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Jugend praktiziert bei ”Jugend musiziert“

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Die Pianistin Rebekka Friedrich absolvierte ein Schulpraktikum bei ”Jugend musiziert“
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Rebekka hat den Computer in der Bundesgeschäftsstelle ”Jugend musiziert“ fest im Griff. Den ganzen Tag schon tippt sie eifrig Daten in den Rechner. Rebekka ist 17 Jahre alt, kommt aus dem Süden Baden-Württembergs, spielt seit elf Jahren Klavier und ist mehrfache Bundespreisträgerin ”Jugend musiziert“. Aber sie ist nicht nur eine brillante Pianistin, sondern ein gescheiter und neugieriger Teenager der elften Klasse des Friederich Wöhler-Gymnasiums in Singen am Hohentwiel. Dort müssen die Schüler der elften Klassen ein einwöchiges Praktikum absolvieren, die sogenannte „Berufsorientierung an Gymnasien, BOGY“.

Ziel ist eine erste Konfrontation mit der Arbeitwelt, idealerweise leistet man das Praktikum im späteren bevorzugten Berufsfeld ab. Ist die Berufswahl noch unklar, hat man so zumindest die Möglichkeit, bestimmte Berufsfelder für sich auszuschließen. Bezogen auf Rebekkas berufliche Wünsche, deckt das Praktikum bei ”Jugend musiziert“ entscheidende Felder ab: „Am liebsten möchte gerne Musik studieren und Konzertpianistin werden, aber“, so ihre realistische Einschätzung, „ich werde sicherheitshalber auch Pädagogik belegen, um unterrichten zu können oder vielleicht sogar ganz auf Musikmanagement umsatteln.“

Post aus der Bundesgeschäftsstelle

Einmal hinter die Kulissen dieses Wettbewerbs zu blicken, an dem sie sich in der Vergangenheit so oft beteiligt hatte, und der vor den Kulissen so erstaunlich reibungslos abläuft, das war ihr Wunsch, den sie sich mit diesem Praktikum erfüllte. Dazu startete sie ihren Aufenthalt in München kurzerhand eine Woche früher als von der Schule vorgesehen, ein Teil der Osterferien wurden dafür geopfert. „Eine Woche wäre einfach zu kurz gewesen, da kann man die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Tätigkeiten gar nicht richtig herstellen. Allmählich blicke ich besser durch,“ begründet sie ihren Entschluss.

Rebekka kann sich noch sehr genau an ihre Freude über den 1. Bundespreis in der Kategorie „Klavier solo“ erinnern und auch, wie sie damals auf Post aus der Bundesgeschäftsstelle wartete, die ihr den genauen Ort und Termin ihres Wertungsspiels vor der Jury mitteilen würde. Im Gegensatz zu dem Heer von Eltern und Lehrern, die im Moment im zwei Stundentakt in der Bundesgeschäftsstelle anrufen, um ihrer Verwunderung darüber Ausdruck zu verleihen, weshalb zwei Wochen nach Abschluss der letzten Landeswettbewerbe noch immer kein Terminplan zu erhalten ist, kennt Rebekka nun die Ursache für die Wartezeit. Denn sie arbeitet am großen Zeitplan mit, der allen Teilnehmern größtmöglichen Spielraum einräumen soll:
Einfache Fälle sind schnell erledigt: Jedem Teilnehmer werden Ort und Zeit seines Wertungsspiels zugewiesen. Das besorgt eine speziell für ”Jugend musiziert“ entwickelte Software. Schwieriger wird es schon, wenn ein Teilnehmer in mehreren Kategorien mitmacht. Dann muss darauf geachtet werden, dass die beiden Termine seiner Wertungsspiele so gelegt werden, dass er im Ernstfall auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Nachbarstadt fahren und sich dort entspannt einspielen kann. Dabei kann die Software zwar noch unterstützen, aber der Anteil an Hand- und Denkarbeit wächst, ganz abgesehen davon, dass man sich via Internet zunächst einen Überblick über den öffentlichen Personen-Nahverkehr der Gastgeberstädte verschaffen muss, um qualifiziert, die rechnergestützte Ordnung umzustürzen. Der nächst höhere Schwierigkeitsgrad besteht darin, Zeitfenster für Teilnehmer zu finden, die als Ensemble antreten und darüber hinaus allesamt in weiteren Ensemblewertungen mitwirken. Auch hier darf es weder Überschneidungen noch zu eng gesteckte Abstände zwischen den Wertungsspielen geben. Oberstes Ziel ist immer, die Rahmenbedingungen für die jungen Musiker so zu definieren, dass sie sich ausschließlich auf ihren künstlerischen Vortrag konzentrieren können und ihnen keinerlei organisatorische Fallstricke drohen.

Nicht ohne meinen Lehrer

Weil in den Vorbereitungen zu ”Jugend musiziert“ sowohl Herz als auch Herzblut stecken, erhalten alle 2.100 Teilnehmer für eine kurze Frist die Möglichkeit, Terminwünsche anzumelden. Die allerdings müssen gewichtig sein. Dazu gehören Abiturprüfungen, Klassenfahrten, Kommunion oder Konfirmation. So dass der Feinschliff am Zeitplan darin besteht, die betreffenden Teilnehmer terminlich gemäß ihrer Wünsche zu verschieben, ohne das große Ganze zum Wanken zu bringen. „Ich war zum Teil wirklich überrascht, mit welcher Begründung einzelne Teilenehmer ihre Zeitplanwünsche anmeldeten. Dazu gehörten Urlaubsreisen der Eltern oder die Tatsache, dass ein Lehrer mehrere Schüler im Wettbewerb hat und darum bittet, alle Wertungsspiele so zu setzen, dass er überall zuhören kann. Ich finde, dass den Planern ein bisschen viel abverlangt wird,“ resümiert Rebekka. „Als wir mit unserem Ensemble zum ersten Mal beim Bundeswettbewerb waren, war ich dreizehn Jahre alt und meine Lehrerin war nicht dabei. Und jetzt lese ich von 17-Jährigen, die sich das Wertungsspiel im Bundeswettbewerb nicht ohne Lehrer zutrauen. Irgendwann ist man dafür doch wirklich alt genug.“

Was spielen die anderen?

Den kritischen Worten einer selbstbewussten Schülerin zum Trotz versuchen die Zeitplanmacher derlei Wünsche zu berücksichtigen. Nach zahllosen Checks, Gegenchecks und einer Schlussüberprüfung durch mindestens zwei Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle ist der Zeitplan dann schließlich zur Veröffentlichung freigegeben. Zu den Voraussetzungen, den Bundeswettbewerb reibungslos durchzuführen gehört auch, die Musikprogramme der 2.100 Teilnehmer auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. ”Jugend musiziert“ verlangt einen Querschnitt durch verschiedene Musikepochen, so dass der Musiker seine Vielseitigkeit zeigen kann. Bei der Beurteilung der angemeldeten Musikliteratur ist musikalischer Sachverstand angesagt, und die aufwendige Forschungsarbeit erledigen derzeit zwei versierte Musikwissenschaftler. Auch Rebekka verfügt über gute Literaturkenntnisse im Fach Klavier und wundert sich über die sorglos ausgefüllten Formulare, die Lücken enthalten, die der junge Musikant durch eine Rückfrage bei seinem Musiklehrer sofort hätte aus der Welt schaffen können. Und natürlich wirft sie hin und wieder, wenn ihre Zeit es zulässt, einen Blick auf die Musikprogramme von Musikern der beiden diesjährigen Klavier-Kategorien. „Echte Überraschungen habe ich nicht entdeckt. Aber hin und wieder war ich erstaunt, dass zum Beispiel ein und dieselbe Sonate bei den jüngsten und den ältesten Teilnehmern auftauchte. Aus dem Stand würde ich sagen, dass sich Teilnehmer der höheren Altersgruppen damit im Grunde unterfordern. Umgekehrt fand ich vereinzelt im Repertoire der jüngsten Altersgruppe Literatur, deren Schwierigkeitsgrad der für die höchste Altersgruppe entsprach. Vermutlich sind einzelne Sätze daraus besonders schwer“

Im Keller der Gastgeber

In wenigen Tagen endet Rebekkas Praktikum bei ”Jugend musiziert“. Was nimmt sie an Erkenntnissen und Erfahrungen mit? „Es ist beinahe ein Wunder, dass so viele Detailaufgaben und Zwischenschritte sich am Ende zum großen Wettbewerb ”Jugend musiziert“ zusammenfügen, man merkt das gar nicht, vor allem, wenn man tief und für mehrere Tage in ein und derselben Arbeit versinkt. Aber ich habe es genossen, wie heiter und routiniert die Kollegen all die vielen Aufgaben bewältigten und es hat mir auch gefallen, dass der stellvertretende Projektleiter ebenfalls mit badischem Zungenschlag sprach. Das hat mich sehr schnell heimisch werden lassen.“

Für Rebekka wird es Zeit, wieder den Weg in die Heimat anzutreten, denn sie vermisst ihr Klavier. „Ich habe zwar jeden Abend im Keller meiner Gastgeber geübt, aber eben doch mit sehr reduzierter Kraft und Lautstärke. Zum Glück wohnen sie in einem Einfamilienhaus. In den nächsten Wochen habe ich drei Konzerte zu spielen, da möchte ich natürlich beweisen, dass ich zu Recht 1. Bundespreisträgerin ”Jugend musiziert“ bin. In der Kategorie „Enthusiasmus“ erhielt sie jedenfalls den 1. Preis der Bundesgeschäftsstelle.

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