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Jugendorchester mit Herz und Courage

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Verleihung Deutscher Jugendorchesterpreis 2020/2021
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Die Preisverleihung am 27. März in der TauberPhilharmonie war vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs eine emotionale und auch Hoffnung gebende Veranstaltung.

Der Einladung waren unter anderem die Präsidenten beziehungsweise Vorsitzenden des VdM, BMU und der DOV gefolgt. Im Mittelpunkt freilich standen die jugendlichen Musiker*innen, die als Botschafter ihrer heimatlichen Orchester zum „Finale“ und einem viertägigen JOP-Camp nach Weikersheim gekommen waren. In kurzer Zeit hatten sie mit Dirigent Martin Lentz ein musikalisches Programm erarbeitet, das sie selbst und die Zuhörer im Saal emotional berührte: Mit der Komposition „Bereavement“ von Martin Lentz brachten sie die bedrückende Gefühlslage angesichts der weltpolitischen Situation auf beklemmende Weise zum Ausdruck. Durchaus traurig auch das ukrainische Volkslied „Zeit zur Heimkehr“ und die Titelmusik zum Film „La Califfa“ von Ennio Morricone. Dem stand die beschwingte Shumka Nr. 1 von Vasily Prisovsky gegenüber. Denn trotz allem sollten die Jugendlichen und ihre Orchester für ihr Engagement gefeiert werden.

Jugendorchester aus dem gesam­ten Bundesgebiet hatten sich um den Jugendorchesterpreis beworben. Ensembles aus Neustrelitz, Filderstadt, Sasbach, Erfurt, Stuttgart, Bremen, Mannheim, Hamburg, dem Hochsauerlandkreis, Nürtingen, Bruchsal und Schwerin waren nominiert worden und hatten im Laufe des vergangenen Jahres in ihren Konzerten Besuch der JMD-Jury bekommen. In seiner Würdigung wandte sich Präsident Johannes Freyer direkt an die Jugendlichen: „Sich einsetzen für’s Orchester – gerade in der schwierigen Zeiten der letzten beiden Jahre habt ihr in beeindruckender Weise gezeigt, welch unverzichtbarer Mehr-wert es ist, als Ensemble gemeinsam mit anderen Musik zu machen.“

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg betonte er, dass es umso bewusster das Ziel der JMD bleibe, durch Projekte mit und für junge Musiker*innen aktiv zu einer Haltung beizutragen, mit der Menschen friedlich zusammen leben und freundschaftlich verbunden sind.

In den Statements der Jugendlichen und ihrem gemeinsamen Auftritt wurde spürbar, wie wichtig es für sie gewesen war, dass die Jeunesses Musicales an der Durchführung des Wettbewerbs festgehalten und die Teams darüber hinaus während ihrer Vorbereitungen mit umfassenden Materialien, Coachings per Video oder vor Ort unterstützt hatte.

Der eingeräumte Spielraum und die um ein halbes Jahr verlängerte Wertungsphase setzte bei den Jugendlichen Kreativität frei und den Mut, neue Proben- und Konzertformen zu finden. Für diese Wirkung eines starken Empowerments junger Menschen wird der Deutsche Jugendorchesterpreis seit vielen Jahren durch das Bundesjugendminis­terium, die Deutsche Bank Stiftung und die Deutsche Orchestervereinigung gefördert und durch die Partnerverbände im Bereich der musikalischen Jugendbildung kommunikativ begleitet.

Auch an dieser Stelle sollen noch einmal die Mitglieder der Projektteams selbst zu Wort kommen und ihre Projekte vorstellen:

1. Preis (3.000 Euro)
Jugendsinfonieorchester Mannheim
Dirigent: Jan-Paul Reinke

Als wir letzten Sommer die ersten Töne des Holstschen Jupiters spielten, fühlte es sich an, als würden wir nach langer Zeit da draußen im All endlich wieder in die erfüllenden Sphären unserer musikalischen Heimat eintauchen. Anderthalb Jahre lag zu diesem Zeitpunkt das letzte Konzert zurück und die Spannung war so groß wie nie. Die Idee, am „JOP“ teilzunehmen, kursierte schon seit einiger Zeit, doch dieses Mal haben wir es tatsächlich gewagt. Auf Anhieb fanden sich aus allen Registern Interessenten, die das Organisationsteam bildeten. Unsere Idee war es, der Wirkung der Musik besonderen Ausdruck zu verleihen, indem wir sie bildlich untermalten. Jedes Orchestermitglied schloss sich dafür einer Gruppe an, die von einem Mitglied des Organisationsteams geleitet wurde und ein Stück aus unserem Programm behandelte. Dafür trafen sich die Gruppen im Abstand von ein bis zwei Wochen in Videokonferenzen – zu dem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit. Wir lernten jeweils unser Stück kennen, tauschten uns über die persönliche Wirkung auf uns aus und sammelten Ideen, wie wir sie veranschaulichen könnten. Dem folgte eine lange Phase, in der wir Bildmaterial sammelten und erstellten, bevor wir es taktgenau arrangierten. Im Konzert präsentierten wir unter dem Titel „Facetten der Macht“ unsere Collage von Holsts Planeten Jupiter und Mars bis hin zum Verhältnis von Natur und Menschen in Griegs Morgenstimmung.

2. Preis (2.000 Euro)
Jugendsinfonieorchester Stuttgart
Dirigent: Alexander Adiarte

Unser Orchester zeichnet sich durch Offenheit, Hilfsbereitschaft und gute Laune aus. Besonders stolz sind wir auf unseren Zusammenhalt, der sich auch beim gemeinsamen Musizieren bemerkbar macht. Doch mit der Corona-Situation wurden unsere Proben auf den Kopf gestellt: Zoom ersetzte unseren Proberaum und das sonst so verbindende Gemeinschaftsgefühl der wöchentlichen Proben blieb nur über Bildschirme erhalten. Dabei entstand die Frage, ob der Umgang mit den digitalen Medien uns verbindet oder trennt. Durch die Teilnahme am Jugendorches­terpreis entstand wieder ein gemeinsames Ziel und Projekt, um unserer Kreativität freien Lauf zu lassen. Im Konzert gingen wir über einen erfundenen WhatsApp-Chat auf eine bunte Reise durch das Internet und zeigten dem Publikum die heißesten Themen, die uns beschäftigt haben. Von TikTok über Netflix bis zu aktuellen politischen Fragen sollte alles integriert werden, was uns glücklich gemacht, Sorgen bereitet oder einfach nur die Zeit vertrieben hat. Wir blickten zurück, was Soziale Medien mit unseren Freundschaften gemacht haben, wie das Internet unser Leben begleitet oder vielleicht sogar dominiert hat. Nicht aus der Sicht von Sozialwissenschaftlern oder Psychoanalytikern, sondern aus erster Hand, was wir erlebt haben, wie wir über die Welt nachdenken, was uns beeinflusst und beeindruckt. Mithilfe von elektronischer Visualisierung und einem Livestream zeigten wir vielfältige digitale Möglichkeiten, Musik zu erleben und klassische Musik in unsere Generation zu tragen.

2. Preis (2.000 Euro)
Jugendsinfonieorchester Schwerin
Dirigent: Stefan Kelber

Mit dem Projekt „Erben des Löwen?!“ haben wir uns intensiv mit der Schweriner (Musik)Geschichte auseinandergesetzt und am Ende ausschließlich Werke Schweriner Komponistinnen und Komponisten aus fünf Jahrhunderten in kammermusikalischer Besetzung auf die Bühne gebracht. Dabei waren bekannte Melodien, aber auch Wiederentdeckungen und Uraufführungen, denn auch Mitglieder unseres Orchesters haben komponiert! Auch die von dem Schweri­ner Musiker Sven Brandt komponierte Filmmusik der Produktion „Lene und die Geister des Waldes“ durften wir spielen und Filmausschnitte dabei zeigen. Der Titel unseres Projekts geht auf den Gründer unserer Stadt, Heinrich den Löwen, zurück. Bei ihm startete unsere Reise. In Moderationen zwischen den Stücken haben wir Vieles über die Schweriner Geschichte und Kultur berichtet, aber auch die Komponistinnen und Komponisten vorgestellt.
Corona hat unsere Pläne häufig durcheinandergewirbelt: Stücke in Tutti-Besetzung konnten wir wegen der Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen nicht proben und mussten sie wieder aus dem Programm nehmen. Ursprünglich hatten wir ein Wandelkonzert durchs Schweriner Schloss und den Burggarten geplant. Als klar war, dass die Beschränkungen das nicht zulassen, haben wir das Konzert ins Große Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters verlegt. Unter dem Motto „Ein Spaziergang geht auch im Sitzen“, haben wir Bilder der schönsten Schweriner Gebäude gezeigt und unseren Gästen unser kulturelles Erbe auf diese Weise vorgestellt.

 

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