Vom „Flying Circus“ ist im Zusammenhang mit dem Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ an dieser und anderer Stelle oft gesprochen worden. Der große und traditionsreiche Musikwettbewerb bezieht Jahr für Jahr in einer anderen Stadt Quartier.
Der jährliche Wechsel hat unter anderem zu tun mit Zuschüssen der Städte, Kommunen und Bundesländer für „Jugend musiziert“. Einer der Gründe, weshalb „Jugend musiziert“ durch die Republik wandert. Es hat auch damit zu tun, dass jedes Bundesland im Prinzip das Recht darauf erwirbt, das renommierte Musikprojekt mit solch bundesweiter Strahlkraft für kurze Zeit in sein Portfolio der jugendpädagogischen und -künstlerischen Aktivitäten aufzunehmen. Denn jedes Bundesland zählt ja eine Vielzahl von Jugendlichen zu den Teilnehmern am Bundeswettbewerb. „Jugend musiziert“ adelt seine Gastgeber, ebenso wie der Wettbewerb umgekehrt diese Einladungen zu schätzen weiß. Eben die idealtypische Win-win-Situation. Gastiert „Jugend musiziert“ in einer Stadt, öffnen sich die Türen aller Kultur- und Bildungseinrichtungen für die zahlreichen Einzelwettbewerbe. Die Stadt präsentiert sich dadurch nicht nur den auswärtigen Gästen des Bundeswettbewerbs in ihrer ganzen kulturellen Vielfalt. Auch die eigenen Bürgerinnen und Bürger können im Laufe der Wettbewerbstage ihre Stadt neu entdecken. Und nicht zuletzt nutzt die wechselnde Gastgeberschaft auch den jährlich rund 2.500 Nachwuchsmusikerinnen und -musikern, die nämlich reihum bevorzugt werden, was die An- und Abreisewege zum Bundeswettbewerb betrifft.
Was für den großen Bruder „Jugend musiziert“ gut ist, kann für den kleineren nicht das Schlechteste sein: Auch die älteste Förderung im Anschluss an den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, der Deutsche Kammermusikkurs, bezog über nunmehr 50 Jahre jeden Sommer in einer anderen Musikausbildungsstätte Quartier. Zwischen 40 und 80 Jugendliche, die die Einladung aufgrund ihres Bundespreises bei „Jugend musiziert“ erhalten hatten, reisten aus allen Teilen Deutschlands an, übten, probten, konzertierten, mal in Weikersheim, mal in Sondershausen, Alteglofsheim, Marktoberdorf, Rheinsberg oder Trossingen.
Und wie auch beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, standen und stehen am Ende des 14-tägigen Kurses Abschlusskonzerte, in denen die Musiker die Ergebnisse der Kursarbeit öffentlich vorstellen und die großen Werke der Kammermusik noch einmal auf einer Konzertbühne zelebrieren wollen.
Wo ist das Publikum?
Nun findet der Kammermusikkurs traditionell im August statt, einer vitalen Jahreszeit voller großer und kleiner Musikfestivals, zwischen denen sich der Kammermusikkurs jedoch behaupten muss – schwierig für ambitionierte junge Künstler, deren Namen womöglich erst einige Jahre später von Konzertplakaten strahlen und Publikum in Scharen anziehen werden. In dieser Gemengelage sein Publikum zu finden, ist heikel, falls man nicht ohnehin urlaubshalber der eigenen Stadt den Rücken gekehrt hat.
So muss der Deutsche Musikrat also bei der Planung der Abschlusskonzerte vor allem darauf bauen, dass es eben Frische und Spielfreude der jungen Leute sind und dazu ein attraktives Konzertprogramm, die die Musikliebhaber anlocken. Dennoch zählt die Suche nach gut eingeführten Kammermusikreihen, in die man (noch) unbekannte Künstler integrieren kann, und nach Konzertorten mit bekanntermaßen hoher Qualität zu den zentralen Aufgaben bei der Vorbereitung des Kammermusikkurses.
Wie bereits festgestellt, gehört das Wandern zum Wesensmerkmal des Bundeswettbewerbs. Das ergibt sich sowohl aus seinen logistischen Anforderungen als auch aus seiner jugendkulturellen Aufgabe in unserer föderalen Bildungslandschaft. Der Mobilität steht jedoch andererseits eine fixe terminliche Verankerung gegenüber. „Jugend musiziert“ findet jedes Jahr eine Woche über Pfingsten statt und ermöglicht es so allen Beteiligten, sich den Termin langfristig vorzumerken. Was der Bundeswettbewerb zu seinem Vorteil nutzt, eine Art künstlicher Verknappung, nämlich immer erneut und nur für kurze Zeit in einer Stadt beheimatet zu sein, wirkt sich auf die Attraktivität des Kammermusikkurses nachteilig aus. Denn den weitaus längsten Anteil am Kurs haben die täglichen Proben unter Anleitung renommierter Dozenten. Die finden allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Kammermusikkurs wird also erst ganz am Ende in der Öffentlichkeit sichtbar, wenn es um die drei Abschlusskonzerte geht. Um hier Abhilfe zu schaffen und die Attraktivität des Kammermusikkurses in der Öffentlichkeit zu vergrößern, beschloss der Projektbeirat, ihn örtlich und terminlich zu verankern.
Neue Heimat
Deshalb bezieht der Kurs nun immer Ende August und in den kommenden fünf Jahren sein Quartier an der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Musikleben dieser Region ist reich und wird durch viele kleine und auch bedeutende Fes-tivals zusätzlich bereichert. Städte wie Donaueschingen oder Rottweil haben längst ihr eigenes musikalisches Profil entwickelt, sind aber offen, die Interpretinnen und Interpreten des Kammermusikkurses auf ihren Podien zu präsentieren oder weitere Ideen zu entwickeln. Nicht zuletzt setzt auch die Musikhochschule Trossingen künstlerische Akzente.
Von 17. bis 30. August wird der 51. Kammermusikkurs also in Trossingen stattfinden. Die Einladungen werden die Teilnehmer im Laufe des März erreichen. Auch diese Generation von jungen, hoffnungsvollen Talenten wünscht sich das Bad im frenetischen Applaus eines gut gefüllten Konzertsaales. Die neue Heimat des Kurses und die damit verbundene Intensivierung von Beziehungen zu Kulturschaffenden der Region kann für alle Beteiligten nur von Vorteil sein. Man muss nur hingehen!