Der mit 15.000 Euro dotierte Würth-Preis der Jeunesses Musicales Deutschland wurde am 7. September in Künzelsau an die junge norddeutsche philharmonie (jnp) verliehen. Ausgezeichnet wurde das Ensemble für seine „unkonventionellen Impulse zu einer Zukunftsmusik von heute“, hieß es zur Begründung. Mit Selbstinitiative, Tatendrang und neuen Aufführungsformaten begeistere das Orchester eine neue Musiker*innen-Generation. Stellvertretend für das Orchester, das Coronabedingt nicht auftreten konnte, brillierten mehrere seiner Mitglieder mit einem kammermusikalischen Programm.
Überreicht wurde die Auszeichnung von Reinhold Würth, Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung Würth, und Maria Würth, Vorständin der Stiftung Würth, sowie JMD-Präsident Johannes Freyer. „In dieser Zeit der Pandemie, in der ein Hauch von Mehltau über der Gesellschaft hängt, erleben wir hier die Jugend, die die Musik weitertreibt“, sagte Reinhold Würth. Freyer würdigte die Orchestermusiker*innen als „kompromisslos und risikofreudig“ in ihrem künstlerischen Anspruch. Die Laudatio hielt Markus Fein, Intendant der Alten Oper Frankfurt – auch er hörbar persönlich begeistert: „An der Zukunft der klassischen Musik tüfteln viele. Nirgendwo weht einem aber der Wind so frisch um die Ohren wie im Falle der jungen norddeutschen philharmonie!“ In deren unkonventionellen Konzertprogrammen sei die Klassik „quicklebendig“. Fein nutzte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass insbesondere freie Orchester wie die jnp ohne doppelten Boden agierten und deshalb von den aktuellen Auftrittseinschränkungen beziehungsweise -verboten unmittelbar betroffen und in ihrer Existenz gefährdet seien und forderte von der öffentlichen Hand eine stärkere Unterstützung auch dieser Klangkörper.
Die junge norddeutsche philharmonie, das wurde in den Statements der jungen Musikerinnen und Musiker anschaulich deutlich, ist so etwas wie ein klingendes Startup-Unternehmen. Organisiert von einem Kollektiv von mindestens 25 hoch engagierten jungen Künstlern werden hier Ideen und verrückte Visionen nicht nur gedacht, sondern ausprobiert. Nach dem Bottom- up-Prinzip kann und soll jede und jeder mitwirken. Dabei geht es um nichts Geringeres, als in der Welt der klassischen Musik nach eigenen Vorstellungen „alles besser zu machen.“ Dieser ernst gemeinte, wenn auch mit einer guten Portion Selbstironie formulierte Anspruch war für das JMD-Präsidium einer der Gründe, dem Orchester die Auszeichnung zuzusprechen, zeichnet sich die JMD selbst doch durch eine innovative Grundhaltung aus, ebenso wie durch ihre Verpflichtung zu einem humanistischen Ideal, das nach der Erfahrung von klassischer Musik im modernen Leben fragt. Die junge norddeutsche philharmonie wirkt im Bereich der Jugendorchester beispielgebend und hat sich in den zehn Jahren ihres Bestehens zu einem Magneten für neugierige junge Musiker*innen entwickelt, weit über den norddeutschen Raum hinaus.
Bei der Preisverleihung in Künzelau konnte das Orchester aufgrund der Corona-bedingten Abstandsregeln nicht als solches auftreten. Die Ausnahmesituation war schmerzlich präsent und wurde in der Dramaturgie der Veranstaltung nicht kaschiert, sondern als irritierendes Momentum inszeniert: eine mehr oder weniger leere Bühne, Solisten statt Orchester, Blumen, in Vasen am Bühnenrand aufgestellt, die nicht überreicht wurden … Und doch vermittelte der Abend angemessen und sehr lebendig etwas von dem Selbstverständnis des Orchesters, wie es in den Statements immer wieder anklang: Was ist Musik?
Eine Spielwiese! Klassik? Ja, alles darf sein und noch viel mehr! Die junge norddeutsche philharmonie ist „eine Wundertüte“, so hatte es der Laudator formuliert. Auch bei der Preisverleihung hatte sich das Ensemble für ein keineswegs erwartbares oder gefälliges Programm entschieden – für eine Einladung an das Publikum, sich etwas anzuhören: die Komposition „Slipstream“ von Florian Maier für Soloposaune, in der bis zu acht live eingespielte Loops übereinandergelegt wurden, ein Stück elektronische Musik für 8 Lautsprecher mit einer kurzen Einführung durch die junge Komponistin, eine hochvirtuose Passacaglia für Violine und Bratsche von Johann Halverson und zum Abschluss ein Schlagzeug-Solo des zeitgenössischen Komponisten Casey Cangelosi.
Der Würth-Preis der JMD wird seit 1991 an Künstler*innen, Ensembles oder Projekte verliehen, die Werte und Zielsetzungen der Jeunesses Musicales vorbildhaft verwirklichen. Der von der Stiftung Würth geförderte Preis findet die besondere Anerkennung durch den Deutschen Musikrat und ist eine der exklusiven Auszeichnungen in der deutschen Musiklandschaft. Für die jungen Musikerinnen und Musiker der jungen norddeutschen philharmonie bedeutet die Auszeichnung nicht nur eine Anerkennung ihres persönlichen Engagements. Auch das Preisgeld gibt dem Orchester Rückenwind für weitere Vorhaben, in denen es darum geht, „die Träume junger Menschen auf die Bühne zu bringen“.
Zum Foto: v.l.: Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth, Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung Würth, Harald Unkelbach, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Würth, Dr. Markus Fein, Intendant Alte Oper Frankfurt, Maria Würth, Vorständin der Stiftung Würth, Johannes Freyer, Präsident der Jeunesses Musicales Deutschland, Konstantin Udert, Geschäftsführer der jungen norddeutschen philharmonie und Ensemblemitglieder. Foto: Peter Petter.