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Nein, dies ist nicht der Dirigent, sondern der Regisseur der diesjährigen Opernproduktion: Dominik Wilgenbus. Er arbeitet mit den Sängern unmittelbar am Notentext und das mit vollem Einsatz. Foto: Kamala Börngen, JMD
Nein, dies ist nicht der Dirigent, sondern der Regisseur der diesjährigen Opernproduktion: Dominik Wilgenbus. Er arbeitet mit den Sängern unmittelbar am Notentext und das mit vollem Einsatz. Foto: Kamala Börngen, JMD
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Hochzeit und Vendetta

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Auch 2015 beginnen mit dem Internationalen Opernkurs der JMD Karrieren
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In diesem Jahr feiert die JMD „50 Jahre Oper im Schlosshof“. Was 1965 als studentische Initiative begann, gewann bald eine große künstlerische Perspektive und lässt heute die Weikersheimer Opernproduktionen national und international ausstrahlen. Als wichtiger Schritt in eine Profikarriere sind die Plätze in diesem Opernkurs begehrt, denn er hat mittlerweile zahlreiche Erfolgsgeschichten geschrieben: Ehemalige Opern-Stipendiaten der JMD sind heute an Opernhäusern in Deutschland engagiert. Einige Karrieren, die in Weikersheim begannen, führten an das Festspielhaus Baden-Baden, zu den Bayreuther Festspielen oder wie im Fall von Ricardo Tamura oder Matthias Klink an die Met in New York.

Im Jubiläumsjahr bilden 18 junge Sängerinnen und Sänger aus Deutschland, Indien, Kroatien, China, Australien, Ungarn, Südkorea, den Niederlanden und Belgien das Solistenensemble. Auf dem Spielplan steht W.A. Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“. Die künstlerische Leitung liegt nach 2011 und 2013 erneut bei Bruno Weil, weltweit führende Kapazität für die Wiener Klassik, und Regisseur Dominik Wilgenbus (Kammeroper München). Es spielt das trinationale EUROPERA Jugendorchester mit Teilnehmern aus Tschechien, Deutschland und Polen.

Vom 6. bis 12. April hatte der Internationale Opernkurs seine erste Arbeitsphase in der Musikakademie Schloss Weikersheim: Ein Blick in die Runde der musikalischen Tutti-Probe am Abend zeigt: Alle haben die Partitur intensiv studiert, können ihre Partien  weitgehend auswendig. Unmengen bunter Zettel kleben in den Notentexten, manche Sänger haben zusätzlich auch das Libretto mit der Übersetzung in ihre jeweilige Sprache auf dem Pult stehen. Bruno Weil konzentriert sich zunächst darauf zuzuhören. Während zwei Studenten seiner Dirigierklasse an der Münchner Musikhochschule die Korrepetition und das Dirigat übernehmen, verfolgt er mit gespannter Aufmerksamkeit jedes Detail, hat Sänger, Dirigent, Korrepetitor und ihre Kommunikation genau im Blick, sein Fuß wippt, seine Augen lachen verschmitzt, und es ist ihm anzumerken: Er ist sehr zufrieden, mit dem musikalischen Niveau, mit dem großen Engagement, mit dem sich die Sängerinnen und Sänger in diese Opernproduktion stürzen, sich auf Mozarts Musik einlassen, wie sie bereits nach wenigen Tagen zu einem Ensemble zusammenwachsen und der Wille spürbar ist, gemeinsam eine Opernproduktion auf höchstem Niveau auf den Weg zu bringen.

Auch in der szenischen Probe haben die Sängerinnen und Sänger noch Pulte vor sich. Denn Dominik Wilgenbus geht es zu Beginn seiner Arbeit darum, dass sie ganz genau in den Notentext schauen. Etwa die beiden Besetzungen von Marcellina und Doktor Bartolo, mit denen er in der Weikersheimer Stadthalle ein Rezitativ und den Beginn einer Arie des Doktors probt: La vendetta! Marcellina und Doktor Bartolo wollen mit einem Racheplan Figaros Hochzeit mit Susanne verhindern. Nur wie? Doktor Bartolo, in Weikersheim besetzt mit den beiden südkoreanischen Bassisten Yang Mooyeol und Dong-Hyub Hong, nimmt die Sache, vor allem aber sich selbst äußerst wichtig: „Si potrebbe, si potrebbe, si potrebbe ….“ – „Man könnte ...“ Beinahe lautmalerisch hat Mozart komponiert wie der Doktor sich richtiggehend aufpumpt. „Jetzt hat er wahnsinnig viel geredet und nichts gesagt“ – pffffff .... Großes Gelächter. Und schon werden die beiden Figuren lebendig, kommt die Phantasie in Gang. Warum wiederholt Doktor Bartolo in seiner Arie eigentlich jeden Satz, sagt alles zweimal? Hält er Marcellina für schwer von Begriff? Ist er selbst ein schwergängiger Umstandskrämer? Die beiden Sopranistinnen Florence Minon aus Belgien und Josephine Rösener aus Deutschland probieren verschiedene Reaktionen Marcellinas aus: Sie verdrehen die Augen, stellen die Ohren auf Durchzug, oder räumen, während der Doktor – weil er immer noch doppelt  – singt, unterdessen schon einmal dessen Tasche weg. Wie die Szene dann im Juli auf der Bühne aussehen wird, ist an diesem Vormittag noch nicht wichtig. Aber was die Sängerinnen und Sänger mit Dominik Wilgenbus erarbeitet haben, „ergibt Sinn, logisch, versteh’ ich“ – Josephine Rösener nickt zufrieden und begeistert.

Vielleicht liegt in dieser unbedingten Hingabe und der musikalischen und szenischen Spielfreude aller Beteiligten das Erfolgsgeheimnis des Internationalen Opernkurses der JMD begründet. Vielleicht ist es das, was junge Sängerinnen und Sänger als prägende Erfahrung mitnehmen, von der sie für ihre weitere Karriere profitieren. Das Publikum kann sich in jedem Fall bei den Aufführungen im Schlosshof im Sommer vom besonderen Esprit und der Qualität der Jungen Oper Schloss Weikersheim überzeugen.

Aufführungen vom 23. Juli bis 2. August 2015

Karten und Informationen unter www.oper-weikersheim.de

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