonderpreis, überreicht vom DOV-Vorsitzenden Hartmut Karmeier und dem Generalsekretär der JMD Uli Wüster im Rahmen eines Schulkonzerts im Gewandhaus am 8. Februar.

Keinen Schimmer, was im Konzertsaal passiert? Da hilft nur eines: Die Hörbar des Gewandhauses besuchen oder die Gewandhaus-Charts einsehen. Beide Projekte des Gewandhauses wurden konzipiert, um die Zugangsschwelle Jugendlicher und junger Erwachsener herabzusetzen, die meist nur deswegen besteht, weil sich viele Menschen nicht vorstellen können, was sie im Konzerthaus erwartet. Im Bereich der Popmusik zum Beispiel sieht das anders aus. Die meisten jungen Leute haben keine eigene Erfahrung mit klassischer Musik (ob live oder in Konserve) und können deshalb in aller Regel den Spielplan nicht zu ihrem Nutzen interpretieren. Der Spielplan bietet für ungeübte Konzertgänger keine Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung. Das Ergebnis: die Jugendlichen entscheiden sich bei der Freizeitgestaltung für bekannte Angebote.

Es tut also sowohl ein Leitfaden (Charts) durch die Spielzeit für junge Hörer Not, als auch das Bekanntmachen dessen, was im Konzertsaal passiert (durch Hörsessions, Soundchecker und HÖRbar). Wichtig war, Vermittlungswege zu finden, die aus dem Alltag der jungen Leute stammen (Mp3-player, Charts, etc.) und die weitestgehend so zugänglich sind, dass sich Interessierte die Nutzung nach ihrem persönlichen Zeitplan einteilen können.

In den Hörsessions besuchen Gruppen das Gewandhaus und treffen hier den Moderator, der eine Auswahl an Werken aus der kommenden Spielzeit via CD zu Gehör bringt. Die Hörer wissen nicht, was sie hören, um (Vor-, Wert-)Urteile von vornherein auszuschließen. Die Jugendlichen werden angehalten, offen ihre Meinung zum Gehörten zu äußern. Der Moderator vermittelt ohne pädagogischen Habitus – sozusagen nebenbei – im Dialog Inhalte zu Werken und gibt Werkzeuge an die Hand, den Spielplan zu interpretieren. Die Gespräche über das Gehörte und die Diskussionen über unterschiedliche Meinungen fördern die spontane Auseinandersetzung mit der Musik. Am Ende wird darüber befunden, welche Werke zum Live-Hören interessant waren und welche nicht. Mehrfach positiv bewertete Stücke kommen in die Charts. Die sogenannten Gewandhaus-Charts sind dann online einsehbar, verknüpft mit dem Hinweis auf das Konzert, in dem das Werk erklingt.

Die „Soundchecker“, die aus der Zielgruppe selbst stammen, sind mit auffällig bedruckten T-Shirts („Seid uns hörig!“), Taschen und technischem Equipment ausgestattet. Auf den iPods (MP3-Player) sind alle auf CD erhältlichen Werke der kommenden Saison aufgespielt. Die Soundchecker sprechen junge Menschen in Kneipen und Parks an. Im ungezwungenen Umfeld, auf freiwilliger Basis und während einer unterhaltsamen Aktion (ungewohnte Musik hören) entstehen persönliche Dialoge über Musik, Erwartungshaltungen, technische Fragen zum Ticketerwerb, Informationen über Werke und Komponisten, das Konzerthaus und das Orchester. Jeder Teilnehmer hört die Werke, die er beurteilt, ohne Kenntnis des Komponisten. Die mehrfach positiv bewerteten Werke gehen ebenfalls in die Charts ein. Die Aktion hat sowohl einen Marketing-Aspekt, da die auffällige Ausstattung den Namen „Gewandhausorchester“ an Orte bringt, an dem er für gewöhnlich nicht dauernd kursiert; sie hat aber auch einen Musik vermittelnden Aspekt, da die meisten Kontakte Erstkontakte mit klassischer Musik waren und die Besucher sich (über die vorgegebene Zeit von 15 Minuten pro Testhörer hinaus) in Gespräche verwickeln ließen.

Die fest an prominenter Stelle installierte Hörbar im Foyer des Gewandhauses hält in fünf iPods alle Werke der laufenden und kommenden Gewandhaus-Saison bereit. Sie ist ganztägig und natürlich während der Konzerte zugänglich. Hörer können sich hier ohne Kenntnis der Materie intuitiv von der Musik begeistern lassen, die sie frei auswählen. Das Display des iPods zeigt sofort das Aufführungsdatum des Werkes im Gewandhausorchester-Konzert. Das aus der Alltagswelt der jungen Leute stammende Gerät mit dem modernen Image setzt die Zugangsschwelle herab. In der Hörbar kann schriftlich für die Charts abgestimmt und bereits bestehende Charts können eingesehen werden. Ziel aller Aktivitäten ist es, neugierig zu machen und Kenntnis zu vermitteln auf/über das, was im Konzertsaal geschieht, um den Jugendlichen die Entscheidung zum Besuch des Gewandhausorchester-Konzertes zu erleichtern.

Die Hörbar bildet in Zukunft das Zentrum von besonderen Veranstaltungen, die für die definierte Zielgruppe ausgerichtet sind: Hörbarlounges mit klassischer Kammermusik, gespielt von Gewandhausorchestermitgliedern, kombiniert und gemischt mit elektronischer DJ-Musik oder die Audio Invasion, in der sich das gesamte Foyer mit klassischer Ensemblemusik und Elektrosounds in einen Club verwandelt, sollen ab März regelmäßig je einmal im Jahr stattfinden. Imageanzeigen und redaktionelle Pressearbeit begleiten die Aktivitäten in der Hörbar.

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