Dass das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht reformbedürftig ist, hat bereits die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ im Juni 2002 in ihrem Abschlussbericht festgestellt. Sie hat dem nächsten Deutschen Bundestag die Aufgabe aufgegeben, diese Reform anzugehen. Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Deutschen Bundestages hat diese Aufgabe im Zeitraum zwischen 2002 und 2005 angenommen und verschiedene Experten zu einer möglichen Reform des Gemeinnützigkeitsrechts angehört. Ein abschließendes Urteil hat sich der Unterausschuss nicht mehr gebildet, denn im Mai 2005 hat bekannter- maßen der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärt, Neuwahlen anzustreben. Wie so manches andere Vorhaben blieb also auch die Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts in den Kinderschuhen stecken.
Um so erfreulicher war es, dass alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien in den Antworten auf die Wahlprüfsteine des Deutschen Kulturrates erklärt haben, dass sie die Reform des Gemeinnützigkeitsspendenrechts angehen wollen. Die FDP erklärte dieses Vorhaben zu den wichtigen Projekten in dieser Legislaturperiode, die SPD verwies auf eine Expertengruppe an der neben Wissenschaftlern Vertreter der Spitzenverbände zusammenarbeiten und auch CDU/CSU erklärten, dass Anpassungen im Gemeinnützigkeitsrecht erforderlich sind.
Einen ersten Niederschlag haben diese Erklärungen in der Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition für die 16. Legislaturperiode (2005-2009) gefunden. Hier wird als konkretes Vorhaben zur Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements die Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts genannt. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat direkt im Dezember 2005 eine Stellungnahme zur Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts vorgelegt. Ausgehend von einer Beschreibung der Bedeutung des Bürgerschaftlichen Engagements für die Gesellschaft oder speziell im Kulturbereich für das kulturelle Leben werden konkrete Vorschläge unterbreitet, wie das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht reformiert werden sollte. Dabei hat der Deutsche Kulturrat auch solche Vorschläge aufgegriffen, die von der gemeinsamen Projektgruppe „Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts“, in der Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, des Deutschen Naturschutzrings, des Deutschen Sportbunds, von Venro (Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit), des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, des Deutschen Kulturrates sowie Fachwissenschaftler zusammenarbeiten, diskutiert werden.
Bei der Diskussion um die Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts gibt es zwei Diskussionsstränge. Zum einen soll es so verändert werden, dass es für die Vereine und Stiftungen leichter anzuwenden ist. Bestehende Unklarheiten sollen ausgeräumt und die Bestimmungen auch für Laien verständlich gefasst werden. Dieser Diskussionsstrang wird zumeist als „kleine Reform“ des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts bezeichnet.
Zum zweiten wird debattiert, dass die in der Abgabenordnung aufgeführten gemeinnützigen Zwecke aktualisiert werden sollen und darüber hinaus eine andere Instanz zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit geschaffen werden soll. Diese Debatte, auch „große Reform“ des Gemeinnützigkeitsrechts genannt, zielt neben der Überarbeitung des Katalogs gemeinnütziger Zwecke darauf ab, dass die Gemeinnützigkeit eines Vereins oder einer Stiftung künftig von einer Fachbehörde und nicht dem Finanzamt zuerkannt werden soll. Alternativ wird diskutiert, dass ein Fachbeirat die Finanzbehörden berät. Damit soll verhindert werden, dass, wie es heute teilweise der Fall ist, das eine Finanzamt einen Verein nicht als gemeinnützig anerkennt, das Finanzamt der Nachbargemeinde jedoch kein Problem sieht und die Anerkennung ausspricht. Die beiden genannten Vorhaben wären Teil einer großen Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, die einer umfassenden Debatte bedarf. Im Kern geht es darum zu verdeutlichen, dass Vereine, Verbände und Stiftungen ein eigenständiger Bereich – zwischen Markt und Staat – sind und dass ihre Autonomie geschützt werden muss.
Zu der kleinen Reform gehört zuerst, dass die Regelungen im Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, also besonders der Abgabenordnung, so gefasst werden, dass sie verständlicher werden. Das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht ist inzwischen so komplex, dass es für Laien kaum mehr nachvollziehbar ist. Hierzu gehört auch, die Vordrucke für Spendenbescheinigungen so zu verändern, dass sie praxistauglich werden. Ebenso gehört auf den Prüfstand, dass die Finanzbehörden die Gemeinnützigkeit immer nur vorläufig bestätigen.
Dieses bedeutet für einen Vorstand, der Spendenbescheinigungen ausstellt, dass er stets in der Gefahr schwebt, diese Spendenbescheinigungen zwar nach bestem Wissen und Gewissen ausgestellt zu haben, die Finanzbehörden aber im Nachhinein dem Verein die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkennen können. Der ehrenamtliche Vorstand haftet dann für die „unrichtig“ ausgestellten Spendenbescheinigungen. Eine weitere Änderung innerhalb des geltenden Rechts wäre die Klarstellung, dass als gemeinnützig anerkannte Dachverbände auch Dienstleistungen gegenüber Mitglieder, die unter Umständen als nicht gemeinnützig anerkannt sind, erbringen dürfen, ohne dass ihre eigene Gemeinnützigkeit in Gefahr gerät.
Diese kleine Reform ließe sich sehr rasch bewerkstelligen, da sie innerhalb des geltenden Rechts erfolgt. Dennoch sollte die Chance nicht vertan werden, jetzt die Gelegenheit zu einer umfassenden Debatte um das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht zu führen. Die Vereine, Verbände und Stiftungen können, gerade bei einer großen Lösung, viel gewinnen.
FDP für Staatsziel Kultur
Der Deutsche Kulturrat begrüßt die Gesetzesinitiative der FDP-Bundestagsfraktion, das Staatsziel Kultur im Grundgesetz zu verankern. Die FDP-Bundestagsfraktion schlägt im Antrag „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Kultur)“ (Drucksache 16/387) vor, dass das Grundgesetz um einen neuen Artikel 20b mit dem Wortlaut „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ ergänzt wird. In der Gesetzesbegründung wird deutlich gemacht, dass das Staatsziel Kultur vor allem bei Ermessensentscheidungen zu Gunsten der Kultur eine wichtige Argumentationshilfe sein kann. Direkte Ansprüche können aus dem Staatsziel Kultur nicht abgeleitet werden. Da Staatsziele für alle politischen Ebenen gelten, wird die Kulturhoheit der Länder durch das Staatsziel Kultur nicht verletzt. Mit dem Gesetzesentwurf wird eine Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ direkt in gesetzgeberisches Handeln umgesetzt.