Am Freitag, 1. Juli 2022, fand die diesjährige Mitgliederversammlung des VBS statt. Im Zentrum für Kunst und Musik der Universität Augsburg wurden aktuelle Fragen der Verbandsarbeit diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit erhielten dabei die künftige Oberstufe des neunjährigen Gymnasiums und die Situation des Musikunterrichts im kommenden Herbst und Winter.
Referate und AG Oberstufen-Lehrplan
In den vergangenen Monaten wurden zwei Referate eingerichtet, die dem VBS-Vorstand beratend und initiativ zur Seite stehen: ein Referat für musikalische Bildung, bestehend aus Birgit Jank, Heidi Speth und Bernhard Hofmann, sowie ein Referat „Seminarlehrkräfte“, das von Heidi Speth betreut wird. Bernhard Hofmann und Heidi Speth nehmen zudem weiterhin ihre Ämter als Sprecherin und Sprecher des VBS in der Deutschen Gesellschaft für Schulmusik (DGS) wahr. Eine Arbeitsgruppe aus erfahrenen Kolleginnen und Kollegen erarbeitete eine Stellungnahme des VBS zum Entwurf des neuen Lehrplans für die Jahrgangsstufen 12 und 13. Die eingebrachten Anregungen führten tatsächlich noch zu Änderungen, die fertiggestellten Lehrpläne sind mittlerweile auf der Homepage des ISB veröffentlicht. In diesem Zusammenhang gebührt Thomas Frank, Maria Gerstner, Edgar Schumann, Heidi Speth, Lucie Wohlgenannt und Erich Zrenner großer Dank für ihr eingebrachtes Know-how und ihre Zeit!
Stabile Mitgliedszahlen und solide Finanzen
Der VBS konnte auch in Pandemie-Zeiten seinen Mitgliederstamm halten, Austritte erfolgten vor allem aus dem Kreis der Pensionisten. Mit Blick auf die demografische Entwicklung sollen aber in den kommenden Jahren verstärkte Anstrengungen unternommen werden, den musikpädagogischen Nachwuchs für den VBS zu gewinnen. Ein erster Schritt ist mit dem Angebot einer kostenlosen Mitgliedschaft für Studierende wie für Referendar*innen bereits gemacht, weitere Aktivitäten sind in Planung. Dank sparsamer Haushaltsführung verfügt der der VBS auch weiterhin über solide Finanzen.
Die vor einigen Monaten durchgeführte Mitgliederbefragung zur Erhöhung der Deckungssummen bei der vom VBS angebotenen Gruppenhaftpflichtversicherung ergab kein aussagekräftiges Votum. Nach Rücksprache mit dem Vertreter der Versicherungskammer beschloss die Mitgliederversammlung, die Deckungssumme von maximal 10 Millionen Euro auch künftig beizubehalten. Mitgliedern mit dem Wunsch nach einer höheren Deckungssumme wird der Abschluss einer privaten Dienst-, Amts- und Privathaftpflichtversicherung angeraten.
Ein schwieriges Fortbildungsjahr
Nach zwei Jahren mit innovativen und gut nachgefragten Fortbildungsformaten und -veranstaltungen stand das Jahr 2022 unter keinem so guten Stern: Der eigentlich für den 1. Juli geplante Fortbildungstag mit Workshops zu Musik und Bewegung musste wegen zu geringer Anmeldezahlen kurzfristig abgesagt werden. Zuvor waren bereits die für den 17.- 19. März 2022 geplanten „Tage der bayerischen Schulmusik“ angesichts der pandemischen Lage verschoben worden. Neuer Termin ist der 9.-11. März 2023, Tagungsort wird wieder die Musikhochschule München sein. Das Thema des Kongresses lautet „Komponieren, Improvisieren, Sound-Design: Wie wird Musik ‚gemacht‘?“, das Programm wird in den kommenden Wochen veröffentlicht.
Fruchtbare Kontakte
In bewährter Weise gepflegt und teilweise auch neu geknüpft wurden die Kontakte mit Ansprechpartnerinnen und partnern wie dem Kultusministerium, ISB, Bayerischem Musikrat, Landeskoordinierungsstelle Musik, dem Bayerischen Philologenverband und dem BRLV. Auch die Kooperation mit dem Landesvorstand des BMU Bayern in Sachen „Musikunterricht unter Corona-Bedingungen“ wird fortgeführt. Weiterhin sehr erfreulich gestaltet sich der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen vom VDS Niedersachsen, mit denen der VBS seit 2016 in der Deutschen Gesellschaft für Schulmusik (DGS) organisatorisch und inhaltlich kooperiert.
„Wissenschaftlicher“ Unterricht im G9
Im kommenden Schuljahr wird erstmals die „neue“ Jahrgangsstufe 10 unterrichtet. Auf großen Unmut unter den VBS-Mitgliedern stieß der Umstand, dass Musikunterricht im G9 nur noch an musischen Gymnasien als „wissenschaftlicher Unterricht“ angerechnet wird. Das Kultusministerium folgt damit der Logik „Oberstufe = wissenschaftlicher Unterricht“, „Mittelstufe = nichtwissenschaftlich“, lässt dabei aber einige wichtige Punkte außer Acht: So überschneiden sich die Lehrplaninhalte zwischen 10. Jahrgangsstufe des G8 und des G9 deutlich, ein geringerer Anteil von „Theorie“ im Vergleich zu musikalischer Praxis lässt sich im neuen Lehrplan nicht erkennen. Auch die Schülerinnen und Schüler der neuen 10. Klassen sind 16- oder 17jährige, die auf altersangemessenem Niveau unterrichtet werden müssen, was mit entsprechendem Vor- und Nachbereitungsaufwand einhergeht. Unter anderem aus solchen Gründen dürfte der Unterricht in Jahrgangsstufe 10 auch im „alten“ bayerischen G9 als wissenschaftlich anerkannt gewesen sein. Der VBS-Vorstand bleibt am Ball, um hier wieder etwas mehr Gerechtigkeit herzustellen.
Musik in der Oberstufe
Musik wird künftig ab der Jahrgangsstufe 11 bis zum Abitur durchgehend als zweistündiges Wahlpflichtfach unterrichtet. In Abhängigkeit vom Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler müsste es damit bei voll ausgebautem G9 wieder etwas mehr „wissenschaftlichen“ Unterricht geben als bisher. An den Regelungen für die Anrechnung von Vokal- und Instrumentalensembles als „wissenschaftlich“ ändert sich nichts. Einen herben Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten bedeutet dagegen die Vorverlegung des P-Seminars in die Jahrgangsstufe 11. Es wird dort nur noch einstündig unterrichtet, Leistungen aus dem P-Seminar können nicht mehr ins Abitur eingebracht werden. Instrumental- und Vokalensembles sind wie bisher in der Stundentafel für Q12 und Q13 verankert, es können aber nur noch maximal 3 Halbjahresleistungen aus diesem Bereich ins Abitur eingebracht werden (bisher: 4).
Konstituierend für die künftige Qualifikationsphase (erstmals ab 2023/24) ist ein System aus Grundlagen- und Leistungsfächern: Das Grundlagenfach Musik wird über 4 Halbjahre hinweg zweistündig unterrichtet. Das Leistungsfach Musik findet auf erhöhtem Anforderungsniveau ebenfalls über vier Halbjahre hinweg statt und führt zur schriftlich-praktischen Abiturprüfung (mit jeweils drei Stunden Klassenunterricht und einer Stunde Vokal- bzw. Instrumentalunterricht). Problematisch ist, dass die Einrichtung eines Leistungsfachs deutlich mehr Ressourcen erfordert als das bisherige Additum. Insbesondere kleinere Schulen und Schulen auf dem Land sind dadurch benachteiligt. Dem Vorschlag, weiterhin eine Konstruktion analog zum bisherigen Additum zu erlauben, erteilte das Kultusministerium aus juristischen wie inhaltlichen Gründen eine Absage: Das neue Leistungsfach solle eben nicht nur ein „Mehr“ an Unterricht im Vergleich zum Grundlagenfach ermöglichen, sondern ausdrücklich auf einem höheren Niveau stattfinden – was wiederum die Chance eröffne, sich dem Level der früheren Leistungskurse (in denen wöchentlich 6 Stunden Unterricht erteilt wurden) zumindest wieder ein Stück weit anzunähern.
Zwei Regelungen sollten dennoch Spielraum für das Einrichten eines Leistungsfachs Musik auch an kleineren Schulen ermöglichen: Laut ISB ist der Fachlehrplan Musik für die „neue“ Qualifikationsstufe ausdrücklich so konzipiert, dass das Bilden jahrgangsübergreifender Kurse möglich wird. Zudem legt die GSO auch künftig nur Obergrenzen für Teilnehmerzahlen an Oberstufenkursen fest. Es gibt also keine festgeschriebenen Mindestteilnehmerzahlen für ein Leistungsfach. Auf jeden Fall bedarf es einer geeigneten „Starthilfe“ für das Leistungsfach Musik im ersten Q12-Jahrgang des neunjährigen Gymnasiums, auch und gerade an kleineren Schulen! Entsprechende Überzeugungsarbeit kann allerdings nicht nur vom VBS-Vorstand gegenüber dem KM geleistet werden, sie muss auch vor Ort an den jeweiligen Schulen stattfinden.
Perspektiven fürs kommende Schuljahr
Die Pandemiewelle im vergangenen Herbst und Winter bereitete dem gerade wieder aufblühenden Musikleben vielerorts ein jähes Ende. Wie seit Beginn der Pandemie war der VBS-Vorstand auch in den vergangenen Monaten aktiv, um für den Musikunterricht das Bestmögliche zu erreichen. In Telefonaten und Videokonferenzen mit den Fachvertretern im Kultusministerium wurden Informationen und Argumente ausgetauscht, um insbesondere das Singen an Schulen und musikalische Schulveranstaltungen wieder möglich zu machen. Im Dezember 2021 initiierten VBS und Kultusministerium einen Arbeitskreis, der über Maßnahmen zum Wiederaufbau und zur Zukunftsgestaltung des Musikunterrichts nach bzw. mit Corona berät. Als Einladende fungiert die Fachvertretung Musik im KM; beteiligt sind die Bayerische Landeskoordinierungsstelle Musik (BLKM), die Musiklehrerverbände VBS und BMU-Landesverband Bayern, die ALP Dillingen sowie Vertreterinnen der bayerischen Musik-LAGs.
Mit Blick auf die unsichere Situation im kommenden Herbst einerseits und die deutlich klarer umrissenen Möglichkeiten einer sicheren Musikpraxis andererseits setzt sich der VBS aktuell dafür ein, längerfristig verlässliche Perspektiven für die Musikpraxis an Bayerns Schulen zu schaffen. Ein Papier des VBS mit dem Titel „Musikunterricht braucht Perspektiven“ macht konkrete Vorschläge und stellt Forderungen an die Politik.