Am 30. Juni 2012 verabschiedet der Verein der Freunde der Jeunesses Musicales Deutschland seinen langjährigen Geschäftsführer und stellvertretenden Vorsitzenden Klaus Berge „in den Ruhestand“. Menschen durch Musik zusammenzubringen, diese Idee der Jeunesses Musicales war für ihn persönliche Überzeugung und Motivation, sich für die Förderung junger Musiker zu engagieren und Menschen für die JMD zu begeistern.
JMD: Sie kommen beruflich aus dem Bereich der Werbung, persönlich bleiben Sie gerne im Hintergrund. Wie würden Sie Ihr Arbeitsethos beschreiben?
Klaus Berge: Ja, ich bleibe lieber im Hintergrund, auch im Konzert sitze ich nicht gern in der ersten Reihe; da fehlt der Überblick. Aber so richtig bescheiden bin ich auch nicht, sonst würde ich ja nicht seit Jahren – recht lautstark, wie manche behaupten; andere sagen: recht erfolgreich – mit dem „Klingelbeutel“ rumlaufen.
Der Begriff „Arbeitsethos“ ist mir allerdings zu anspruchsvoll. Sagen wir lieber ganz pragmatisch: Ich wecke Interesse an der JMD, sammle für die JMD, knüpfe Beziehungen zur JMD – mit anderen Worten, ich gewinne Menschen mit offenen Herzen und Brieftaschen für die „Musikalische Jugend“.
JMD: Was gab für Sie den Anstoß, sich im Freundeverein der JMD zu engagieren?
Berge: Meine Liebe zur Musik von Kindesbeinen an, meine 1998 zu Ende gegangene Berufsarbeit und mein Unvermögen, „beschaulich“ zu leben. Vor 14 Jahren, als ich meine Tätigkeit im Freundeverein begann, war das für die JMD und für mich die richtige Mischung – und das ist sie auch heute noch.
JMD: Auf dem Programm des mu:v-Camps im Juli 2012, das der Freundeverein neben anderen Projekten finanziell unterstützt, stehen Kurse wie DJing, Beatboxing, Modern Dance – wie erleben Sie die Entwicklung der JMD in den letzten Jahren?
Berge: Können Sie sich vorstellen, dass die JMD auf dem Stand von 1998 stehen geblieben wäre? Ich nicht. Alles entwickelt sich doch weiter, warum soll die Musik eine Ausnahme sein? Sie ist ja auch nicht beim Gregorianischen Gesang oder bei Johannes Brahms stehen geblieben. Die JMD ist geradezu verpflichtet, Mut zu Neuem, Ungewohntem zu haben – Mut zum Experiment, und den hat sie erfreulicherweise. John Cage soll einmal gesagt haben, und das ist genau der Punkt: Ich kann nicht verstehen, wie Menschen vor neuen Ideen Angst haben; ich habe Angst vor den alten!
JMD: Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Gut gewonnen. Welches waren in der Zeit Ihres Engagements für die JMD Ihre persönlichen Sternstunden?
Berge: Meine persönlichen Sternstunden? Hier sind zwei: Die erste, als die damals noch nicht 30-jährige Geigerin des Artemis-Quartetts, Natalia Prishepenko, und ein paar Monate später der 77-jährige Henry Meyer (1923–2006) vom legendären LaSalle-Quartett mir das Du anboten. Da wusste ich, hier ist mein Platz. Ich war sozusagen Teil der JMD geworden. Heute zählen zahlreiche großartige Musiker zu meinen Freunden. Und die zweite Sternstunde? Als mir ein sehr guter, großzügiger Freund einen so hohen Betrag in die Hand drückte, dass wir damit 2003 endlich die Jeunesses-Stiftung ins Leben rufen konnten.
JMD: Was überzeugt Förderer für die Jeunesses Musicales?
Berge: Am Anfang stehen bei potenziellen Förderern der JMD die Liebe zur Musik und die Bereitschaft, in der Ausbildung begriffene, begabte junge Musiker auf ihrem langen Weg in die berufliche Zukunft zu unterstützen. Dies vorausgesetzt erwarten sie überzeugende Projekte, mit denen sie sich identifizieren können. Diese bietet die JMD an. Im Jahresprogramm 2012 finden Sie – um wirklich nur weniges zu nennen – Meisterkurse für Oboe, Klarinette und Fagott, eine Kompositionswerkstatt, ein Children’s Cello Camp, ein Junior Geigen Camp, einen Kammermusikkurs für Kinder und Jugendliche sowie einen internationalen Kammermusikkurs.
Von besonderer Bedeutung für Förderer ist aber auch der direkte Kontakt zu Dozenten und Studierenden bei den Kursen: Zuhören im Unterricht, Konzerte im kleinen Kreis bis zum Hauskonzert, Werkstattkonzerte, in denen ein Werk erklärt und interpretiert wird, und, nicht zuletzt, Lehrer und Schüler „zum Anfassen bei Brot und Wein“.
Und wissen Sie, was im überschaubaren JMD-Rahmen Förderer auch überzeugt? Dass „ehrenamtlich“ bei uns groß geschrieben wird: keine Vergütungen, keine Reisekosten, keine Sitzungs- und Spesengelder für den Vorstand! Das ist für uns Ehrensache.
JMD: Wie sehen Sie im Bereich Fundraising das Verhältnis zwischen professionellem Arbeiten und ehrenamtlichem Engagement?
Berge: Ihre Frage treibt mich seit Jahren um und bereitet mir schlaflose Nächte! Professionelles Fundraising im Sinne von Privatspendenakquise bedeutet ja, zunächst Geld, viel Geld, sogar sehr viel Geld in die Hand nehmen zu müssen, und zwar über Jahre hinaus. An dem fehlt’s aber beim Freundeverein, weil jeder Cent in JMD-Projekte fließt. Bisher musste deshalb der steinige Weg harter ehrenamtlicher Arbeit bei kleinerer Münze gegangen werden. Immerhin sind 2011 in Form von Förder- und Mitgliederbeiträgen sowie mit erfolgreichen Sponsoring-Veranstaltungen 85.000 Euro zusammengekommen. Professionelles Spendensammeln ist für uns erst dann angesagt, wenn eines Tages genügend Geld für eine so anspruchsvolle, herausfordernde Aufgabe im Kasten klingt. Übrigens stellt die JMD derzeit die Weichen dafür, und der Freundeverein unterstützt sie tatkräftig dabei.
JMD: Wie können Förderer, die Ihnen persönlich zugetan sind, weiter der JMD verbunden bleiben?
Berge: Indem ich auch nach meinem Ausscheiden am 30. Juni als Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender des Freundevereins der JMD im Vorstand bleibe und mich als Ressortmitglied mit gleicher Kraft einsetze: für die Pflege der Beziehungen zu Förderern außerhalb des Weikersheimer Umfeldes, für die Kammermusik, die Jeunesses-Stiftung und für Drittstiftungen, die in mein – Verzeihung – „Beuteschema“ passen.
JMD: Welche Perspektiven sehen Sie und wünschen Sie sich für den Freundeverein?
Berge: Noch viele neue, treue Mitglieder und großzügige Förderer, vor allem aus der Region; private Initiative ist mehr und mehr gefragt, weil die Öffentliche Hand bekanntlich sparen muss! Vor allem aber ein Kapital von mindestens einer Million Euro für mein „Herzblut“, die Jeunesses-Stiftung (es sind derzeit rund 375.000 Euro). Aber ich will meinem Nachfolger nicht vorgreifen in der Überzeugung, dass er zusammen mit dem gesamten Vorstand die richtigen Entscheidungen zum Nutzen der JMD mit „glücklicher Hand“ treffen wird.
JMD: Ein Schlusswort?
Berge: Ja, gern – als ich zu Beginn meiner Tätigkeit für die JMD ein (übrigens von zwei neuen Förderern finanziertes) Faltblatt für den Freundeverein unter dem Titel „Über das harmonische Zusammenspiel von Musik und Förderung“ mitgestaltete, gab mir Henry Meyer vom LaSalle-Quartett, die Galionsfigur des Internationalen Kammermusikkurses der JMD von 1997 bis 2002, ein paar Stichworte mit auf den Weg, die unverändert gültig sind: „Musik ist gelebte Kultur, sie überwindet Grenzen und verbindet Menschen. Aktives Musizieren bedeutet Selbstdisziplin, Zielstrebigkeit, Toleranz, Teamfähigkeit, und es übt den Umgang mit Kritik – Schlüsselkompetenzen, die in allen Lebensbereichen wertvoll sind.“ Die JMD vermittelt seit über 60 Jahren diese Werte. Deshalb verdient sie das uneingeschränkte Engagement ihres Freundevereins. Und wenn dieses Engagement weiter nachhaltig gesteigert und in entsprechende Zuwendungen an die JMD umgesetzt werden könnte, dann wäre ich glücklich, denn, unabhängig von Musik, geht es doch auch um ein Stück Völkerverständigung unter jungen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen und Nationen.