Bestürzt und fassungslos haben wir erfahren müssen: Unser Kollege Hans Klaffl ist gestorben, am 4. Januar an einem septischen Schock, gegen den er vergeblich kämpfte. Die Zeitungen würdigten den Kabarettisten; er war weit über Bayern hinaus bekannt, und nicht nur unter Lehrern. Seinen Freundinnen und Freunden, von denen er sehr viele hatte, bleibt die Erinnerung an einen besonderen Menschen, an sehr ernsthafte Gespräche und sehr komische Szenen.

Han’s Klaffl, 2014. Foto: Dieter Schnöpf via Wikimedia Commons
Hans has left the building
Wie zum Beispiel diese: In einer kleinen Dorfwirtschaft im Fränkischen kommt einer vom Nachbartisch herüber und sagt: „Sie schauen ja aus wie der Klaffl!“, worauf er bemerkt: „Mit dem ha’m mi scho mehrere verwechselt.“ Über den Apostroph in diesem Satz hätte Hans sich sehr gefreut. War doch der Spott über den „Deppenstrich“ lange Zeit eines seiner speziellen Vergnügen. Unzählige Beispiele trug er – von seinen Freunden und den Besuchern seiner Veranstaltungen gefüttert – zusammen; ein ganzes Themenheft hätte er herausgeben können, der Apostroph in seinem Bühnennamen wäre nicht der abwegigste gewesen.
Und das Buch sicher genauso vergnüglich wie sein „Lexikon“ Lehrer – Deutsch, Deutsch – Lehrer.
Gelassen und großzügig
Die Szene im Wirtshaus zeigt es: Mit seinem Erfolg und seinem Bekanntheitsgrad ging Hans ziemlich gelassen und auch sehr großzügig um. So musste in seinem Todesmonat eine Benefizveranstaltung abgesagt werden, die er für von Armut Betroffene im Landkreis Rosenheim spielen wollte. (Fast zu) oft bat man ihn auch, bei Veranstaltungen in Lehrerkreisen aufzutreten – im „gemütlichen Teil“ und ohne Honorar. Wenn es sein meist übervoller Terminkalender erlaubte, kam er gern. Etwa, als ihn eine Kollegin bat, bei einem Konzert ihres Schulorchesters die Rolle des Sprechers in Peter und der Wolf zu übernehmen.
Da gab er den Wolf (mit seinem unverwechselbaren, im Gaumen rollenden „r“) als ein so bedrohliches Untier, dass der Text eine ganz neue Dimension gewann.
Laut und leise …
So wie bei dieser Gelegenheit war Hans eigentlich immer raumgreifend und präsent. Er war, das betonte er, gern eine „Rampensau“. Aber er suchte auch unermüdlich nach „stillen“ Arbeiten, schrieb Schulbücher und Rundfunksendungen. Eine von ihnen hieß Miles and more, ein typisch Hans’scher Titel (hier stimmt der Apostroph!) für eine Sendung über Miles Davis. Bei der Aufnahme musste er vor dem Studio warten. Eine andere Produktion hatte sich hingezogen, weil dafür ein Shanty aufgenommen werden sollte, aber der Response-Chor dem Aufnahmeleiter zu schwachbrüstig klang. Man bat Hans, doch mitzusingen. Er tat es, und zwar so inbrünstig, dass der Tonmeister noch während der Aufnahme abbrach: „Jetzt ist es viel zu laut“.
Hans wusste seine Stimme eben einzusetzen, im Funk wie in der Schule und auf der Bühne. Und wie die Stimme, so beherrschte er auch seine Instrumente. Mit der Kombination seines Basses mit seinem Kontrabass (ein Mann – zwei Bässe) erzielte er verblüffende Wirkungen. Staunen ließ auch die Art, in der er – wie sein Idol Georg Kreisler – den Puls am Klavier beibehielt und den Text völlig unabhängig davon vortrug.
„Lebenslänglich“ aus Begeisterung
All diese Fähigkeiten, all seine Erfolge haben die Kritiker nach seinen Auftritten und die Medien nach seinem Tod im richtigen Maß gewürdigt. Fast jede Lehrerin und jeder Lehrer hat Hans Klaffl wohl auf der Bühne erlebt. Viele nicht nur einmal! Immer wieder haben wir uns krumm gelacht – über uns selbst. Nach seinen Auftritten gab es keine bösen Zuschriften; kaum jemand war jemals beleidigt angesichts des Spiegelbilds, das Hans uns vor Augen hielt.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass dies allen anderen Berufsgruppen so gut gelungen wäre wie den Lehrern. Aber Hans hat es uns auch leicht gemacht. Denn seine Szenen aus dem Schulleben waren zwar saukomisch, aber nie verletzend. Warum ihm das gelang, ist leicht erklärt: Hans Klaffl war selber Lehrer – und zwar, wie er selbst betonte, „lebenslänglich“ und mit nie nachlassender Begeisterung! Er wusste Bescheid über Klippen und Riffe, durch die Lehrerinnen und Lehrer in den Stunden steuern, vor allem aber über das Vergnügen und die Freuden des Unterrichtens.
Schüler UND Theater
Mehr als einmal hat man Hans gedrängt, in die Lehrerausbildung zu wechseln. Immer lehnte er ab. Er wollte selbst vor der Klasse stehen. Zum Glück für seine Schülerinnen und Schüler. Viele von ihnen erzählen, dass sie im Unterricht an seinen Lippen hingen. Andersherum hörte auch Hans ihnen genau zu, und besonders sorgfältig las er ihre schriftlichen Prüfungsarbeiten. Sie lieferten ihm ungeahnte Erkenntnisse, die in seinen Programmen weiterlebten – rätselhafte Weisheiten wie „Die hohen Töne sind leiser als die lauten“ oder Werkbezeichnungen wie „Händels Lied Hello Julia“. Nicht wenige seiner Schülerinnen und Schüler hat Hans entscheidend geprägt, sogar bei ihrer Berufswahl beeinflusst. Das gelang ihm durch sein (fast immer) heiteres Unterrichten, besonders aber durch sein Wirken auf dem Gebiet der freiwilligen Arbeitsgruppen. Lange Zeit leitete er Workshops im Bereich des Schultheaters. Schon als Referendar hatte er eine erste Kabarettgruppe gegründet. Sie fiel später – und das war eines seiner wenigen unschönen Schulerlebnisse – dem Sparzwang und der Disposition einer Schulleitung zum Opfer. Eine für Hans schmerzliche Erfahrung, für uns eher ein Glück. Denn damals begann er, aus Trotz, zunächst neben dem Unterrichten seine zweite Karriere, auf der Bühne. Nach dem Schulsaal hat er nun auch diese Bühne verlassen. In Amerika trieb man einst das unersättliche Publikum mit der Ankündigung aus dem Saal: „Elvis has left the building“. Wir müssen begreifen: „Hans has left the building“. Keine Zugabe mehr, kein weiterer Auftritt. Der Künstler und Freund ist – viel zu früh – heimgegangen. Unsere Welt ist viel trister ohne ihn.
Zum Nachlesen und -hören:
Han’s Klaffl (2010): Lehrer – Deutsch, Deutsch – Lehrer. Erkenntnisse aus 40 Jahren Ferien. Langenscheidt.
In memoriam Han’s Klaffl, Musikkabarettist (Bayern 2, Eins zu Eins. Der Talk)
https://www.br.de/mediathek/podcast/eins-zu-eins-der-talk/in-memoriam-han-s-klaffl-musikkabarettist/2101742
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