Mit einem Opernprojekt für Kinder verabschiedete sich die erste Weikersheimer Stadtkomponistin Charlotte Seither von dem – ihr inzwischen lieb gewordenen – Städtchen im Taubertal. Wie berichtet durfte sie ein halbes Jahr lang hier wohnen und eigene Kompositionsprojekte verwirklichen. Gleichzeitig war sie in verschiedene Aktivitäten der JMD eingebunden. Höhe- und Schlusspunkt war ein Opernprojekt in der Weikersheimer Stadthalle, über das Inge Braune berichtet.
Große Oper – Dankeschön? Mag ja sein, dass es vielen Erwachsenen und den meisten Kindern so geht. Für die Kids der fünften Klassen des Weikersheimer Gymnasiums ist Oper, ganz speziell Mozarts „Zauberflöte“, eine super spannende Sache geworden. Was es mit der Oper auf sich hat, hat ihnen die erste Stadtkomponistin Deutschlands nahe gebracht – mit jeder Menge Spaß dabei.
Klappt es oder klappt es nicht? Charlotte Seither und ihr Team waren sehr gespannt. Den Kids allerdings stellte sich die Frage gar nicht – schließlich ist jeder Tag ein neues Abenteuer und statt des Regelunterrichtes mal einen Schultag in der Stadthalle zu absolvieren, verspricht noch mehr Abenteuer. Dort erwartete sie eine echte Opernbühne mit schlechthin allem, was dazugehört: Vorhang und Felslandschaft, Licht- und Tontechnik, Fundus, Maske und Orchester. Und natürlich ein Thema: Die Zauberflöte.
Das Orchester bestand aus der Bläsergruppe des Gymnasiums – und allen Schülerinnen und Schülern, die zusätzlich am Workshop teilnahmen. Im Gegensatz zu den fünften Klassen hatte die Bläsergruppe vorher schon mit den Musiklehrern geübt, auch schräge Töne zu produzieren. Start mit Fanfarenklang und Lied – und einer Stadtkomponistin, die cool erklärt: „Ihr seid die Akteure, die Schauspieler, die Regisseure, die Musiker, die Sänger.“ Und die ein Requisit hervorzaubert: Mozart. Genauer: eine Perücke, wie sie der Wolfgang Amadeus trug. Warum? Weil er schon als Kind mit dem Papa in der Kutsche durch halb Europa gondelte. Mozart senior stellte das Wunderkind, das Klavier spielte und komponierte, den Fürsten und adeligen Herrschaften vor. Wer mag mal ausprobieren, wie sich das anfühlt, so eine Perücke?
Es findet sich ein Mutiger – und der wird prompt gefragt, wie er, der so erfolgreiche Komponist, das eigentlich gemacht hat mit dem Komponieren. Was für Erwachsene eine echte Herausforderung wäre, schwupps ein ganz anderer zu werden, ist unter der Perücke offensichtlich kein Problem. Klein-Amadeus plaudert, dass ihm das eben einfach eingefallen ist, und dass er es immer wieder ausprobierte mit dem Komponieren und sich dann anhörte, wie es klang. Amadeus landet beim Orchester: Da fühlen Komponisten sich am wohlsten. Und soll von da aus überwachen, ob alles richtig läuft mit seiner Oper.
Genauso flugs wird ein Tamino auserkoren und in ein edles Wams aus dem Weikersheimer Theaterfundus eingekleidet. Was einem so im finsteren Wald begegnen kann? Na klar: ein Monster. Glibberig hätten die Fünften das Monster gern, grün und riesig groß. Et voilà, da ist es schon. Entworfen hat es ein vierjähriges Kind. Nun gut: es nicht nicht richtig glibberig, nicht grün, aber riesengroß. Gut so. Mit Waldlicht stimmt das schon, finden die Schüler.
Tamino also findet sich im Wald dem Monster gegenüber. Wie man sich da fühlt, fragt Charlotte Seither nach. Na, aufgeregt. Sehr aufgeregt? Sehr aufgeregt. Dafür hat die Oper einen Trick, berichtet die Komponistin: Wenn es aufregend wird, zeigt das die Musik schon vorher. Dass einem das Herz bis zum Hals klopft, wenn man aufgeregt ist, weiß jedes Kind aus eigener Erfahrung. Wie das dann klingen könnte, probieren neun Kinder mit Begeisterung an den Trommeln aus. Trommeln und schräge Bläsertöne, das klingt schon mächtig nach Panik, findet die Komponistin. Aber wie groß die Angst Taminos wirklich ist, das kann ja nur Tamino wissen – und der mutiert zum Dirigenten. Das „Publikum“ der fünften Klassen findet die Szene noch zu blass: Panik braucht Bilder. Sie haben sich im Kunstunterricht vorbereitet und Panikmasken hergestellt. Grusliger, fordern die Zuschauer. Bis es stimmt mit der Panik, bis Tamino vor Angst vor dem Monster in Ohnmacht fällt. Szene gelungen. Wie Mozart das gemacht hat mit der Panik, das hören sich dann alle gemeinsam an. Etliche Kniffe des Komponisten sind für die Kinder jetzt verständlich.
Fürs zweite Bild komplette Umbesetzung, und es ist gar nicht schwierig, einen neuen Mozart zu finden, Tamino auszutauschen, drei Damen aus dem Reich der Nacht zu küren und sieben Kinder fürs Nachtorchester, die mit dem Gong, mit zarten Klängen halb gefüllter Wassergläser und Glockenspiel geheimnisvolle Nachtmusik improvisieren. Die märchenhaften Erscheinungen benötigen ganz andere Techniken, finden die Kinder heraus, andere Instrumente, anderes Licht. „Mozart“ erklärt, wie er es gemacht hat, und vom echten Mozart folgt die Nachtmusik.
Ob das wohl klappt, die Kids nach der Opernpause, in der nach Herzenslust getobt wird, wieder in den Workshopbann zu ziehen? Es klappt – dank Papageno, der gern ein wenig aufschneidet. Dank Neubesetzung, die jetzt auch eine Flötengruppe braucht – fürs Papageno-Lied. Kleine Probe, und schon sitzt das. Dicke Lügengeschichten wird Papageno erzählen – und die erfinden derweil andere Kinder. Klar: Mozart hat ja auch nicht alles selbst erfunden…
Die Zauberflöte nachgebaut, samt Königin der Nacht und ihrer Tochter Pamina, samt Zauberwald, der sich Tamino und Papageno in den Weg stellt und ihnen das Durchkommen schwer macht, weil er sich nur durch Zauberflötenklänge friedlich stimmen lässt, samt Tempel des Sarrastro, der Pamina gefangen hält. Sarrastro jagt Tamino und Papageno durch gefährliche Mutproben: Sie müssen durch eine Flammenwand hindurch und auch durchs Meer, bevor es in Sarrastros Tempel zur versöhnlichen Schlussszene kommt. Es geht also, eine komplette Oper im Workshop nachzubauen, nachzufühlen, nachzuhören. Nach rund drei Stunden waren alle auf der Bühne, etliche mehrfach, haben alle mitgemacht beim Gesamtkunstwerk „Amadeus spielt auf der Zauberflöte“, haben alle viel gelernt über Mozart, die Oper und was zusammenkommen muss, bis eine Aufführung tatsächlich steht. Sie haben sie ja selbst gemacht. Sie haben Appetit bekommen, mal diese Oper ganz und echt zu sehen und zu hören. Man ist ja schließlich Spezialist geworden in Sachen Klang und Licht und Requisite. Ob das nicht einzurichten ist? Stdtkomponistin Seither hält die Daumen – und hat sich ausbedungen, wenns in die Oper geht, dabei zu sein.