2010 erlebten 100 junge Musikbegeisterte das erste Kapitel der Erfolgsgeschichte des mu:v-Camps. Im Juli 2016 fand es bereits zum vierten Mal statt, in der Musikakademie Schloss Weikersheim. Was ist seit damals alles passiert? Wer ist noch immer dabei? Und worauf darf man sich in Zukunft freuen? Es ist Zeit für einen Rück- und einen Ausblick.
Der Urknall oder „Es war einmal ...“
Bereits Ende 2007 hatte die JMD eine Gruppe engagierter Jugendlicher zu einem Arbeitstreffen nach Weikersheim eingeladen. Anlass war die Frage, wie sich junge Musiker ihre JMD in Zukunft vorstellen. Wie muss sich ein Musikverband (um-)gestalten, um mit der Zeit zu gehen und trotzdem beständig zu bleiben? Damit wurden spannende Diskussionen ins Rollen gebracht, und es entstand ein nachhaltig wirkender Thinktank. Er gab schließlich den Gründungsimpuls für die Initiative, die fortan unter dem Label „mu:v – Musik verbindet“ eigene Ideen entwickelt und verwirklicht hat.
Mit dem Namen hat man gleich zwei Anliegen Ausdruck verliehen: Es geht einmal um die verbindende Kraft der Musik – Instrumentalisten, Sänger, Tänzer oder auch Kulturmanager begegnen sich über das gemeinsame Erleben von Musik verschiedenster Arten, Stile und Genres. Man soll sich ausprobieren, voneinander lernen und eingeschlichene Muster überwinden können. Zugleich klingt aus „mu:v” lautschriftlich natürlich auch das englische „move” heraus – die Bewegung, in welche man die JMD versetzen und mit der man Menschen inspirierenden Schwung verleihen will.
„Es ist uns eine Herzensangelegenheit, jungen Musikern spannende musikalische Erlebnisse zu ermöglichen. Wer neugierig ist, Kontakte zu Gleichgesinnten sucht und darüber hinaus gerne konventionelle Grenzen von Musik überschreitet, der ist bei uns genau richtig“, lässt sich in den Publikationen der Anfangszeit nachlesen. Die Mitglieder wollen Neugier, Offenheit, Entdeckergeist und Toleranz fördern. Und um all die Ideen, Wünsche und Vorhaben zu verwirklichen, wurde ein Format konzipiert, das als Sommercamp in Weikersheim seit 2010 alle zwei Jahre den Höhepunkt von mu:v bildet.
Die Macher – das Orga-Team
Ein grundlegendes Prinzip der mu:v-Camps lautet: „von Jugendlichen für Jugendliche“. Ideen entstehen direkt aus der Zielgruppe heraus, und die Konzepte und Formate werden auch von den jungen Leuten selbst umgesetzt.
Zur Planung und Durchführung der Camps haben sich Teams zusammengefunden, die jeweils aus sechs bis acht Mitgliedern im Alter von 18 bis 25 Jahren bestanden und bestehen. Hier engagieren sich etwa Studierende aus Fachrichtungen wie Kulturmanagement und Musikwissenschaft, aber auch Laienmusiker oder eben ehemalige Teilnehmer, die an der Fortentwicklung des Camps mitwirken wollen – ehrenamtlich.
Um die Innovationskraft aufrecht und die Teams jung und flexibel zu halten, kümmern sich meist zwei Personen um ein Thema wie Kurse und Workshops inklusive Dozenten, Marketing, Logistik oder Teilnehmerbetreuung. Einer der beiden hat bereits Erfahrungen in der Camporganisation und ein Zweiter arbeitet und lernt quasi als Assistent mit, wobei die Neueinsteiger im folgenden Camp dann die Verantwortung übernehmen und wieder Nachrücker zur Unterstützung bekommen. Das beugt Routinen vor und ermöglicht im Laufe der Jahre vielen Interessierten wertvolle Erfahrungen im eigenverantwortlichen Projektmanagement.
Von den Besten lernen – die Dozenten
Es gibt sie tatsächlich: Dozenten, die bei jedem der bisherigen Camps dabei waren: Daniel Barke und Johannes Freyer sind beide schon zum vierten Mal beim mu:v-Camp zu Gast. Das Salonorchester unter Leitung von Johannes Freyer findet begeisterte Fans und wurde deshalb vom Camp-Team jedes Mal auf‘s Neue gebucht. Daniel Barke hat schon so einiges ausprobiert. Im ersten Jahr noch gemeinsam mit seinen Kollegen vom Ensemble MundArt als Leiter des A-Cappella-Chors, zwei Jahre später zwar wieder beim Chor, aber diesmal mit Kollegin Diana Labrenz, die dem Camp seitdem auch als Dozentin treu geblieben ist. Während des dritten Camps 2014 wechselte er dann zum Kurs Songwriting, den er auch beim diesjährigen Camp wieder leitet. Weiterhin hat er 2010, 2012 und 2014 Beatboxing-Workshops und 2016 erstmals Popmusik-Theorie angeboten.
Manche waren nur einmal dabei, andere wurden nach Pausen zu Wiederholungsdozenten, so zum Beispiel Carolin Hofmann und Rüdiger Geppert vom Tanz. Auch ehemalige Organisatoren haben schon als Dozenten mitgemacht und sogar ein Teilnehmer des letzten Camps ist 2016 Dozent.
Genauso bunt ging es stets beim Angebot an Kursen und Workshops zu. Die Kurse Chor, Salonorchester, Mu- sikjournalismus und Percussion wurden bei jedem Camp angeboten, während vor allem bei den Workshops versucht wurde, immer wieder neue Ideen zu entwickeln. So fand sich in fast jedem Camp ein Workshop zu einem ausgefallenen Instrument, von Didgeridoo über Ukulele bis hin zu Mundharmonika. Getanzt wurde ebenfalls immer, und zum Thema Kulturmanagement gab es auch jedes Mal etwas zu lernen.
Mittendrin statt nur dabei – die Teilnehmer
Nun kommen wir zu den unangefochten wichtigsten Beteiligten am Camp: Sie kamen voller Erwartungen immer in großen Scharen nach Weikersheim. Neben der Anzahl der Teilnehmer variierte auch die Zusammensetzung stets ein wenig. Beim zweiten Camp 2012 war fast jeder fünfte Teilnehmer aus dem Ausland angereist, es ging also besonders international zu. Dieses Mal sind zwar (fast) alle Teilnehmer aus Deutschland, dafür ist aber die innerdeutsche Verteilung auffällig: Besonders viele junge Musiker aus Baden-Württemberg hat es nach Weikersheim verschlagen, viele von ihnen FSJler, die das Camp im Rahmen ihres Freiwilligen-Dienstes besuchten.
Rundherum – Konzerte und Rahmenprogramme
Auch das Rahmenprogramm trägt entscheidend zur speziellen Atmosphäre bei und lockt auch Gäste aus der Umgebung an. Insbesondere bei Abendveranstaltungen wird den Dozenten eine Plattform geboten, um sich den Teilnehmern und Konzertbesuchern auch als ausübende Musiker zu präsentieren. Dies ist ein weiterer Aspekt beim gegenseitigen Kennenlernen, und so manch eindrückliches Erlebnis hat seine Spuren hinterlassen. Beim Eröffnungskonzert des ersten Camps 2010 hat „das blech“ mit klassischen, modernen und lateinamerikanischen Bläserklängen die Streuobstwiese am Schlossgarten in eine Festivallocation verwandelt. Im gleichen Jahr hat das Vokalensemble „MundArt“ im Schlosshof eindrucksvoll gezeigt, was man mit der menschlichen Stimme machen kann und dass man für einen ordentlichen Beat kein echtes Schlagzeug braucht. Der Singer-Songwriter Tim Neuhaus und seine Band eröffneten das Camp 2012 mit einem berührenden Programm, das auch den härtesten Typen zum Schwelgen brachte.
Sogar einen Ball gab es schon, als 2012 das Salonorchester Weimar die Campteilnehmer mit schwungvoller Tanzmusik aus längst vergangenen Jahrzehnten in Bewegung brachte. Dieses vielseitige Ensemble präsentierte zur Geisterstunde auch noch eine musikalische Neuinterpretation des Märchens „Hänsel und Gretel“ mit Musik von Rammstein, Bach und Mozart. 2014 teilten sich Nachwuchsbands aus der Region die Bühne in der Stadthalle und brachten u.a. bemerkenswerte Eigenkompositionen zu Gehör. Im selben Jahr räumten die Cellisten des „Woodworks Duos“ mit ihrem Konzert in der Orangerie letzte Zweifel an der Vereinbarkeit von E- und U-Musik aus dem Weg.
Als liebgewonnene Tradition könnte man die Abschluss- beziehungsweise Wandelkonzerte der Camps bezeichnen, in denen Ergebnisse aus Kursen und Workshops vorgestellt werden. Teilnehmer und Gäste wandeln von Ort zu Ort und lauschen dem, was in nur drei Tagen entstanden ist. Spätestens zu diesem Anlass, meist aber schon viel eher, finden sich neue Formationen von Musikern, die gemeinsam auftreten oder Jamsessions veranstalten. Das kitzelt aus manchem schlummernde Talente hervor und stellt einmal mehr unter Beweis, dass Musik verbindet.
Ein Abend, den die Teilnehmer frei gestalten können, bietet Raum für Gespräche, Kammermusik, Ausflüge in die idyllische Umgebung Weikersheims, Lagerfeuer mit Gesang zu populären Gitarrenharmonien oder schlicht zum Durchatmen und Verarbeiten all der gesammelten Eindrücke.
Nach dem Camp ist vor dem Camp
So manch einer wünscht sich, das Camp würde immer weiter wachsen und irgendwann Festival-artige Massen ins schöne Taubertal ziehen, die dann im Schlossgraben zelten und die Kursräume hoffnungslos überfüllen. Andere sagen, man sollte das Ganze doch lieber etwas kleiner halten, um in überschaubarem Kreis das Kennenlernen noch intensiver zu gestalten. Aber bei einem sind sich alle einig: das mu:v-Camp muss fortbestehen! Es sollen sich immer wieder motivierte junge Kulturmanager finden, die Freude daran haben, ein solches Projekt auf die Beine zu stellen; es soll ihnen weiterhin die Möglichkeit geboten werden, in den Strukturen der JMD eigene Ideen zu spinnen und zu realisieren. Und genau diese so unterschiedlichen Vorstellungen sorgen für den nötigen Wandel im Beständigen, denn wie sagt man so schön: Nur was sich ändert, bleibt bestehen.
mu:v schreibt
Die Texte und einige Fotos auf diesen Seiten wurden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des mu:v-Journalismuskurses unter Leitung der neuen musikzeitung verfasst und aufgenommen.