Begeistertes Publikum. Stehende Ovationen. Tosender Applaus. Die jungen Musiker*innen des Bayerischen Landesjugendorchesters (BLJO) brachten am 28. Januar den Herkulessaal in München zum Beben. Zum einen durch das Publikum, das nicht aufhören wollte zu applaudieren, zum anderen durch ein wunderbares Programm. Zu hören war Hindemiths „Rag Time (wohltemperiert)“, gefolgt von Schönbergs Klavierkonzert mit dem 14-jährigen Pianisten Tsotne Zedginidze. Nach der Pause folgte als krönender Abschluss die 1. Sinfonie von Gustav Mahler. Dies alles fand im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Symphonieorchester des BR (BRSO) und dem BLJO statt, die in diesem Konzert als tutti pro-Orchesterpatenschaft beurkundet wurde.
Zusammen eine neue Dimension
Beide Orchester verbinden bereits seit 2004 eine intensive Zusammenarbeit und etliche gemeinsame Projekte: Während der Arbeitsphasen stehen die Musiker*innen des Symphonieorchesters dem Nachwuchs als Dozenten*innen zur Seite. Unter dem damaligen Chefdirigenten Mariss Jansons waren Musiker*innen aus beiden Orchestern bei insgesamt 5 Projekten gemeinsam in Konzerten zu erleben. 2015 wurde die Verbindung durch das Dirigat von Daniel Harding mit der Symphonie Fantastique und beim Stockhausen-Festival der musica-viva mit den Hymnen von Stockhausen unter Peter Eötvös weiter gepflegt und vertieft. Groß war die Freude, dass 2024 erneut ein Projekt stattfinden konnte, bei dem die langjährige Zusammenarbeit durch die Überreichung der Urkunden noch einmal bekräftigt und offiziell als tutti pro-Orchesterpatenschaft besiegelt wurde. Erneut stand der Chefdirigent des BRSO am Pult: seit Beginn der Saison 2023/2024 Sir Simon Rattle. Professionelle Unterstützung leisteten auch dieses Mal Musiker*innen des BRSO. Jeweils zwei Profis spielten in den Streichergruppen und teilten sich das Pult mit dem Orchesternachwuchs.
Und wie erleben die jungen Musiker*innen dieses besondere Projekt? „Es wird geprobt und gelacht“, beschreibt die Cellistin Leonie Harrer die Proben mit Sir Simon Rattle. „Die Atmosphäre ist konzentriert und entspannt. Er arbeitet sehr intensiv mit uns, aber es wird auch gescherzt.“ „Solche Projekte bringen unser Orchester noch näher zusammen, weil es für alle ein Highlight ist und jeder sein Bestes gibt“, schwärmt die Flötistin Carmen Monzer. Auch sie schätzt besonders die professionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Sir Simon Rattle. „Er hat einen hohen Anspruch, der uns anspornt, noch besser zu spielen, noch mehr zu hören und alles für die Musik zu geben. Für mich persönlich ist es super toll zu sehen, wie er seine eigene Idee des Stückes umsetzt, und wie viel Musik er aus den kleinsten Phrasen macht.“ Auch Kontrabassist und Stimmführer Leo Duck, der sich für die Mahler-Sinfonie das erste Pult mit dem Solo-Kontrabassisten des BRSO Philipp Stubenrauch teilt, ist von dem Projekt begeistert. „Mit den Profis des BRSO zu spielen, lässt einen noch tiefer in die Welt der Orchestermusik eintauchen. Sie zeigen uns musikalische Nuancen, die über die Noten hinausgehen – so bekommt die Sinfonie noch einmal eine ganz andere Dimension. Das ist unglaublich inspirierend und ansteckend.“
Auch die Süddeutsche Zeitung würdigte in ihrer Besprechung die besondere Qualität dieser Form der musikalischen Nachwuchs- und Zusammenarbeit: „Große Musik zum ersten Mal zu spielen, ist eine unnachahmliche Erfahrung. Wenn also durchaus gute Musikerinnen und Musiker klassische Weltliteratur zum ersten Mal aufführen, erschafft das Momente voll von explosiver Spannung. Doch wenn ein solches Jugendorchester unter Simon Rattle spielt, reißt das alle Grenzen nieder. Und so profitiert das Bayerische Landesjugendorchester noch einmal besonders von seiner Patenschaft mit dem BRSO, seit Rattle dort als Chef angetreten ist.“
Alle Mitglieder des BLJO konnten wertvolle Erfahrungen sammeln und sind wahnsinnig dankbar für die Möglichkeit, mit solch namhaften Dirigenten und Musiker*innen zusammenarbeiten zu dürfen.
von Aileen Hartmann, ehemals Bratscherin im BLJO
Hintergrundinformationen der Jeunesses Musicales zu den tutti pro-Orchesterpatenschaften
tutti pro-Orchesterpatenschaften
Jugendorchester und Berufsorchester zusammenzubringen – dies ist die Idee der gemeinsamen Initiative von JMD, unisono und VdM. Sie wurde 2004 ins Leben gerufen. Seitdem haben sich Orchester an vielen Orten zusammengetan, ob in Köln, Frankfurt/Oder, Mannheim oder Berlin. Mit dem Siegel „tutti pro“ zeichnen die Bundesverbände die Qualität einer gewinnbringenden Nachwuchsarbeit aus und würdigen das Engagement der beteiligten Orchester.
Denn „tutti pro“ bedeutet auch: „voller Einsatz“. In welcher Form sie zusammenarbeiten und spielen, bestimmen die beteiligten Partner selbst. Das kann sein, dass die jungen Musiker*innen eine Probe ihres Patenorchesters besuchen, Profimusiker in Stimm- und Satzproben mit ihren jugendlichen Kollegen*innen arbeiten oder das Profiorchester mit Notenmaterial aushilft. Die Patenschaften werden getragen vom Engagement der Musiker*innen, Intendanten und Manager beider Orchester. Im Mittelpunkt stehen dabei die Freude an der gemeinsamen Sache, an der Begegnung und an der Musik. Die Initiative nimmt junge Menschen in ihrem Können ernst und motiviert sie fürs Orchesterspiel. Und mancher Profi entdeckt im Kontakt zu den Jugendlichen eine interessante Aufgabe und eine Energiequelle der besonderen Art.
Zuletzt überreichten JMD-Präsident Johannes Freyer und der Vorsitzende der Deutschen Musik- und Orchestervereinigung unisono Jean-Marc Vogt in München tutti pro-Urkunden an das Bayerische Landesjugendorchester und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks – die bundesweit 59. tutti pro-Orchesterpatenschaft und einer ihrer Leuchttürme! (siehe Foto)
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