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So viel Konsens war noch nie

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Zur Bundestagsdebatte „Deutsch als dritte Arbeitssprache auf europäischer Ebene“
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“Wir wollen, dass der Deutsche Bundestag diese Forderungen des Deutschen Kulturrats möglichst einmütig unterstützt”, dieser Wunsch von Dr. Peter Gauweiler in seiner Rede am 22. Mai 2003 vor dem Deutschen Bundestag zum Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Deutsch als dritte Arbeitssprache auf europäischer Ebene” wird voraussichtlich Realität werden.

Der Kulturpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Eckhardt Bartel sagte in der selben Aussprache: „Die bisherige Debatte könnte man mit dem Satz überschreiben: So viel Konsens war nie. ... Da die Zustimmung hier so groß ist, kann ich sagen: Wenn wir unser Ziel beibehalten, werden sich sowohl Kultur- als auch Europapolitiker auf einen gemeinsamen Antrag zu diesem wichtigen Thema einigen. Die bisherigen Erfahrungen sprechen dafür; also habe ich diesbezüglich keine Sorgen.“

Der Deutsche Kulturrat begrüßt diese parteiübergreifende Einigkeit ausdrücklich. Wir haben vor der Bundestagsdebatte mit Nachdruck daraufhin hingewiesen, dass die deutsche Sprache allein auf Grund der Zahl der Sprecher zu den „großen“ Sprachen der Europäischen Union gehört. Nach Auffassung des Deutschen Kulturrates müsse sich die Bedeutung der deutschen Sprache in der Europäischen Union auch darin widerspiegeln, dass sie tatsächlich als Arbeitssprache fest verankert wird. Der Deutsche Kulturrat verlangt von der Europäischen Kommission, dass künftig alle EU-Dokumente unmittelbar auch auf Deutsch vorgelegt werden.
Während der Bundestagsdebatte am 22. Mai wurde Untersuchungen über die Sprachenpolitik der Europäischen Union zitiert, die zu dem Ergebnis kommen, dass Beamte der EU-Kommission mit EU-Organen zu 69 Prozent auf Französisch, zu 30 Prozent auf Englisch und zu einem Prozent auf Deutsch kommunizieren.

Beamte der EU-Kommission kommunizieren mit EU-Staaten zu 54 Prozent auf Französisch, zu 42 Prozent auf Englisch und zu drei Prozent auf Deutsch. Beamte der EU-Kommission kommunizieren mit Nicht-EU-Staaten zu 30 Prozent auf Französisch, zu 69 Prozent auf Englisch und zu einem Prozent auf Deutsch. Wirtschaftsrelevante Daten der EU-Außenkommunikation werden fast ausschließlich in Englisch und Französisch veröffentlicht. Die EU-Wirtschaftsdatenbanken arbeiten vorwiegend in Englisch und Französisch.

Die 240.000 EU-Ausschreibungen jährlich werden fast ausschließlich in Englisch und/oder Französisch veröffentlicht. Es ist für den Deutschen Kulturrat inakzeptabel, dass nicht alle E-Dokumente auch unmittelbar in der Sprache veröffentlicht werden, die in der Europäischen Union mit am meisten gesprochen wird. Es ist wettbewerbsverzerrend, dass wichtige europäische Ausschreibungen erst mit großer Verzögerung, oftmals sogar zu spät oder gar nicht, in deutscher Sprache veröffentlicht werden.

Es ist kaum zu verstehen, dass Konferenzen und Tagungen der Europäischen Kommission zwar ins Englische und Französische, nicht aber ins Deutsche gedolmetscht werden. Und es ist peinlich, dass deutsche Staatsvertreter in Brüssel selbst oft auch dann nicht in ihrer Muttersprache sprechen, wenn Franzosen, Italiener oder Vertreter anderer EU-Mitgliedsstaaten von diesem selbstverständlichen Recht Gebrauch machen. Die Kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Vollmer, hat in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag ein Beispiel dieser wie sie es sagte „persönlichen Eitelkeiten“ genannt.

Für die Bundesregierung sprach Staatsminister Hans Martin Bury. Das Ziel der Bundesregierung, so Staatsminister Bury, „ist ein EU-Sprachenregime in der erweiterten Union, das die Stellung der deutschen Sprache festigt und zugleich die Effizienz, Transparenz und Legitimität der Institutionen stärkt sowie die Sprachenvielfalt und den kulturellen Reichtum fördert. Europa hatte nie das Ziel, Schmelztiegel zu sein oder zu werden. Europas Stärke ist und bleibt seine Vielfalt.“ Das von der Bundesregierung ins Auge gefasste so genannte „Marktmodell“ wird vom Deutschen Kulturrat als erster Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Nach diesem Modell kann jedes Mitgliedsland der EU auf eigene Kosten Dolmetschung verlangen.

Die Bundesregierung hat bereits vor der Bundestagsdebatte angekündigt, dass sie im Falle der Durchsetzung des „Marktmodells“ in jedem Fall aktive und passive Deutschdolmetschung gewährleisten wird. Diese Maßnahmen umfassen aber nur die zwischenstaatliche Ebene. Es bedeutet nicht, dass künftig alle EU-Dokumente unmittelbar auch auf Deutsch vorgelegt werden, es bedeutet nicht, dass die Arbeitspapiere der europäischen Institutionen auch auf Deutsch existieren und es bedeutet nicht, dass das gesamte europäische Informations- und Dialogangebot auch in deutscher Sprache erfolgt.

Im Entwurf für die Europäische Verfassung wird bekräftigt, dass die Europäische Union den Reichtum der kulturellen Vielfalt einschließlich der Sprachen ihrer Mitgliedstaaten achten wird. Diese Grundaussage der zukünftigen Europäischen Verfassung darf nicht durch vermeintlich pragmatische Entscheidungen zunichte gemacht werden.

Das vielfach vorgebrachte Argument, dass, wenn neben Englisch und Französisch auch Deutsch zur Arbeitssprache der EU wird, auch die Polen, die Italiener und die Spanier dasselbe Recht verlangen, ist richtig. Warum auch nicht? Wer die kulturelle Vielfalt in Europa wirklich will, muss diese Vielfalt gerade bei den Sprachen, einem Kernelement der Kultur, zulassen. Wer die aktiven Arbeitssprachen der Europäischen Union auf nur zwei, oder sogar nur eine Sprache einengen will, ruiniert die kulturelle Vielfalt in Europa.

Die Resolution „Die deutsche Sprache stärken! Deutscher Kulturrat fordert Deutsch als dritte Arbeitssprache der Europäischen Union zu verankern” ist nachzulesen unter:
http://www.kulturrat.de/aktuell/Stellungnahmen/eu-arbeitssprachen.htm

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