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Clara Schumann an ihrem Schreibtisch. Foto: Studentenorchester Münster
Clara Schumann an ihrem Schreibtisch. Foto: Studentenorchester Münster
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Modenschau, Sportstudio und Szenen einer Ehe

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Der diesjährige Jugendorchesterpreis der JMD zeigte viele Facetten
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„Mitmachen heißt gewinnen“ lautet die Devise, unter der die Jeunesses Musicales Deutschland ihren Jugendorchesterpreis nun schon zum dritten Mal ausgeschrieben hat. „Mitmachen“ meint: die Mitglieder der teilnehmenden Ensembles sind aufgefordert, ihren erwachsenen Orchestermanagern und -leitern zwar nicht den Dirigentenstab, aber doch so weit wie möglich das organisatorische Zepter aus der Hand zu nehmen.

Was dazugehört, ein Konzert von Anfang an selbst zu planen, vorzubereiten und durchzuführen, merken die Jugendlichen dabei meistens erst, wenn sie sich bereits auf das Abenteuer eingelassen haben. Eine zündende Idee steht am Anfang des Prozesses. Gefordert war in der Ausschreibung neben der organisatorischen Selbstverantwortung auch ein Konzert unter dem Motto „Musik Plus“. Es sollte darum gehen, andere Disziplinen in das musikalische Geschehen einzubeziehen, wobei der Phantasie thematisch keine Grenzen gesetzt waren.

Der Idee jedoch müssen jede Menge Taten folgen. Zum einmal gewählten Thema gilt es, geeignete Musik auszuwählen. Hierbei wird der musikalische Leiter oftmals einbezogen, oft – vor allem bei jüngeren Orchestern – behält er auch das Heft in der Hand. Dennoch können sich auch Jugendliche bei der Programmauswahl beweisen, indem sie zum Beispiel schon mal Gehörtes vorschlagen oder eine Auswahl aus angebotenen Musikwerken treffen. Vor allem aber können sie tätig werden, wenn die Umsetzung der Konzertidee, die Auswahl von Partnern, die Moderation des Konzertes, kurz: Gestaltendes innerhalb des Konzertes ins Haus stehen.
Weiter geht es mit Fragen der Raumauswahl, mit dem Entwurf kreativer Plakate und anschaulicher Programmhefte, die gleichzeitig pfiffig und informativ sein sollten. Sponsoren werden gesucht und angesprochen, ebenso die örtliche Presse oder auch Rundfunksender. Gerade in diesem Bereich zeigen sich oft erstaunliche Talente, die erzielten Erfolge hätten die jungen Leute vorher kaum für möglich gehalten. „Das kann ich ja wirklich“, ist das oftmals erstaunte Fazit, das solche Jugendlichen aus der sicher auch mühsamen Arbeit ziehen. Dass sie dabei „fürs Leben lernen“ ist ein erwünschter Nebeneffekt. Schließlich will die Organisation des Konzertes selbst geregelt werden: Dekoration, Kartenverkauf, Buffet- und Pausengestaltung: Gibt es Ideen, die das Konzertmotto auch in der Pause, in Speisen und Getränken oder anderen Aktivitäten plausibel machen? Wie kann man das „Plus“ besonders gut, informativ oder auch witzig darstellen? All diese Fragen beantworten junge Musiker, die einmal Feuer gefangen haben, mit einer Flut von Ideen. Gut umgesetzt bedeutet das für das Publikum oft einen unvergesslichen Konzertnachmittag oder -abend.

Die Ensembles, die es nach einer Vorauswahl in die zweite Runde der Bewertung geschafft hatten, wurden an den von ihnen gewählten Konzertorten von einer drei- bis vierköpfigen Jury besucht. Der Konzerteindruck wird ergänzt durch ein Gespräch mit den Beteiligten im Anschluss an das Konzert. Ob im Einzelfall wirklich ein Großteil der Orchestermitglieder selbst die Sache in die Hand genommen haben, ob die ganze Arbeit an einem Klein-Team hängen blieb oder ob der Orchesterleiter doch die Fäden in der Hand behielt: dies lässt sich in einem solchen Gespräch sehr schnell herausfinden, wobei das Durchschnittsalter der Ensembles bei der Bewertung natürlich eine Rolle spielen muss. Immerhin: es gibt durchaus auch jüngere Musiker, die ganz eigenständig für den Erfolg ihres Konzertes sorgen. So hatte der elfjährige Felix Harms aus Augsburg wichtige organisatorische Aufgaben für das Gitarren-Ensemble „Chico Polifemo“ übernommen. Freilich war die Arbeit hier auf viele Schultern verteilt worden, aber Engagement und Organisations-Talent eines so jungen Musikers riefen nicht nur in der Jury, sondern auch im Weikersheimer Büro der JMD einhellige Begeisterung hervor.

„Mitmachen“ also hieß das Motto und war auch wichtigstes Entscheidungskriterium für die Jury. Natürlich aber wurde auch die Realisierung des „Plus“ in die Wertung einbezogen. Was hier an Ideenreichtum zusammen kam, lässt alle Skepsis gegenüber einer vermeintlich unkreativen oder nicht mehr zu sozialem Engagement fähigen Jugend in den Hintergrund rücken. „Musik und Mode“ war Thema des Querflötenorchesters „Chorus Tibiarum“ aus Lauf, das sich über einen dritten Preis freuen durfte. Ein waschechter Laufsteg erzeugte im Konzertsaal die reale Atmosphäre einer Modenschau. Die „Designerin“ präsentierte als Konzert-Moderatorin dem Publikum ihre neuesten Entwürfe, die „Models“ waren selbstverständlich Orchestermitglieder, die ihr Pult zu diesem Zweck kurzzeitig verlassen mussten. Ob Nonne, Hexe, Casanova oder Alien: zu jedem Modell gab es die passende Musik, wenn auch das Publikum einzelne Musikstücke den richtigen Kostümen erst zuordnen musste und dadurch ins Geschehen integriert war. Liebevoll und aufwändig hergestellte Kleidermuster als Programmhefte und ein intern ausgeschriebener Plakatwettbewerb rundeten das Konzerterlebnis ab. Den dritten Preis teilen sich die Querflötisten mit der JugendBigBand Neubrandenburg. Mit „Musik und Unterricht“ widmeten sich die jungen Musiker einem sonst nicht sehr beliebten Thema und rollten in spannenden und kreativen Unterrichtseinheiten die Geschichte des Jazz vor dem Publikum auf. Schon im Vorfeld hatten sie verschiedene Schulklassen besucht, so dass an jungen Zuhörern kein Mangel herrschte.

Von der Heimschule Lender in Sasbach bei Achern kommt der zweite Preisträger. „Nomen est omen“ hatten sich die Mitglieder des Streich- und Sinfonieorchesters gesagt – auch, wenn es galt, den Namen der Herkunftsschule gewissermaßen zu europäisieren. So machten sie sich unter der Überschrift „L(a)ender – Menschen – Abenteuer“ auf eine „etwas andere musikalische Rundreise durch Europa“. Europa übrigens war ein Thema, das von verschiedenen Orchestern ausgewählt und musikalisiert wurde. In diesem Fall nahmen die Zuschauer an einer Zugfahrt teil, die nicht nur musikalisch, sondern auch durch eine das Konzert untermalen-
de Fotoschau und im Nichtraucherabteil stattfindende Begegnungen zwischen Bewohnern verschiedener Länder kurzweilig gestaltet wurde. Passend zum Thema hatte sich das Orchester Partner in zwei französischen Gymnasien gesucht, die das Konzert mit gestalteten.
Der erste Preisträger schließlich hatte sich ein weniger griffiges „Plus“ gewählt, dessen Umsetzung gerade deshalb größter Sorgfalt bedurfte – und erstaunlich überzeugend gelang. „Die Schumanns – Szenen einer Ehe“ hieß es in der Münsteraner Aasee-Aula. Die Mitglieder des Studentenorchesters Münster hatten akribisch recherchiert; die Ergebnisse wurden szenisch in ein musikalisches Schumann-Programm eingebaut und vom Publikum fast atemlos verfolgt. Clara und Robert Schumann kommentierten abwechselnd die Stationen ihres Lebens und vermittelten eindrucksvoll die verschiedensten Facetten ihrer Ehe.

Die herausragenden Leistungen der Preisträger wurden ergänzt durch spannende Konzerterlebnisse anderer Ensembles, die leider nicht prämiert werden konnten. Ein sportives Konzert erlebte das Publikum des Jugendmusikkorps Bad Kissingen, das sich über Rhönrad-Fahrer, Fechter und die Spieler der chinesischen Fußball-Nationalmannschaft freuen durfte. In der DB-Lounge des Leipziger Bahnhofs variierte das Akkordeonorchester Leipzig gemeinsam mit einigen Tänzern das Thema „Reise“ in allen seinen Facetten. Und den musikalischen Krimi „Musik im Blut“ präsentierte das Oberstufenorchester der Kreismusikschule Kusel in spannungsgeladener Atmosphäre. Natürlich hatten sich die Jugendlichen die komplexe und abwechslungsreiche Story selbst ausgedacht.

Wieder einmal ist das Konzept des Jugendorchesterpreises der JMD aufgegangen. Junge Musiker lassen sich gerne dazu animieren, über die rein musikalische Arbeit hinaus für das eigene Orchester aktiv zu werden – und sie haben Spaß daran. Die Konsequenz für die Jeunesses Musicales lautet: Fortsetzung folgt – mit dem Jugendorchesterpreis 2006/07.

Die Preisträger des Jugendorchesterpreises 2004

1. Preis (2.500 Euro) Studentenorchester Münster
2. Preis (1.500 Euro) Streich- und Sinfonieorchester der Heimschule Lender
3. Preis (jeweils 500 Euro) Chorus Tibiarum (Lauf) JugendBigBand Neubrandenburg

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