Der Graf Almaviva verwandelt sich in einen Zirkusdirektor, eine Stabpuppen-Susanna ohrfeigt ihren Figaro und Cherubino steigt aus dem Ei, um sich dann als Frau verkleiden zu lassen: Wenn Kinder sich kreativ mit einer der gro-ßen Opern Mozarts beschäftigen, entwickeln sie eine unglaubliche Phantasie, wie es die Klasse 6a des Würzburger Mozart-Schönborn-Gymnasiums unlängst in Weikersheim bewies. Dort hat die Jeunesses Musicales Deutschland mit großem Erfolg eine Synthese musiktheaterpädagogischer Ansätze erprobt.
Die zwei beliebtesten Wege, Kinder oder Jugendliche mit den großen Werken des Musiktheaters in Verbindung zu bringen, sind augenblicklich folgende: Der eine besteht darin, durch Erläuterungen oder szenisches Spiel an das Werk heranzuführen, der andere, das Werk durch Kürzungen oder Bearbeitungen „kindgerecht“ zu machen. Formal scheint es den Unterschied zu geben zwischen projektorientierter, auf eine Aufführung gerichteter Arbeit und prozessorientiertem Tun ohne ein zu präsentierendes Ergebnis.
Die Synthese besteht darin, dass mit den Kindern prozessorientiert gearbeitet wurde, unter größtmöglicher Entfaltung der Kreativität der Kinder, jedoch mit dem Ziel einer Abschlusspräsentation. Mit zwei Kooperationspartnern im Boot – nämlich dem besagten Würzburger Gymnasium und dem Mainfranken Theater Würzburg – wurde darüber hinaus eine Verbindung hergestellt zwischen einem bundesweit operierendem musikalischen Jugend-Verband, der für die Region Unterfranken bedeutendsten Bühne und einer in Würzburg lokal verankerten Schule.
Rahmen des Projekts war eine „musikalische Klassenfahrt“: Die Klasse 6a des Würzburger Gymnasiums verbrachte die Woche von Montag, den 14., bis Freitag, den 18. Juni 2010, in der Musikakademie Schloss Weikersheim, wo sie sich unter Leitung des Heidelberger Komponisten und Pianisten Philipp Vandré und der Würzburger Theaterpädagogin Daniela Scheuren musikalisch und szenisch mit Mozarts „Figaro“ auseinandersetzte. Zunächst wurde in zwei Gruppen musikalisch und szenisch getrennt voneinander geprobt. Schon bald aber präsentierte man sich gegenseitig, was in der Zwischenzeit entstanden war und reagierte darauf. Es entstand eine lockere Szenenfolge von selbst komponierten und getexteten Liedern und Standbildern, von kleinen Dialogen und Pantomime, unterlegt mit selbst gestalteter Schauspielmusik und musikalischen Collagen. In musikalischen Formen, in der Dramaturgie und im Personal wurden so immer wieder Parallelen zum „Figaro“ gezogen, den die Kinder dadurch fast beiläufig recht genau kennenlernten.
Die Kinder erfuhren im szenischen Spiel, dass Theater etwas mit dem Alltag zu tun hat, den man in eine Form bringt (Im Falle von Mozarts Oper: Wie sind die Machtverhältnisse am Hofe des Grafen? Wer tritt wem mit welchem Status gegenüber?) und sie stellten Bezüge zwischen der Oper und ihrem Leben her (Themen wie Streit, Betrug und am Ende Verzeihen prägen den „Figaro“). Gleichzeitig lernten sie Grundzüge des Musiktheaters aktiv kennen: Wie greifen Spiel, Musik, Gesang ineinander? Welche Gesetze herrschen beim Umsetzen von Sprache in Musik? Wie kann man Emotionen und Stimmungen in Musik ausdrücken?
Am Ende standen drei Aufführungen in der Schule der Kinder und zur Eröffnung der Schultheatertage im Mainfranken Theater. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: als Momentaufnahme, als Blitzlicht, als bunte und ideenreiche Szenenfolge mit dem Titel „Am Hof des Grafen ist was los!“ präsentierten die Kinder dreißig Minuten Text, Bühne und Musik. Was an Ausgefeiltheit fehlte, machte die große Authentizität wett. Was man zu sehen bekam, war nicht eine Auswahl-Crew nach monatelanger Vorbereitung, sondern die Bestandsaufnahme der Kreativität und der musikalischen und szenischen Fertigkeiten einer „normalen“ Klasse.
Der nächste Durchgang des auf vier Jahre angelegten Kooperationsprojekts zwischen dem Mainfrankentheater und der JMD wird schon geplant: Eine 6. Klasse aus Dinkelsbühl freut sich schon jetzt auf Rossinis „Cenerentola“: ein Projekt mit Ausstrahlung!