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Robert von Zahn. Foto: LMR-NRW
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LMR NRW im Gespräch
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Der Landesmusikrat (LMR) NRW e.V. ist der Dachverband des Musiklebens in Nordrhein-Westfalen. Mitglieder sind neben 18 Einzelpersönlichkeiten 54 Verbände, Arbeitsgemeinschaften, Organisationen und Institutionen, die das Musikleben Nordrhein-Westfalens in seinen vielfältigen Ausprägungen und Interessen widerspiegeln. Seit 1. Juli 2005 ist Robert von Zahn Generalsekretär des Landesmusikrates Nordrhein-Westfalen. Die neue musikzeitung sprach mit ihm.

: Das Ruhrgebiet hat sich ein neues Profil gegeben, weg von der Montanindustrie und hin zur Kultur. Eine ganze Kulturregion ist im Aufbruch. Profitiert der Landesmusikrat NRW von dieser Aufbruchstimmung?

Robert von Zahn: Für uns erwachsen im Ruhrgebiet neue, ideenreiche Partner, mit denen wir gerne zusammenarbeiten. Als Beispiel möchte ich die Essener Philharmonie nennen, deren Intendant, Michael Kaufmann, uns die Chance bietet, die Arbeit der Landesjugendensembles in einer Konzertreihe dreimal im Jahr unter optimalen Bedingungen vorzustellen. Wir möchten bei diesen Partnern aber auch dafür werben, die Musik vor Ort in ihre Arbeit einzubeziehen: Das Ruhrgebiet birgt sehr eigenständige musikalische Traditionen, ein dichtes Chorleben, eine aus der Umgebungskultur gewachsene Form des Jazz, Musikformen, die von Migranten geprägt wurden, Lieder, die aus der Arbeiterkultur und den sozialen Umwälzungen des Ruhrgebiets stammen.

: NRW ist nicht nur das Ruhrgebiet: Wo liegen die Probleme und Chancen anderer Regionen und Ballungszentren?

: Das größte Problem aller Regionen in NRW sind sicherlich die Rahmenbedingungen des freien künstlerischen Arbeitens, die sich immer ungünstiger gestalten. Das niedrige Einkommen der vielen freischaffenden Musiker ist in den letzten 15 Jahren im Schnitt gleich geblieben und koppelt sich immer krasser von den Gehältern der Musiker in Anstellungen der öffentlichen Hand ab. Die selbstständig arbeitenden Musiker müssen immer mehr Zeit für die Selbstverwaltung aufwenden. Aber auch das Schmuckstück NRWs, ein überaus dichtes und lebendiges Musikvereinsleben, braucht Unterstützung. Zumal die Lebendigkeit dieser beiden Eckpfeiler die größte Chance birgt, musikalisch nach vorn zu kommen. Wir versuchen, deren Potential in Landesinitiativen einzubringen, zum Beispiel in die „Regionale 2010“ für die vier Rheinkreise.

: Regierungschef Jürgen Rüttgers hat den Kultur-Etat im Land verdoppelt. Kommt das auch dem LMR zugute?

: Die CDU-FDP-Regierung möchte die Kulturförderung in NRW mittelfristig verdoppeln. Das heißt, dass aus den 70 Millionen Euro des Jahres 2005 nach fünf Jahren 140 Millionen jährlich werden sollen. Für 2006 könnte dies laut Kabinettsvorgaben eine Steigerung der Kulturförderung um gut 18 Prozent bedeuten – erfreulich genug. Inwieweit sich dies auf die Arbeit des Landesmusikrats auswirken kann, wird der Haushalt zeigen, der im April oder Mai verabschiedet werden soll. Wir erhoffen uns vor allem einen Zuwachs in der so genannten Laienmusikförderung. Herr Staatssekretär Grosse-Brockhoff hat dem Präsidenten des Landesmusikrats, Werner Lohmann, und mir in zwei Gesprächen über die Situation von Kunst und Kultur in NRW und speziell über die Arbeit der Landesjugendensembles den Eindruck vermittelt, dass er gerade den Nahtstellen zwischen Schule und Kulturleben sowie der musikalischen Bildung einen sehr hohen Stellenwert einräumt.

: Der Landesmusikrat NRW stellt sich dem Landesparlament und der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen als fachkundiger Berater zur Verfügung. Welche Rolle spielen dabei Ihre vier Arbeitsgemeinschaften des Landesmusikrats: Musik in Erziehung, Ausbildung und Forschung (AG 1), Musik in der Jugend (AG 2), Musik im Laienbereich (AG 3), Musik in Beruf, Medien und Wirtschaft (AG 4).

: Die vier Arbeitsgemeinschaften sind das Rückgrat des Landesmusikrats, eine Art „think tank“, der unmittelbaren Bezug zum Musikleben hat. Ich nenne nur zwei Beispiele für das Ganze: Die AG für Musik in Erziehung, Ausbildung und Forschung hat sich vor allem in den Aufbau der Offenen Ganztagsgrundschule mit ausgearbeiteten Vorschlägen eingebracht, fachkundig verdichtet von der stellvertretenden Leiterin der Geschäftsstelle Heike Stumpf. Und die AG für Musik in Beruf, Medien und Wirtschaft hat sich in insgesamt fünf Diskussions- und Vortragsveranstaltungen dem Problemfeld „Musik und Beruf“ gewidmet und ist dabei, ihre Ergebnisse Land und Kommunen anzubieten.

: Die Strukturveränderungen in den Hochschulen NRW sind so gut wie abgeschlossen. Welche Anforderung wären von Ihrer Warte aus die wichtigsten und dringendsten?

: Es freut mich sehr, dass die Hochschulen ihre Angebote dem heutigen Kulturleben anzupassen versuchen, insbesondere freut mich die Einbeziehung von Jazz, Pop- und Weltmusik in einen gestuften Studiengang „Populäre Musik“ an der Kölner Hochschule, der auf der exzellenten Tradition des Kölner Jazz-Vollstudiengangs aufbauen kann. Immer drängender wird das Problem, dass die Hochschulen immer mehr Musiker für einen Arbeitsmarkt ausbilden, der diese nur zu einem ganz kleinen Teil aufnehmen kann. Was nicht heißt, dass man konkret auf einen Arbeitsmarkt hin ausbilden muss, man würde ihm dann doch nur hoffnungslos hinterherlaufen. Aber Auswüchse sollten die Hochschulen in den Griff bekommen.

: Sie vertreten 54 Mitglieder – wie kann man für so eine heterogene Interessengemeinschaft wirkungsvolles Lobbying betreiben?

: Die Gesamtheit der Mitglieder ist so heterogen nicht. In einem fast unglaublichen Maße ist das Musikleben in NRW von ehrenamtlichem Engagement getragen. Das verbindet sehr. Und das drückt sich in einer großen Zahl von Kooperationen zwischen den Mitgliedern aus. Als Beispiel für vieles nenne ich nur das Bündnis zwischen der Arbeitsgemeinschaft Laienmusik und dem Landesverband der Musikschulen, das Musikvereine vor Ort mit den ansässigen Musikschulen zusammenführt. Und mit Unterstützung der Sparda-Kulturstiftung jetzt auch zu einem interessanten Wettbewerb geführt hat. Es gibt viele weitere Vernetzungen, viele davon sind vom Landesmusikrat gefügt worden. Ich darf das so begeistert preisen, weil es vor meiner Zeit geschah. Die wirkungsvolle Lobby-Arbeit besteht vor allem im Aufzeigen des Bestehenden gegenüber der Politik. Es spricht für sich, man muss es nur in die Politik transportieren.

: Wie würden Sie das Profil des Landesmusikrates NRW beschreiben?

: Der Landesmusikrat NRW ist gemessen an seiner Mitgliederstärke recht beweglich. Er sucht die Tuchfühlung zu gesellschaftlichen Veränderungen. Sein Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ gehört zu den Landeswettbewerben, die pilothaft neue Wertungen aus Rock, Pop, DJ-Kunst und Musik von Migranten einführen und die Erfahrungen dann in den Bundeswettbewerb einbringen. Er führt mit „Rock it“ einen eigenen Rock-Wettbewerb durch, der zuletzt in Gronau sehr gut angenommen wurde, auch mit Hilfe von WDR Eins Live. Für 2006/2007 haben wir uns das Popleben in NRW als Arbeitsschwerpunkt vorgenommen. Der Landesmusikrat ist zudem bodennah, er versucht mit Erlösen aus der Oddset-Sportwette des Landes Breitenkultur über die Mitgliedsverbände zu fördern. Die Mitgliedsverbände leisten dabei großartige Arbeit.

: Welche Perspektiven und Visionen haben Sie als Geschäftsführer, welche speziellen Aufgaben und Schwerpunkte sehen Sie für die künftige Arbeit Ihres Teams?

: Meine Vision: Ein Nordrhein-Westfalen mit einem Musikleben, das bei aller Vielseitigkeit soviel eigenständige musikalische Substanz hat, dass das Land zu einer kulturellen Identität findet. Bezogen auf den Landesmusikrat: Ich möchte die Fähigkeit der Beweglichkeit stärken. Wir wollen der aktuellen Gesellschaft zugewandt bleiben, Licht auf musikalische Genres und Szenen werfen, die wir für zukunftsträchtig halten. Weiterhin gilt das Augenmerk auf jeden Fall aber auch der Nachwuchsarbeit, unseren Wettbewerben und Jugendensembles. Unsere sieben Wettbewerbe, die sieben Jugendensembles als Anschlussmaßnahmen für die Preisträger, aber auch die Projekte, die in die Breite wirken, dienen dem Kulturleben von morgen. Wenn sich in den Jugendkulturen neue Genres eröffnen, in denen anspruchsvoll gearbeitet wird, müssen wir uns mitbewegen. Im Übrigen gilt: Das Präsidium des Landesmusikrats gibt die perspektivischen Vorgaben, die Geschäftsstelle macht dazu Vorschläge und setzt um.

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