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Sollst nicht ersticken, schönes Mädchen

Untertitel
Drei slowenische Studenten beim Internationalen Kammermusikkurs für Ensembles
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Die Slowenen Ana, Blaz und Alinka reden nur ungern über sich selbst. Erst beim Musizieren ist jede Zurückhaltung vergessen. Ana Kavcic ist die Chefin. Die selbstbewußte Flötistin weiß genau, was sie will: Solistin werden in Frankreich, Rußland, wo auch immer. Ihr Freund Blaz Pucihar denkt nicht so weit. Er ist Musiker, Pianist aus Passion, mehr nicht. Weitere Fragen möge doch bitte Managerin Ana beantworten. Alenka Naversnik, die rothaarige Cellistin, gesteht mit schüchtern gesenktem Blick, daß sie ein Engagement beim Philharmonischen Orchester Slowenien hat. Nur darüber reden möchte sie eigentlich nicht. Die drei zurückhaltenden Musiker aus Slowenien sind Teilnehmer des Internationalen Kammermusikkurses für Ensemble der „Jeunesses Musicales“ auf Schloß Weikersheim. Eigentlich nicht ganz freiwillig. Beworben hatten sie sich bei den Jeunesses Musicales Slowenien um eine honorierte Konzerttournee durch Slowenien. Die haben sie gewonnen – und überraschend flatterte eine Einladung nach Deutschland ins Haus. Zwölf Tage Probenarbeit unter Anleitung hochkarätiger Dozenten. 64 Teilnehmer, aufgeteilt in 19 Ensembles, aus meist osteuropäischen Ländern haben sich für den Kammermusikkurs angemeldet. Den drei Slowenen wurden die Kursgebühren in Höhe von 800 Mark durch ein Stipendium des Rotary-Clubs finanziert, nur die Fahrt mußten sie selbst bezahlen. Insgesamt 15 solcher Stipendien wurden vergeben. Ein Zuckerschlecken wird der Kurs für die Slowenen dennoch nicht. „Früh aufstehen, frühstücken, proben, Mittagessen, proben, tot ins Bett fallen“, stöhnt die 20jährige Ana. Aber in ihren Augen blitzt es begeistert, wenn sie von ihrem ersten Dozenten erzählt. Rudolf Gleißner, Solocellist des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart, hat die drei in den ersten Tagen unter seine Fittiche genommen. „Er ist nicht so autoritär, er war wirklich gut“, spart auch Alenka, 24 Jahre, nicht mit Lob. Ana, Blaz und Alenka kennen sich von Kindheitstagen an. Vor drei Jahren haben sie die Aufnahmeprüfung für Sloweniens einzige Musikakademie in Ljubljana geschafft. Vor zwei Jahren griff Ana spontan zum Telefonhörer, um ein Ensemble zu suchen. „Alenka war sofort dabei, Blaz hat erst ‚hmmm‘ gesagt und dann ‚ja‘“, erzählt sie verschmitzt. Härtester Kritiker war von Anfang an Blaz, der nie ein Blatt vor den Mund nahm. Rund zehn Konzerte haben sie seitdem gegeben. Nur ein Ensemble-Name fehlt ihnen noch. Auch außerhalb des Ensembles sind die drei Musiker viel unterwegs. Ana war mit ihrer Querflöte schon in England, hat in Hannover auf der Industriemesse ihr Land präsentiert. „Nu sag schon“, stupst Ana ihren 20jährigen Freund an. Mit einem vernichtenden Blick zu Ana gesteht Blaz grummelnd, daß er gerade mit einem Freund eine CD aufgenommen hat. Arrangiert hat er die Stücke für Klavier und Mundharmonika selbst. Zufrieden ist der kritische junge Mann mit dem Ergebnis natürlich nicht. Doch alle Zurückhaltung ist vergessen, wenn die jungen Slowenen ihre Instrumente zücken, konzentriert den Anweisungen von Maestro Henry Meyer aus Cincinnati lauschen. Henry Meyer ist einer der hochkarätigen Dozenten dieses Kurses. Fast 40 Jahre konzertierte er als Mitglied des berühmten La-Salle-Quartetts auf vielen Podien dieser Welt. Ein Trio von Weber steht heute auf dem Probenplan. Ana, Blaz und Alenka haben es schon in Konzerten gespielt. Und trotzdem hat Meyer noch hundert Ideen, was besser sein könnte. Läßt Alenka ihre Cellostimme nachsingen, um ihr das Gefühl für die Melodie zu vermitteln. Erzählt von Webers „Freischütz“, dem typisch Mysteriösen des Komponisten. Empfiehlt Ana zu atmen („So ein schönes Mädchen, sollst nicht ersticken“). Pfeift Blaz zurück. Denn der junge Pianist ist am Klavier ein anderer Mensch, selbstbewußt und draufgängerisch, manchmal fast zu dominant. Wenn alles nicht fruchtet, greift Meyer selbst zur Geige, um zu demonstrieren, was er meint. Und die Slowenen mühen sich eifrig, seinen Ratschlägen zu folgen. „Natürlich kann man sich nicht alles merken. Wir nehmen nur das Beste mit nach Hause“, erklärt Alenka nach der Probe. Mit nach Hause werden sie auch einen ungewöhnlichen Eindruck von Deutschland nehmen. Ana: „Alles ist gerade, knallhart durchorganisiert.“ Doch das beste sind ihrer Ansicht nach die Straßenmusikanten. „Die tragen so Trachten und hopsen lauthals singend herum“, kichert sie. Und schüttet sich aus vor Lachen. Ruth Herrmann
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