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Neue Wege zur Kulturfinanzierung eröffnen

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Das neue Stiftungsrecht kommt – wenn die SPD es endlich will
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Neben der Diskussion um das Holocaust-Mahnmal in Berlin wurde als weiteres wichtiges kulturpolitisches Thema die Reform des Stiftungsrechts von der letzten Legislaturperiode in die jetzt laufende 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestags mit herübergenommen. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte mit ihrem Gesetzentwurf im Februar 1998 noch von der Oppositionsbank aus die Diskussion ausgelöst. Sie erinnerte dabei zugleich den damaligen Bundeskanzler Kohl an sein zu Beginn der 13. Legislaturperiode gemachtes Versprechen, das Stiftungsrecht zu reformieren. Jetzt sind Bündnis 90/Die Grünen mit in der Regierungsverantwortung und müssen feststellen, daß eine Reform des Stiftungsrechts – zumindest was den steuerlichen Teil betrifft – auf Widerstand beim Koalitionspartner trifft. Denn trotz der Versprechungen im Bundestagswahlkampf, den Beteuerungen von Staatsminister Naumann und den Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung oder die SPD-Bundestagsfraktion bislang noch keinen Gesetzentwurf zur Stiftungsreform in das Parlament eingebracht. Diese Bewegungslosigkeit der neuen Regierung beim Thema Stiftungsrecht hat die F.D.P. ausgefüllt. Sie hat einen Gesetzentwurf zur Stiftungsreform vorgelegt, der am 26. März 1999 in erster Lesung in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Bei der Reform des Stiftungsrechts sind grundsätzlich zwei wesentliche gesetzliche Änderungen angedacht: eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), besonders der Aspekt der Errichtung und Genehmigung von Stiftungen sowie Änderungen in der Steuergesetzgebung für gemeinnützige Stiftungen. Konzessions- oder Normativsystem Das neue – und zunächst auch sehr umstrittene – am Gesetzentwurf zur Reform des Stiftungsrechts von Bündnis 90/Die Grünen in der letzten Legislaturperiode war der Vorschlag, das bestehende Konzessionssystem durch ein Normativsystem abzulösen. Ziel ist dabei, das Verfahren zur Errichtung von Stiftungen zu erleichtern und damit insgesamt zu einem stiftungsfreundlichen Klima beizutragen. Die unterschiedliche Genehmigungspraxis der Bundesländer, die dazu führen kann, daß eine Stiftung, die vielleicht in Berlin keine Chance zur Eintragung und damit Errichtung hat, in Nordrhein-Westfalen problemlos genehmigt wird, soll damit vereinheitlicht werden. Ein bundeseinheitliches Stiftungsgesetz soll das Recht und Verfahren zur Gründung von Stiftungen regeln. Mit der Einführung des Normativ- anstelle des Konzessionssystem würde der Gesetzgeber die seit einigen Jahren übliche Praxis in Recht übersetzen und damit legitimieren. Vornehmliches Anliegen von Bündnis 90/Die Grünen und insbesondere von Bundestagsvizepräsidentin, Dr. Antje Vollmer, die sich mit besonderem Engagement für die Reform des Stiftungsrechts einsetzt, ist eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement und damit auch die Stärkung der Verant- wortung von Bürgerinnen und Bürgern für die Gesellschaft. Auch wenn die Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen zunächst bei Verbänden aus dem Stiftungswesen sowie Experten und Expertinnen auf große Reserviertheit bis Ablehnung stießen, scheint nach zahlreichen Diskussionsrunden und Veranstaltungen ein Konsens in Sicht zu sein. Das Konzessionssystem wird aller Voraussicht nach durch das Normativsystem ersetzt. Auch der neue Gesetzentwurf der F.D.P.-Fraktion sieht nämlich die Abschaffung des Konzessions- durch das Normativsystem vor. Die Länder, das wird immer deutlicher, sollen weiterhin die Stiftungsaufsicht behalten. Ihre Aufgabe beginnt aber erst nach der Errichtung der Stiftung und deren Anmeldung bei der Stiftungsbehörde. Steuererleichterungen nur für echte Stiftungen Bei den jüngsten Debatten um die Reform des Stiftungsrechts – so bei der Anhörung der F.D.P.-Bundestagsfraktion am 22. März 1999 im Wasserwerk in Bonn – kristallisierte sich als strittig die Frage heraus, was eine Stiftung überhaupt ist. Daran schließt sich die Frage an, ob die Stiftungszwecke eingeschränkt werden sollen. Auch für diese Diskussion lieferte der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen aus der 13. Legislaturperiode den Zündstoff. Hier wurde vorgeschlagen, Familienstiftungen und unternehmensbezogene Stiftungen einzuschränken. Danach dürfen Familienstiftungen, das heißt Stiftungen, deren Stiftungszweck der Erhalt des Vermögens einer Familie ist, zunächst nur auf 30 Jahre gegründet werden. Weiter sollen Stiftungen nicht länger Träger eines Unternehmens sein können. Diese Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen – insbesondere die Einschränkung der Familienstiftungen – stießen auf heftigen Widerstand. Insbesondere der Bundesverband Deutscher Stiftungen lehnte diese Vorschläge zunächst grundsätzlich ab. Inzwischen zeichnet sich jedoch ein Kompromiß ab. Demgegenüber sieht der Gesetzesentwurf der F.D.P.-Fraktion keine Einschränkung der Stiftungszwecke vor. Familienstiftungen und unternehmensbezogene Stiftungen werden begrüßt. Eine Einschränkung der Stiftungszwecke wird mit dem Argument der Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger abgelehnt. Gerade in Hinblick auf die unternehmensbezogenen Stiftungen scheint die F.D.P.-Fraktion die Einführung einer neuen Unternehmensform im Blick zu haben. Die Definition, was eine Stiftung ist, wird der entscheidende Punkt sein, wenn es darum geht, die Skeptiker aus der Finanzverwaltung von der Reform des Stiftungssteuerrechts zu überzeugen. Die Finanzminister der Länder und der Bundesfinanzminister werden einer steuerlichen Erleichterung von Stiftern nur zustimmen, wenn sie wissen, wer begünstigt wird, wieviele voraussichtlich in den Genuß von Vergünstigungen kommen werden und in welcher Höhe die Einnahmeverluste der Öffentlichen Hände zu veranschlagen sein werden. Bei der Diskussion mit der Finanzverwaltung über die steuerliche Entlastung von gemeinnützigen Stiftungen ist es wichtig, daß steuerliche Vergünstigungen nur bei echten Stiftungen zum Tragen kommen. Stiftungen dürfen nur das sein, was man sich normalerweise darunter vorstellt, und zwar mitgliederlose Organisationen, die bestimmte durch ein Stiftungsgeschäft festgelegte Zwecke mit Hilfe eines ihr dazu dauerhaft gewidmeten Vermögens verfolgen. Wenn sie steuerliche Vorteile erhalten wollen, müssen sie gemeinnützig sein. Das heißt konkret, daß künftig Vereine, wie die parteinahen Stiftungen, die eben über kein Stiftungskapital verfügen, sondern Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt erhalten, sich nicht mehr Stiftungen nennen dürfen. Ähnliches gilt für gemeinnützige GmbHs, die zwar über eine Art Stiftungskapital verfügen, ihren Stiftungszweck aber durch eine einfache Unternehmensentscheidung ändern können. Selbstverständlich müssen die bereits bestehenden „unechten" Stiftungen Vertrauensschutz genießen, so werden sie auch in Zukunft unter dem Namen Stiftung firmieren können. Bei Neugründungen dürfen sie aber nicht mehr erlaubt sein. Nur so wird es möglich sein, das Vertrauen möglicher Zustifter in die Rechtsform Stiftung zu stärken und Bedenken der Finanzverwaltung zu relativieren. Im steuerlichen Bereich diskutieren Experten und Expertinnen die Erhöhung der Abzugsfähigkeit von Spenden an Stiftungen für gemeinnützige Zwecke von 5 auf 20 Prozent. Außerdem soll die Aufdeckung stiller Reserven im Betriebsvermögen zur Dotierung gemeinnütziger Stiftungen nicht mehr als Entnahmegewinn versteuert werden und die Errichtung gemeinnütziger Stiftungen von Todes wegen soll generell von der Steuer freigestellt sein. Wie sich diese Änderungen in konkreten Zahlen bei den Staatseinnahmen auswirken werden, darüber kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Es ist aber davon auszugehen, daß sie zunächst zu kurzfristigen Einnahmeverlusten des Staates führen werden. Diese anzunehmenden kurzfristigen Einkommenseinbußen dürfen aber nicht dazu führen, das langfristige Ziel der Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement aus den Augen zu verlieren. Stiftungen sind in die Zukunft gerichtet. Stifterinnen und Stifter geben auf Dauer ihr Vermögen für einen bestimmten Zweck unwiderruflich ab. Gerade im Kulturbereich können Stiftungen langfristig gesehen, Aufgaben in der Kulturfinanzierung übernehmen und somit den Staat wiederum entlasten. Schon heute sind Stiftungen mit ihren zusätzlichen Leistungen aus dem Spektrum der Kulturfinanzierung, besonders in Hinblick auf junge, noch nicht durchgesetzte Kunst oder auch bei der Erhaltung von Kulturschätzen nicht mehr wegzudenken. Warum sollten Stiftungen in der Zukunft nicht noch weitreichendere Aufgaben übernehmen können? Echte Reform des Stiftungssteuerrechts ist erforderlich! Die Reform des Stiftungsrechts und des Stiftungssteuerrechts ist ein wesentliches Reformvorhaben. Dieses Reformvorhaben darf nicht durch Halbherzigkeiten, etwa die Konzentration auf den zivilrechtlichen Teil unter Ausschluß steuerrechtlicher Änderungen verspielt werden. Das Reformvorhaben darf aber auch nicht auf die lange Bank geschoben werden. Es ist darum zu hoffen, daß die Regierungskoalition nicht den Fehler ihrer Vorgänger wiederholt, zu Beginn der Legislaturperiode eine Reform des Stiftungsrechts anzukündigen und am Ende auf die nächste Wahlperiode verweisen zu müssen. Bündnis 90/Die Grünen haben in der letzten Legislaturperiode die Vorlage geliefert, die F.D.P.-Bundestagsfraktion hat den Ball aufgenommen, will die SPD sich das Spiel nicht aus der Hand nehmen lassen, muß sie jetzt deutlich Ja zu einem neuen Stiftungsrecht sagen und einen Gesetzentwurf mit dem Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen vorlegen.
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