Autonomie und Kollegialität: Diese Formel bestimmt die Position des VBS zu den Nachbarverbänden VDS und AfS, und sie grundiert die Haltung des VBS zur Fusion dieser Vereine sowie zu einem „Bundesverband Musikunterricht“. Diese Haltung ist eine skeptische, und womit sich das begründet, zeigte der erste Teil dieses Beitrags (nmz 7-8/2014, S. 36), der den Blick auf Vereinsstrukturen richtete. Der nun folgende zweite Teil befasst sich mit finanziellen und programmatischen Aspekten.
Finanzen
Die finanzielle Organisation im Verhältnis von VBS und VDS beschreibt sich so: Der VBS verwaltet seine Mitgliederbeiträge selbst. Er führt eine Bundesabgabe an den VDS ab, so, als ob er ein VDS-Landesverband wäre. Als mitgliederstärkster Verein ist der VBS der Hauptzahler im VDS-Verbund. Über die Höhe der Abgabe entscheidet ein Gremium, in dem die Länder die Mehrheit haben. Die Abgabe beträgt derzeit 12 Euro pro Mitglied und Jahr. So gehen etwa 25 Prozent der VBS-Mitgliedbeiträge an den Bund, rund 75 Prozent stehen der Arbeit im VBS zur Verfügung.
Im Falle eines Beitritts zum geplanten „Bundesverband Musikunterricht“ würde sich dieses Verhältnis genau umkehren. Dem zentralistischen Prinzip folgend, würde der Bund die Mitgliederbeiträge einziehen und verwalten; er würde dann Anteile an die Länder abgeben. Über die Höhe der Länderanteile soll eine paritätisch besetzte Bund-Länder-Versammlung entscheiden. Diese kann jedoch, wie im ersten Teil dieses Beitrags gezeigt, nur dann einen Beschluss fassen, wenn sowohl die Länder- als auch die Bundesvertreter mehrheitlich zustimmen. Anders gewendet: Was für die Länder übrig bleibt, hängt immer von der Zustimmung des Bundes ab.
Mit einer Fusion hätte sich der VBS noch weitere Nachteile eingehandelt:
Der bisherige Mitgliedsbeitrag hätte sich erhöht. Die Steigerung hätte, je nach Kategorie, 8 bis 30 Prozent betragen.
Ausweislich von Beispielrechnungen, die dem VBS vorliegen, ist daran gedacht, dass der Bund künftig etwa 70 Prozent der Mitgliederbeiträge einbehalten wird, nur etwa 30 Prozent sollen in die Länder fließen.
Mit einem derart drastisch gekürzten Etat hätten Leistungen, wie sie der VBS bislang erbringt, nicht mehr finanziert werden können. Wie sich im Gespräch mit dem VDS-Vorstand nochmals bestätigte, wären die Kosten auch aus der Bundeskasse nicht bezahlt worden. Das hätte das Aus bedeutet für anwaltschaftliche Beratung in der UPZ-Frage, für das nmz-Abonnement, für die „Tage der Bayerischen Schulmusik“. Wie bereits berichtet (nmz 6/2014, S. 38) wäre schlagartig das zunichte gemacht geworden, wofür der VBS steht, was seine Mitglieder und Vorstände seit 111 Jahren errungen haben, wofür sie Beiträge zahlen und wofür sie sich in Tausenden von Stunden ehrenamtlich engagierten.
Solche Bedenken versuchte der VDS mit einer Beispielkalkulation zu zerstreuen, die auf einer Tagung präsentiert und verbandsintern in Umlauf gebracht wurde. Sie gab vor, dass in Bayern nach einer Fusion zehn Prozent mehr Mittel zur Verfügung stünden als bisher. Warum aber sollte sich der VBS solch wunderbarer Geldvermehrung verschließen? Das ist leicht zu beantworten: Die VDS-Rechnung ist, freundlich formuliert, einseitig und unvollständig. Sie kalkuliert zwar jene Steigerungen, die sich durch ein Mehr an Mitgliedern in Bayern ergeben hätten. Zuwachsbedingte Mehrkosten auf der Basis der derzeit laufenden Ausgaben des VBS sowie sämtliche Extras, die auch künftig aus der bayerischen Landeskasse zu zahlen gewesen wären, bleiben in der VDS-Rechnung jedoch außen vor. Dass der VBS solche Zahlenspiele als irrig zurückwies, kann nicht überraschen.
Dem VBS liegt kein Dokument vor, welches das Verhältnis zwischen ihm und dem VDS näher bestimmt oder die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar regelt. Auf Anfrage stellte sich heraus, dass sich auch in den Akten des VDS hierzu keine aussagekräftigen Unterlagen fanden. Welche Absprachen die Gründungsväter des VDS und der Vorstand des VBS 1949 trafen, bleibt im Dunkel. Nach Lage der Dinge fehlt der 65-jährigen Kooperation von VDS und VBS die transparente und tragfähige Grundlage. Vielleicht bestand in all den Jahren nicht der Wunsch, das eigenartige Arrangement zu klären. Das ist einerseits nicht unproblematisch, weil der VBS-Vorstand seinen Mitgliedern gegenüber Rechenschaft über die Ausgaben des Vereins abzulegen hat und dafür belastbare Belege braucht. Andererseits macht es das Fehlen von Schriftsätzen einfacher, die opake Sache endlich zu ordnen. Ob eine Mitgliedschaft des VBS im VDS (oder umgekehrt) gegeben ist, ob wechselseitige Ansprüche bestehen und wenn ja, welche – solche Fragen sind obsolet, sobald sich der VDS seiner bisherigen Form und Satzung entledigt hat. Das soll, dem Vorbringen nach, Anfang 2015 der Fall sein. Folglich entfällt spätestens zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsgrundlage, wie immer man sie sich gedacht haben mag. Der VBS-Vorstand hat daher im Mai 2014 vorgeschlagen, eine Bundesabgabe letztmalig für das Jahr 2014 zu entrichten. Zahlungen – an welchen Verband auch immer – würden nur dann erfolgen, wenn es dafür seriöse und klare Grundlagen gibt und die Mitglieder des VBS beziehungsweise die zuständigen Organe anderer Vereine nach Maßgabe der Satzungen beschlossen haben. Eine Reaktion des VDS lag bis Redaktionsschluss (Mitte Juli) nicht vor.
Programm
Der „Verband bayerischer Schulmusiker“ engagiert sich, satzungsgemäß in dieser Reihenfolge, für alle „beruflichen und sozialen Interessen seiner Mitglieder“, für die „Förderung des Fachs Musik in Schule und Lehrerbildung“ und für die „Fortbildung“.1 Der VBS ist ein Berufsverband, und er „vertritt Belange der Schulmusik“: Diese beiden programmatischen Fel-der begründen den Zweck des VBS und schaffen inhaltliche Kongruenzen zu Nachbarverbänden. Bislang drückte sich das in begrifflicher Familienähnlichkeit aus: Die Worte „Schulmusiker“ (VDS) und „Schulmusik“ (AfS) wurden auch anderswo im Namensschild geführt.
„Bundesverband Musikunterricht“ – der Name, auf den der geplante Verein getauft werden soll, erscheint auf den ersten Blick unproblematisch. Liest man jedoch nach, welche Überlegungen die Namensgebung leiteten, so ändert sich diese Einschätzung.
Dass der AfS in einer öffentlich zugänglichen Publikation seine Mitglieder informiert, ist aller Ehren wert. Solch mutige Transparenz stünde auch dem VDS gut an. Ebenso versteht es sich von selbst, dass ein Zwischenbericht noch kein Endergebnis bieten kann. Über den Namen des neuen Verbandes wurde jedoch „lange und intensiv diskutiert“.Die neue Bezeichnung verdankt sich demnach reiflicher Überlegung. Und das ist gut so: Wenn ein Name Programm sein soll, kommt es auf Nuancen an.
Priorität
Zu den „wichtigste[n] Kriterien für die Auswahl des endgültigen Namens“ zählte, dass die „Priorität auf den Bereich“ deutlich sein müsse, „auf den sich der neue Verband fokussiert, nämlich der Fachunterricht Musik in der allgemeinbildenden Schule“.2 Ein erster Satzungsentwurf spitzt das zu: „Mit diesem Namen reklamiert der Verband für sich die Deutungshoheit über den Begriff ‚Musikunterricht‘“3. Der neue Verband, das wird daraus deutlich, versteht sich nicht mehr als Berufsverband, jedenfalls nicht mehr vorrangig. Die programmatischen Prioritäten haben sich verschoben.
Man könnte das als Wortklauberei ohne Gebrauchswert abtun. Doch das Problem schlägt längst durch auf die konkrete Verbandsarbeit. So sind die VBS-Mitglieder seit jeher brennend interessiert am Thema „Unterrichtspflichtzeit von Musiklehrkräften“. Auf diesem steinigen Feld arbeitet der VBS seit Jahrzehnten hartnäckig und unermüdlich. Dank gemeinsamer Anstrengung von und mit Kollegen musischer Gymnasien hat das vergangene Jahr bemerkenswerte Ernte eingetragen. Zu diesem Thema herrscht von Seiten des VDS und des AfS hingegen Dauerfunkstille.
Schluss mit „Schulmusik“?
„Der Begriff Schulmusik, der einigen Musiklehrern aus der Tradition heraus noch sehr am Herzen liegt, ist für jüngere Kollegen, für Außenstehende und in Musikhochschulen häufig negativ besetzt und wird insbesondere zur Abgrenzung zu ‚richtiger‘ beziehungsweise ‚wertvoller‘ Musik genutzt – in anderen Fächern gibt es solche Ausgrenzungen (Schulmathematik, Schulbiologie, Schulkunst …) zudem nicht“.4
„Dieser Begriff muss (…) ersetzt werden“, lautet der Ratschluss: Der neue Verband sagt sich los von „Schulmusik“.
Der Text übt Kritik an einem Terminus, der für das professionelle Selbstverständnis vieler Musiklehrkräfte konstitutiv ist. Wie oben gesagt, beschreibt er den programmatischen Kern des VBS. Ausweislich der Vereinsnamen spielte er – bisher – bei VDS und AfS eine zentrale Rolle. Kritik muss, wenn sie überzeugen will, gute Gründe vorbringen. Das ist hier nicht der Fall.
Der Text geht ausschließlich auf Gesichtspunkte ein, die den Begriff „Schulmusik“ in negatives Licht setzen. Das ist einseitig. Die Meinung anderer wird als emotionale Wallung abgetan. Das ist überheblich. Es mag sein, dass es lange und intensive Diskussionen in VDS und AfS gab, die von flammendem Eifer befeuert waren. Das Rationale von Opponenten als Herzensangelegenheit herabzuwürdigen, ist jedoch ebenso verfehlt wie die Volte, Andersdenkenden nostalgisches Anhaften an die Tradition zu unterstellen. Hier geht es um eine Diskussion, die nicht das heiße Herz, sondern den kühlen Kopf adressiert und fordert.
Etwas Traditionelles ist nicht schon deshalb untauglich, weil es traditionell ist. Ebenso wenig ist etwas Neues schon deshalb gut, weil es neu ist. Wer einen traditionellen Begriff durch einen neuen ersetzen will, sollte erklären, weshalb er die alte Bezeichnung für schlechter und die neue für besser hält. Die Erklärung, die hier gegeben wird, ist fadenscheinig.
Behauptet wird, dass der Begriff „Schulmusik“ „für jüngere Kollegen und für Außenstehende (…) negativ besetzt“ sei. Der Terminus „Schulmusik“ wird von Jung und Alt, von Kolleginnen und Kollegen, Professoren und Studierenden in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet, etwa zur Bezeichnung von Studiengängen und Abteilungen an Musikhochschulen, in der „AG Schulmusik“ (einem Gremium von Professoren der deutschen Musikhochschulen), auf diversen „Schulmusik“-Internetseiten und Foren, bei Fortbildungsangeboten („Schulmusikwochen“); bei nationalen und, falls man „music in schools“ als Übersetzung für „Schulmusik“ gelten lässt, internationalen Verbänden (AfS, EAS). Dass in diesen Gebrauchsweisen „Schulmusik“ negativ geladen sein soll, ist keineswegs bewiesen. „Schulmusik“ an sich ist als Begriff wertfrei. „Schulmusik“ bezeichnet zunächst den Ort beziehungsweise den institutionellen Rahmen, in dem Menschen mit Musik umgehen, ähnlich wie die Begriffe „Hausmusik“ oder „Kirchenmusik“.
Behauptet wird, dass es, analog zu „Schulmusik“, in anderen Fächern keine „Ausgrenzungen“ gäbe –„(Schulmathematik, Schulbiologie, Schulkunst…)“. Jene Wörter sind zwar in der Tat nicht gebräuchlich. Doch auch in der Mathematik und in der Biologie wird unterschieden zwischen „Lehramtsstudierenden“ und „Masterstudierenden“. Das Studium der „Kunsterziehung“ grenzt sich ab vom Studium in einer „freien Klasse“. Gebräuchlich ist der Begriff „Schulsport“ für eine Unterscheidung zum Breiten- und Leistungssport. In den Fächern „Schulpädagogik“ und „Schulpsychologie“ existieren Lehrstühle.
Dass die „Schulmusik“ an einigen (keineswegs an allen!) Musikhochschulen am unteren Ende der nach oben offenen Renommee- und Exzellenz-Skala rangiert, ist nicht neu und in der Tat misslich. Doch bekleiden etliche Mitglieder der „AG Schulmusik“ an ihren Hochschulen Führungsämter und machen sich als (Vize-)Präsidenten um ihre Sache sehr verdient, auch und gerade bei Außenstehenden. Das Problem negativer Konnotation ist zudem kein Proprium von „Schulmusik“ oder von Musikhochschulen. Das zeigt ein Blick auf die Rolle, die der Lehrerbildung an vielen Universitäten zugeteilt wird. Die Sache mit bloßem Begriffswechsel lösen zu wollen, wäre naiv. Sinnvoller wäre es, das Problem im Kontext der Lehrerbildung zu sehen und in Kooperation mit einschlägigen Interessensgruppen weiter vorzugehen.
Behauptet wird, dass „Schulmusik“ gegen „richtige“ und „wertvolle“ Musik ausgespielt werde. Auch diesem Problem kann man nicht dadurch abhelfen, dass man das Wort „Schulmusik“ ersetzt – im Gegenteil. Vielmehr würde man eine eigene, zentrale Position aufgeben und indirekt auf die gegnerische Meinung einschwenken: eine Kapitulation. Dass sich ein Fachverband derart hasenherzig wegducken will, kann man kaum glauben.
Ziel und Zweck eines Fachverbandes sollte, nein: muss es sein, für eigene Positionen einzustehen und entschieden zu streiten. Die Argumentationsfigur der Gegner zu Fall zu bringen, ist vorliegend nicht schwer. Man könnte, um das Vorbringen ad absurdum zu führen, zum Beispiel die schlichte Gegenfrage stellen, was denn mit „richtiger“ und „wertvoller“ Musik gemeint sei. Weiterhin muss es darum gehen, durch bessere Argumente und beste Qualität zu überzeugen. All das hat „Schulmusik“ zweifellos zu bieten; und ebenso zweifellos ist es die Aufgabe eines Fachverbandes, die eigenen Stärken so zu präsentieren und zu propagieren, dass Professionalisierung und berufliches Selbstverständnis gefördert werden. So erwirbt sich „Schulmusik“ diesseits und jenseits der Fachgrenzen Ansehen und Anerkennung. Dass und wie das gelingen kann, belegen unzählige Beispiele aus der täglichen Praxis – und nicht zuletzt Veranstaltungen wie die „Tage der bayerischen Schulmusik“.
Musik ist integraler Bestandteil von Schule: Diese konkrete Utopie anzustreben und zunehmend zu realisieren, liegt fraglos im zentralen Interesse der Schulmusiker/-innen unserer Republik. Ein Blick auf die Stundentafeln und Fächerkanones im Schulwesen anderer europäischer und außereuropäischer Länder zeigt, dass es kein Naturgesetz gibt, welches das Fach Musik in der Schule sichert. Umso mehr kommt es darauf an, in der Öffentlichkeit und im bildungspolitischen Raum für die Untrennbarkeit von „Schule“ und „Musik“ einzutreten: Das Kompositum „Schulmusik“ bringt das auf den Punkt.
Der Begriff „Musikunterricht“ hingegen zeichnet die Verbindung weitaus schwächer. Denn Musikunterricht findet bekanntlich auch außerhalb von allgemein bildenden Schulen statt. Die Bildungspolitik der letzten beiden Jahrzehnte hat deutliche Tendenzen hin zum außerschulischen Musikunterricht gezeigt, während das Fach Musik in der allgemein bildenden Schule in die Defensive geriet und immer weiter zurückgedrängt wird.5 Zwar möchte sich der geplante Fachverband für schulischen Musikunterricht einsetzen, doch zugleich gibt er jenen Begriff preis, der die Zusammengehörigkeit von „Schule“ und „Musik“ klar ausdrückt. Das ist unlogisch und strategisch riskant.
1 http://www.vbsmusik.de/sites/default/files/satzung/satzung-vbs-2009-04-…
2 M. Pabst-Krueger: Gründung des Bundesverbandes Musikunterricht auf der Zielgeraden. In: AfS-Magazin 37/2014, S. 30 ff.
3 Ebd., S. 37
4 Ebd.
5 Bundesverband Musikunterricht, Satzung & Beschlussvorlagen (Entwürfe, Stand vom 28.1.2013).