Wie kann man sich als Jugendorchester bestmöglich präsentieren, um Aufmerksamkeit zu erlangen? Wie optimiert man die musikalische Qualität als einzelner Musiker? Wie kann man eine Probenarbeit so beeinflussen, dass sie effektiver wird? Wie begeistert man neue Musiker für das eigene Orchester?
Diese und andere Fragen veranlassten uns junge Musiker und Musikerinnen, das Seminar „Mitverantwortung im Jugendorchester“ der Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) zu besuchen. An drei Wochenenden trafen wir uns in der Musikakademie Weikersheim mit verschiedenen Fachleuten aus der Praxis, die als Dozenten Vorträge hielten und Seminare leiteten. Es wurde diskutiert und gemeinsam an Problemlösungsansätzen gearbeitet. Gegenseitig konnten wir Informationen, Tipps und Tricks austauschen. So haben wir von den Dozenten und ihren Erfahrungen profitieren können und im Verlauf des Seminars stellte mancher Dozent fest, dass man von den jungen Musikern auch noch das ein oder andere lernen kann. So hat man doch als Jugendlicher oft noch eine andere Sicht auf manche Dinge, die die Arbeit im Orchester angehen. Viele Jugendorchester sind heute demokratisch organisiert, was für uns eine enorme Chance darstellt, Mitverantwortung zu übernehmen. Wer sich mit seinem Orchester identifiziert, hat die Möglichkeit, eine organisatorische Rolle, zum Beispiel als Vorstandsmitglied, zu übernehmen. Als Teilnehmer des Seminars nutzen wir die Chance, unsere Ideen einzubringen, zum Gelingen von Proben und Konzerten aktiv beizutragen und nicht zuletzt den Orchesterleiter beziehungsweise den Dirigenten zu entlasten. Dafür bedarf es natürlich großen Engagements und einer Reihe von Kompetenzen, wie Teamfähigkeit, Sozialkompetenz, Selbstorganisation, Kommunikationstechniken oder Methodenkompetenz, die wir im Laufe des Seminars erwerben bzw. erweitern konnten. Bei alledem sollte die eigentliche musikalische Kompetenz natürlich auch nicht zu kurz kommen. Dafür wurde zu jeder Präsenzphase auch mit professionellen Instrumentalisten musiziert, denn auch musikalische Leitungsaufgaben, wie die Rolle als Stimmführer, gehören zu den verantwortungsvollen Aufgaben im Orchester.
In der Zeit zwischen den Präsenz-wochenenden lag es an uns, das Gelernte im eigenen Orchester zu verwirklichen oder auszuprobieren. Mitglieder des Jugendorchesters der Musik- und Kunstschule Jena haben einige Erkenntnisse aus dem Seminar sogleich anwenden können. An der Vorbereitung und Gestaltung von zwei großen Konzerten zusammen mit der städtischen Philharmonie haben sie mitgewirkt. Dabei konnten Erkenntnisse aus den Seminarteilen „Kommunikation“ und „Öffentlichkeitsarbeit“ umgesetzt werden.
Toni Rack: „In den vergangenen Monaten haben wir ein umfangreiches Programmheft erstellt. Ermutigt durch die Seminare sind wir auf potentielle Sponsoren zugegangen. Wir haben Musiker unseres Orchesters sowie die Solisten, unseren Dirigenten Martin Lentz, den Intendant der Jenaer Philharmonie und sogar den Komponisten Arvo Pärt kontaktiert und befragt, um vielfältige Informationen zu sammeln. Unser Anliegen, den Konzertbesuchern die Musik durch ein informatives Programmheft näher zu bringen, wollten wir damit verbinden, etwas mehr Aufmerksamkeit auf unser Orchester zu lenken.
Die Werbung ist ein wichtiges Thema, und das Ergebnis einer effektiven Diskussionsrunde mit den anderen Seminarteilnehmern war unter anderem die Idee, große Konzerte wie zum Beispiel unsere Gemeinschaftskonzerte mit der städtischen Philharmonie zu nutzen, um das Publikum für folgende, eigene Konzerte zu gewinnen. Ein ansprechendes Programmheft, das man als Erinnerung an das Konzert mitnimmt, bleibt den Besuchern doch eher in Erinnerung, als ein unpersönliches Plakat in der Fußgängerzone. Und wenn sich die Konzertbesucher den Namen unseres Orchesters merken, werden sie zukünftig schneller auf ausgeschriebene Konzerte aufmerksam.
In Vorbereitung unserer Konzerte gab es auch einige Pressekonferenzen, die wir nutzen konnten, um uns zu präsentieren und um zu erleben, dass es wirklich gute und ausgefallene Ideen braucht, um die Presse und letztlich die Zeitungsleser für ein Konzert zu begeistern. Die Besucherzahlen unserer Konzerte und die positive Resonanz auf unser Konzertheft haben uns gezeigt, dass sich unser Einsatz und der Aufwand gelohnt haben. Nun bleibt nur zu hoffen, dass das Interesse an unserem Orchester nicht so schnell wieder verloren geht und auch künftige Veranstaltungen wieder so gut besucht werden. Angestoßen durch das Seminar haben wir erleben können, dass man als Musiker und Teil des Orchesters durch Eigeninitiative wirklich etwas erreichen kann.“
Mitglieder des Holsteinischen Kammerorchesters nutzten Anregungen aus dem Seminarteil und den Diskussionen zum Thema „Führung“ und „Demokratie“, um ihr Orchester neu zu strukturieren.
Malte Göttsche: „Zunächst stellten mein Orchesterkollege Nils Matthiesen und ich dem Vorstand einige während des Seminars aufgegriffene Ideen zu Themen wie erfolgreicher Mitgliederwerbung, Findung von Sponsoren und der Gründung einer Orchesterpatenschaft vor. Im Vordergrund des Treffens stand jedoch die Überarbeitung unserer Satzung. In dieser sollte unter anderem im Rahmen einer Neustrukturierung festgelegt werden, welches Orchesterorgan bzw. welches Vorstandsmitglied für welche Aufgaben explizit zuständig ist.
Ein Ziel war dabei, unseren Orchesterleiter Hajo Jobs, welcher bisher mangels eindeutiger Arbeitsteilung Anlaufstelle für alles war, zu entlasten. Schon nach kurzer Zeit stellten wir fest, wie viel effizientere Führung tatsächlich durch diese Neustrukturierung möglich ist. Die in Weikersheim aufgegriffene Theorie ließ sich in unserem Orchester praktisch umsetzen und führte zu nicht erahnten Erfolgen.
Angeregt durch die Diskussionen in Weikersheim entschieden wir uns auch für eine Demokratisierung unseres Orchesters. Die Rechte und Pflichten der Orchesterversammlung als oberstem Organ wurden erweitert und von denen des Vorstandes abgegrenzt. Durch diese Schaffung von Mitgestaltungsmöglichkeiten der Orchesterversammlung erhofft sich der Vorstand ein wachsendes Interesse aller Mitglieder, sich selbst für das Orchester einzusetzen.
Um die Ideen des Vorstandes der Orchesterversammlung vorzustellen und um weitere Ideen bzw. Meinungen einzufangen, wurde ein zweitägiger Workshop abgehalten, in welchem neben der Neustrukturierung und Demokratisierung auch über Werbung und Kommunikation gesprochen wurde, aufgelockert durch diverse praktische Übungen am Instrument. Da die Moderation von Nils und mir übernommen wurde, konnten wir auch die während des Seminars erlernten Moderationstechniken anwenden und erreichten so, dass konstruktive Diskussionen entstanden, in welche sich alle Anwesenden einbrachten. Das Resultat dieser regen Teilnahme sind vielfältigste Ideen, welche jetzt in die Tat umgesetzt werden müssen. Dies sehen wir als Chance der Orchestermitglieder, nicht nur die Orchesterleitung zu entlasten, sondern auch eigene Vorstellungen verwirklichen zu können, um ein Orchester zu schaffen, auf welches die Mitglieder selbst ein wenig stolz sein können.“
Die zwischen den drei Präsenzphasen gesammelten Erfahrungen konnten alle Seminarteilnehmer im gemeinsamen Internetforum präsentieren und besprechen. So vielseitig das Leben als Jugendorchestermusiker ist, so vielseitig war und ist auch das Seminar, das im Internet nun noch weiterläuft. So können auch längerfristige Erfahrungen ausgetauscht und der Rat der Dozenten in Anspruch genommen werden. Auch der entstandene Kontakt von Musikern verschiedener deutscher Jugendorchester kann so aufrecht erhalten werden.
Das Seminar war in dieser Art das erste der JMD. Wir können nur ermutigen, weitere solche Angebote zu stellen bzw. zu nutzen. Für uns hat es sich in jedem Fall gelohnt.
Wer weiß, was wir in nächster Zeit erleben, wenn wir weitere Erkenntnisse aus dem Seminar in unsere Orchesterarbeit einbeziehen und die hoffentlich nachhaltigen Veränderungen beobachten können.