Mit zwei Aufführungen in Budapest fand im Oktober ein musikalisches Großprojekt seinen Abschluss, das die Grenzen eines Schulprojekts weit hinter sich gelassen hat: das Mittelalter-Musical „Gisela und Stephan“ aus der Feder von Stefan Daubner und Dénes Harmath (Musik) sowie Claudia Fabrizek (Libretto). Die Handlung spielt im Jahr 995: Die bayerische Herzogstochter Gisela wird mit dem ungarischen Prinzen Stephan (István) verheiratet – Kristallisationspunkt des um Sesshaftwerdung und Christianisierung kreisenden Gründungsmythos Ungarns. Die beiden verkörpern nebenbei die Idee eines friedlichen Miteinanders in Europa.
Entstanden ist das Werk gleichzeitig am oberbayerischen Schyren-Gymnasium in Pfaffenhofen und an der Budapester Kodály-Chorschule. Musikalisch verbindet sich hier Pop mit klassischer Moderne und mittelalterlichen Motiven. Über 160 Mitwirkende sind an dem zweisprachigen Mammutprojekt beteiligt: Für Kulisse und Kostüme, Technik, Orchester und Inszenierung zeichnet das Schyren-Gymnasium verantwortlich, die Kodály-Schule bringt ihre hochkarätigen Chöre auf die Bühne, liefert die Musik des ersten Aktes und stellt die Hälfte der Solisten.
Nach drei Aufführungen in Pfaffenhofen ist das Musical in der ersten Oktoberwoche in Ungarn auf Tour; als erster Veranstaltungsort ist das Nationale Tanztheater in Budapest gebucht, eine traditionsreiche Bühne in einem ehemaligen Karmelitenkoster, unmittelbar neben dem Palast des Staatspräsidenten. Gastregisseur Falco Blome und die Schüler aus dem Kulissen-Seminar rollen auf der Bühne ihren Schachbrett-Teppich aus, der die Sphäre mittelalterlicher Machtspiele versinnbildlicht. Als sich um neunzehn Uhr zu den Trommelwirbeln der Ouvertüre die Bühne öffnet, ist der Saal voll. Die Jungs vom Seminar „Licht und Ton“ haben sich in einem professionellen Eldorado wieder gefunden und arbeiten Hand in Hand mit den örtlichen Bühnenkräften.
Zwei Tage später halten die Tourbusse vor dem Pester Erzsébetliget Theater. Die Anspannung ist gewichen. Komponist und Dirigent Stefan Daubner ist von den Darsteller- und Orchesterleistungen begeistert. Nach Nathalie Wagner tritt diesmal Sofia Ritthammer in der weiblichen Titelrolle auf. Als sie mit Ungarnprinz István (Ákos Nagy) im lustvollen Anachronismus einer wilden Samba in den Bund fürs Herrscher-leben hineintanzt und ein Königreich begründet, ist dies auch der Höhepunkt von über zwei Jahren harter Arbeit an einem völkerverbindenden Spektakel, das den beteiligten Schülern und Lehrern nicht wenig abverlangt hat. Sie haben sich neu kennengelernt, ihre Schaffenskraft gebündelt, haben zurückgesteckt und sich zusammengerauft, haben über die Sprachbarriere hinweg Freundschaften geschlossen. Sie alle sind über sich hinausgewachsen. Das Schyren-Gymnasium, das in diesem Schuljahr sein fünfzigjähriges Bestehen feiert, blickt auf große Erfolge seiner Musik- und Theaterensembles zurück. „Gisela und Stephan“ aber ist in seinen Annalen ohne Beispiel. Eine bei der Premiere entstandene DVD-Produktion ist über die Webseite www.gisela-musical.eu erhältlich.