Eine große Fortbildungsveranstaltung durchführen in Zeiten der Corona-Krise? – In den ersten Märztagen diskutierte der VBS-Vorstand intensiv die Frage, ob die „Tage der Bayerischen Schulmusik“ tatsächlich in der geplanten Form stattfinden sollten. Rücksprache mit dem Gesundheitsamt der Stadt München ergab grünes Licht, und so konnte die schulmusikalische Biennale des VBS, die es seit knapp 40 Jahren gibt, auch heuer wieder vom 5. bis 7. März in der Hochschule für Musik und Theater München durchgeführt werden.
Drei Tage lang ging es um Fragen, die sich aus der offensiv vorangetriebenen Digitalisierung des Bildungswesens für den Musikunterricht ergeben. Den Auftakt machte auch in diesem Jahr wieder ein hochkarätiger Festvortrag: Der Augsburger Schulpädagogik-Professor Klaus Zierer war als Gast geladen. Er stellte in seinem Vortrag „Lernen 4.0 im Musikunterricht“ empirische Forschungsergebnisse rund um Lernen und Digitalisierung vor und schloss seine Überlegungen mit der Formel „Pädagogik vor Technik“! Bei der musikalischen Rahmung der Eröffnungsfeier beschritt der VBS neue Wege: Erstmals wurde ein Kompositionsauftrag vergeben, mit der Maßgabe, ein kammermusikalisches Werk zu schaffen, das auch für musikalisch ambitionierte Laien und versierte Oberstufenschüler*innen gut bewältigbar sein sollte. Die in München lebende spanische Komponistin Nélida Béjar (*1979) stellte sich dieser Herausforderung. Lebendig und klangschön musiziert wurde ihr dreiteiliges Werk „Diagonale“ vom Ensemble für Neue Musik der Universität Regensburg unter Leitung von Patrick Ehrich.
„Digitalisierung in der (musikalischen) Bildung: Heilsversprechen oder Hiobsbotschaft?“ – unter diesem Titel wurden in einer Podiumsdiskussion bildungspolitische Dimensionen des Tagungsthemas ausgelotet. Moderiert von Bernhard Hofmann äußerten Expert*innen aus unterschiedlichen Domänen ihre Visionen, Erwartungen, Befürchtungen und offenen Fragen: Marc Godau (Professor für Musikpädagogik und Musikdidaktik in Potsdam), Ursel Lindner (Seminarlehrerin für Musik, München), Rahild Neuburger (Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien, LMU München/Münchner Kreis), Myriam Rion (Vorsitzende des Arbeitskreises Musische Gymnasien, Elternvertreterin) und Klaus Zierer (Professor für Schulpädagogik, Augsburg). Deutlich wurde, dass es hier um einen Bereich geht, in dem hoher Handlungsdruck herrscht. Die Entwicklung nachhaltiger pädagogischer Konzepte gestaltet sich schwierig.
In etwa 50 Workshops und Vorträgen wurden weitere Fragen adressiert: Welche neuen Arten von Musik und musikalischen Praktiken entstehen durch die Verfügbarkeit immer neuer Musik-Apps für mobile Geräte oder neuer haptischer Schnittstellen zum Musizieren oder Produzieren? Welchen „musikpädagogischen Mehrwert“ können die neuen Geräte und mediengestützte Lehr-Lern-Arrangements bieten? Wie lassen sich digitale Medien kreativ und musikalisch-künstlerisch nützen? Gibt es Ansätze, die sinnlich-körperorientierte musikalische Praxis und den Gebrauch digitaler Medien fruchtbar miteinander verbinden?
In bewährter Weise ergänzt wurden die Veranstaltungen zum Tagungsthema durch Praxisworkshops, in denen inhaltlich vielfältige Impulse für die Unterrichtsgestaltung gegeben wurden. Das Spektrum reichte von Bodypercussion in der Grundschule über Konzepte aktiven Musikhörens bis hin zu anspruchsvollen Themen für den Unterricht in der gymnasialen Oberstufe. Bewährte Kooperationspartner*innen des VBS wie Musik- und Schulbuchverlage, die Bayerische Landeskoordinierungsstelle für Musik und das Education-Programm des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks präsentierten Aktuelles aus ihrer Arbeit. Erstmals auf den Schulmusik-Tagen vertreten waren die bayerischen Berufsfachschulen für Musik, die in einem Vortrag über ihre vielfältigen Ausbildungsangebote informierten. Thomas Rösch, der Leiter des Orff-Zentrums München, ließ im Zuge einer Führung durch sein Haus Leben und Werk des großen bayerischen Komponisten und Musikpädagogen lebendig werden, dessen 125. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird.
Mitgliederversammlung
Im Anschluss an die „Tage der bayerischen Schulmusik“ fand die jährliche Mitgliederversammlung des VBS statt. Kassenwart Reinhard Eckl konnte berichten, dass der Verband bayerischer Schulmusiker derzeit 907 Mitglieder hat (Stichtag: 7.3.1020) und auch weiterhin über eine solide finanzielle Ausstattung verfügt. Diese ermöglichte in den vergangenen Jahren ausgabenintensive und langwierige Unternehmungen wie die UPZ-Aktion ebenso wie die Organisation großer Fortbildungsveranstaltungen und das Erscheinen der VBS-Tagungsbände, deren letzter mit dem Titel „Macht Musik“ im vergangenen Sommer den VBS-Mitgliedern als Jahresgabe zuging.
UPZ-Aktion
Wie bereits berichtet, wies im Juni 2017 der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Klage vierer VBS-Mitglieder auf Gleichstellung der Musiklehrkräfte an nicht-musischen Gymnasien mit Lehrkräften so genannter „wissenschaftlicher Fächer“ ab (siehe nmz 11/2017 und 02/2020). Die Kläger*innen legten seinerzeit mit Unterstützung des VBS Berufung ein. Nach knapp zweieinhalb Jahren Wartezeit erging nun am 25. November 2019 das Urteil im Berufungsverfahren: Der 3. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wies die Berufung zurück, eine Revision wurde nicht zugelassen. Das Gericht bekräftigte im Wesentlichen seine erstinstanzliche Entscheidung, in seiner Urteilsbegründung übernahm es in weiten Teilen die Argumentation des Dienstherrn.
Da dies aus Sicht der Kläger*innen wie des Verbands nicht nachvollziehbar ist und die Angelegenheit Bedeutung auch über das Fach Musik hinaus hat, wurde fristgerecht am 07.02.2020 eine Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht, die mittlerweile an den Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig weitergeleitet ist. Eine Entscheidung in diesem Verfahren ist bis Herbst dieses Jahres zu erwarten. Sollte die Entscheidung positiv ausfallen, wäre der Weg frei für eine Revisionsverhandlung vor dem BVGH. Die Aussichten dafür stehen allerdings nicht zum Besten.
Großer Dank geht an alle, die sich in den zurückliegenden fünf Jahren in der Sache engagiert haben: Stefan Buchner, Maria Gerstner, Markus Nißl und Heidi Speth nahmen stellvertretend für viele die Mühen von Klageerhebung und Prozess auf sich; Thomas Frank, Gerhard Ottowitz und Michael Strehler standen ihnen als „UPZ-Arbeitsgruppe“ mit Rat und Tat zur Seite; der VBS-Vorstand und zahlreiche Mitglieder unterstützten die Aktion durch gute Argumente, begleiteten sie durch Zuspruch und Ermutigung in schwierigen Zeiten. Insgesamt hat sich gezeigt, dass Aufklärungsarbeit dringend not tut, um anderen Verbänden, Politik und Öffentlichkeit einen Eindruck davon zu vermitteln, was Musiklehrkräfte leisten, was sie dafür können müssen und mit welchem Arbeitsaufwand ihre Aktivitäten verbunden sind.
Tatkräftige Unterstützung für unsere Anliegen kam in den vergangenen Jahren bereits vom Bayerischen Musikrat sowie von Philologenverband und brlv. Nach wie vor ist aber auch jeder und jede Einzelne im unmittelbaren schulischen Arbeitsumfeld aufgerufen, dazu beizutragen, dass Musiklehr*innen künftig nicht mehr als „Lehrkräfte zweiter Klasse“ wahrgenommen werden: Sprechen Sie die Menschen in Ihrem Umkreis auf die Situation an! Machen Sie, möglichst auch in öffentlichen Veranstaltungen, andere Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern auf die Problematik aufmerksam. Machen Sie sichtbar, was Sie leisten – und ergänzen Sie so unsere juristischen und politischen Aktivitäten durch die nicht minder wichtige „Stimmungsarbeit“ an Ihrem jeweiligen Wirkungsort!
Fortbildungsaktivitäten
Der Schulmusiktag im vergangenen März in Bamberg war dem Thema „Populäre Musik im Unterricht“ gewidmet und sehr gut besucht. Unmittelbar im Anschluss begann die Organisation der Tage der bayerischen Schulmusik 2020. Die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen lassen darauf schließen, dass zwar mit Blick auf das Thema „Digitalisierung“ nach wie vor noch viele Fragen offen sind, dass aber das Fortbildungsangebot insgesamt den Bedürfnissen der Kolleginnen und Kollegen entsprach. Für das kommende Frühjahr ist wieder ein Fortbildungstag geplant, die Vorbereitungen dafür laufen demnächst an.
Kontakte zu anderen Verbänden und Institutionen
In bewährter Weise gepflegt wurden die Kontakte mit Ansprechpartnerinnen und -partnern aus Kultusministerium, ISB, Bayerischem Musikrat, Landeskoordinierungsstelle Musik, dem Arbeitskreis der bayerischen Musikdidaktiker (AMD) und dem Bayerischen Philologenverband. Benedikt Landenhammer pflegt den Kontakt zum Bayerischen Realschullehrerverband (brlv) und knüpft Kontakte zur dortigen Jugendvertretung (brlvj), die Studierenden, Referendar*innen und Junglehrer*innen ein Forum bieten will.
Weiterhin sehr erfreulich entwickelt sich der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen vom VDS Niedersachsen, mit denen der VBS seit 2016 in der Deutschen Gesellschaft für Schulmusik (DGS) auch organisatorisch eng kooperiert. So waren auch heuer wieder Kollegen aus Niedersachsen als Referenten auf den Schulmusiktagen aktiv. Weniger erfreulich ist der Umstand, dass der Deutsche Musikrat (DMR) nach dreijähriger Wartezeit den Aufnahmeantrag der DGS abschlägig beschied.
Die Gespräche mit dem Bundesverband Musikunterricht (BMU) verliefen in den zurückliegenden Monaten unterschiedlich erfolgreich: Eine erste gemeinsame Sitzung der Vorstände von VBS und BMU Bayern gestaltete sich sehr erfreulich. Vereinbart wurden unter anderem gegenseitige Werbung für Fortbildungsveranstaltungen, die Gewährung von Ermäßigungen für Fortbildungen des jeweils anderen Verbandes und weitere Gespräche, um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Die letzten beiden Zusammentreffen von Vertretern der DGS und des BMU auf Bundesebene hinterließen dagegen zwiespältige Gefühle: So wurde im September 2019 bei einem Austausch zwischen DGS-Vertretern und dem BMU-Präsidium in Fulda konstruktiv über einen Satzungsentwurf zur Gründung eines gemeinsamen, föderalen Bundesverbands diskutiert; ein weiteres Gespräch am Rande der Bund-Länder-Versammlung des BMU im November machte dagegen eher Differenzlinien sichtbar als zu einer Annäherung beizutragen.
G9
Seit einigen Monaten ist Näheres über die geplante Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe bekannt. In der Q-Phase wird es demnach weiterhin ein Basisfach Musik (4 Halbjahre, 2 Stunden, Wahl zwischen Kunst und Musik) geben. Neu organisiert wird die Möglichkeit für begabte Schülerinnen und Schüler, ihre instrumentalen oder vokalen Fähigkeiten ins Abitur einzubringen. Statt wie bisher in einer Kombination aus Basiskurs und Additum soll dies nun im Rahmen eines separaten, vierstündigen Leistungsfachs Musik geschehen. Das erfordert Ressourcen, die insbesondere an kleineren Schulen nicht immer ohne weiteres vorhanden sein dürften. Der VBS wird sich bei den zuständigen Entscheidungsträgern dafür einsetzen, dass auch weiterhin musikalisch Begabte an möglichst vielen Gymnasien ein ihren Fähigkeiten entsprechendes Kursangebot bekommen können.
Stellensituation
Im September 2019 bewarben sich aus dem aktuellen Examensjahrgang 23 junge Gymnasiallehrkräfte um eine Planstelle mit Lehramt Musik, 11 wurden eingestellt; hinzu kamen 11 Einstellungen von der Warteliste (Grenznote 2,07). Im Februar 2020 wurden von 13 Bewerber*innen 8 eingestellt, die Grenznote lag bei 1,99. Damit bewegt sich die Grenznote, bis zu der eingestellt wird, seit fünf Jahren relativ konstant im Bereich um 2,0.
An den Realschulen hat sich die Anstellungssituation im September 2019 weiter verbessert, was unter anderem den geringen Absolventenzahlen geschuldet ist. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurde nicht für alle Fächerverbindungen Bewerbungszahlen und Grenznote bekanntgegeben. Über alle Fächerkombinationen mit Musik hinweg, für die Zahlen vorliegen, wurden von 80 Bewerber*innen 34 eingestellt (42,5%), die Grenznote schwankte dabei je nach Fächerkombination zwischen 2,06 (M/Mu) und 2,68 (D/Mu). Prognosen für die Einstellungssituation im Fach Musik sind angesichts der geringen Fallzahlen grundsätzlich sehr schwer zu treffen.
Ehrenmitgliedschaft für Wieland Schmid
Einen Höhepunkt und würdigen Abschluss der Schulmusiktage 2020 stellte die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Wieland Schmid durch die Mitgliederversammlung des VBS dar. Wie kaum ein anderer prägte er in den vergangenen Jahrzehnten die Landschaft der bayerischen Schulmusik – als Seminarlehrer, Verfasser und Herausgeber von Schulbüchern, Autor preisgekrönter Schulfunksendungen, langjähriges Vorstandsmitglied des VBS und nicht zuletzt als derjenige, der gemeinsam mit Peter Granzow in den 1980er-Jahren die „Tage der Bayerischen Schulmusik“ ins Leben rief. Wir danken für das unglaubliche Engagement über so viele Jahre hinweg, freuen uns an dessen Früchten und gratulieren herzlich!