Am 16. April 2015 verlieh der Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst zum zweiten Mal den Bayerischen Staatspreis für Musik. Der Preis würdigt Einzelpersönlichkeiten wie auch Musikensembles, die sich durch herausragende Leistungen oder innovative Konzepte in besonderer Weise um Musik, Singen und Musizieren in Bayern verdient gemacht haben. Die Auszeichnung umfasst alle Sparten der Musik, einschließlich der Laienmusik, und stellt das Gemeinsame und Verbindende der gesamten Musiklandschaft in den Mittelpunkt. Zu den diesjährigen Preisträgern zählt Prof. Max Frey, mit dem Gabriele Puffer im Vorfeld der Preisverleihung ein Gespräch führte.
Madrigalchor als Lebenswerk
„Mit Prof. Max Frey wird laut Jury einer der renommiertesten Chorleiter in Deutschland ausgezeichnet. Der emeritierte Professor für Chorleitung und Schulpraktisches Klavierspiel an der Hochschule für Musik und Theater München habe Generationen von Schul- und Kirchenmusikern geprägt und dabei durch seine über allem stehende fachliche Kompetenz und sein außergewöhnliches pädagogisches Geschick zu überzeugen gewusst.“ So würdigt das Kultusministerium den Preisträger in seiner Presseerklärung. Ausdrücklich in die Ehrung einbezogen ist der Madrigalchor der Hochschule für Musik und Theater München, der in exemplarischer Weise als Bindeglied zwischen Laien- und Profimusik fungiert. Max Frey gründete diesen Chor im Jahr 1979 und leitete ihn bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand. 2008 übernahm Martin Steidler das Ensemble. Von Beginn an wirkte der Madrigalchor über die Grenzen der Hochschule hinaus ins öffentliche Musikleben. Den durchschnittlich 45 Chormitgliedern, vorwiegend Studierende der Schul- und Kirchenmusik, werden auf diese Weise künstlerische Erfahrungen zugänglich, die innerhalb des reinen Ausbildungsbetriebs so nicht möglich wären. Konzertreisen führten den Madrigalchor bislang unter anderem nach Argentinien, Belgien, Frankreich, Israel, Italien, Lettland, Luxemburg, Österreich, Schottland, Schweden, Spanien, Tschechien, Ungarn, in die Türkei, die Ukraine und die USA. Über den unmittelbaren Erlebnis- und Erinnerungswert hinaus eröffnen solche Unternehmungen immer auch internationale Kontakte zu anderen Musikern, zu bisher unbekannten musikalischen Welten und Traditionen. Mit Konzerten, Rundfunkaufnahmen und CD-Einspielungen setzte der Chor im Laufe der Jahrzehnte immer wieder künstlerische Maßstäbe für den semiprofessionellen Bereich. Beginnend mit einer Kooperation mit dem Labor der Bayerischen Staatsoper unter Leitung von Cornel Franz leistete das Ensemble seit den 1990er-Jahren auch Pionierarbeit mit anspruchsvollen musikalisch-szenischen Projekten. Als drei besondere „Highlights“ aus seiner Perspektive nennt Max Frey außerdem die Kooperation mit Trevor Pinnock für Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“, die Aufführungen von Dave Brubecks „To Hope! A Celebration Mass“ unter Mitwirkung des Komponisten und die Zusammenarbeit mit der Harfenistin Helga Storck anlässlich einer Rundfunkaufnahme von Benjamin Brittens „Ceremony of Carols“, bei der sich allen Beteiligten noch einmal neue Dimensionen des eigentlich sattsam bekannten Werks erschlossen.
Gesungen wird von den Anfängen bis heute ein breites Spektrum an Literatur von Bach-Motetten über zeitgenössische Musik bis hin zu Richard Strauss’ „Der Abend“ – Musik, die normalerweise professionellen Chören vorbehalten ist. Bei der Auswahl der Werke, bei der stimmbildnerischen Arbeit und im probentechnischen Bereich legte Max Frey stets Wert darauf, die zwar sängerisch ausgebildeten, aber jungen Stimmen nicht zu überfordern – und tatsächlich verließen die Sängerinnen und Sänger auch während intensiver Probenphasen niemals angestrengt oder gar heiser eine Madrigalchorprobe. Sehr bewusst entwickelte und pflegte Max Frey ein Klangideal, das sich am Vorbild skandinavischer Chöre orientiert: eine offene, schlanke, bewegliche Stimmgebung, stets am Wortakzent orientiert, obertonreich, aber ohne Schärfe. Musikkritiker schwärmten schon bald von der „leichten und klangvollen Höhe“ der Soprane, „makelloser Intonation“ und „gepflegter Tonkultur“. Eine Herausforderung stellt stets von neuem die Tatsache dar, dass in jedem Jahr etwa ein Drittel der Chormitglieder ihr Examen ablegen und den Chor verlassen. Neue Ensemblemitglieder mit passenden stimmlichen Qualitäten müssen gefunden und musikalisch eingebunden werden. So verändert sich der „Sound“ des Madrigalchors über die Jahre immer wieder leicht. Es bleibt aber ein fester klanglicher „Kern“, eine ästhetische Leitvorstellung mit Wiedererkennungswert. Vermittelt durch mittlerweile mehrere hundert ehemalige Madrigalchormitglieder, die als Schul- oder Kirchenmusiker, professionelle Chorleiter oder Stimmbildner tätig sind, ist daraus mittlerweile eine eigenständige Klangtradition gewachsen, die in Laienchören und semiprofessionellen Ensembles auch über Bayern hinaus kultiviert und weiter entwickelt wird.
Den Bezug zur Laienchorszene nie verloren
Besonders gewürdigt wird von der Jury des Bayerischen Staatspreises für Musik auch Max Freys beständiges Engagement für die Laienmusik: So ist er seit Jahrzehnten für den Bayerischen Sängerbund aktiv, viele Laien-Chorleiter und -sänger kennen ihn als Dozenten der Bad Feilnbacher Chorwochen. 2015 ist dort erstmal Freys sechsjähriger Enkel Jonathan mit von der Partie: Er soll ganz selbstverständlich in das gemeinsame Musizieren im Chor hineinwachsen. Eine ganz besondere Beziehung verbindet Max Frey mit den Ensembles der „Musica Starnberg“. 1970 übernahm er als junger Musiklehrer die Leitung der traditionsreichen Vereinigung. In den folgenden Jahren legte er den Grundstein für eine neue, anspruchsvolle musikalische Probenarbeit und Konzertpraxis. Chor und Orchester interpretierten unter Max Freys Leitung auf hohem Niveau weltliche und geistliche Werke von Bach, Händel, Mozart, Mendelssohn, Orff, Verdi und anderen. Seit dem Jahr 2000 liegt die Leitung der Ensembles in den Händen von Ulli Schäfer. An der musikalischen Arbeit in Starnberg beteiligt sich Max Frey jedoch bis heute mit Lust, Engagement und in vielfältiger Weise: als Korrepetitor, Continuo-Spieler, Organist und Proben-Assistent. Über mehr als vier Jahrzehnte hinweg sind hierbei intensive soziale Bindungen gewachsen, und Frey freut sich, dass er seine musikalischen Fähigkeiten immer aufs Neue mit den Ensemblemitgliedern teilen kann. In solchen besonderen zwischenmenschlichen Qualitäten sieht er auch einen großen Vorzug der Arbeit mit Laien im Vergleich zum professionellen Bereich: Selbstverständlich ließen sich mit einem Profichor Werke erarbeiten, die Laienensembles gar nicht oder nicht in vergleichbarer Qualität zugänglich seien. Im Profibereich seien aber für einen Gastdirigenten kurzzeitige Arbeitsbündnisse die Regel, die bestenfalls einige Tage währten. Echte persönliche Beziehungen ließen sich da nur schwer aufbauen.
Insgesamt, bilanziert Max Frey, habe das bayerische Chorwesen in den letzten fünf Jahrzehnten eine unglaubliche Entwicklung durchlaufen, das gelte für alle Ebenen vom Chor des Bayerischen Rundfunks bis hinein in die musikalische Laienarbeit. Eine neu entstandene, lebendige semiprofessionelle Chorszene und die Pop- und Jazzchöre bereicherten die Musiklandschaft, hätten mittlerweile ein erstaunliches Niveau und große inhaltliche Bandbreite aufzuweisen. Etwas Sorge bereitet ihm die Beobachtung, dass das achtjährige Gymnasium die notwendigen Zeitfenster für musikalische Aktivitäten außerhalb des Pflichtunterrichts offenbar deutlich einschränke. Über zahlreiche Kontakte mit Lehrkräften, Eltern und Jugendlichen bekomme er mit, dass diese Dinge nicht mehr so gut liefen wie früher: „Wie es sich weiter entwickelt, muss man eben abwarten.“ Anlass zu Optimismus gebe ihm aber beispielsweise die Wahrnehmung, dass viele junge Leute sehr offen für alle Arten von Musik seien und sich ebenso selbstverständlich für das „klassische“ Repertoire interessierten wie für das Singen im Popchor.