Der Landesmusikrat Berlin führte eine Umfrage zu den Auswirkungen des Corona-Virus auf die Berliner Musiklandschaft durch, an der sich bis Mitte Juni 436 Berliner Amateurensembles beteiligten, die mehr als 15.000 Berlinerinnen und Berliner repräsentieren. Da die gesammelten Auskünfte wohl auch für die Laienmusik in anderen Landesteilen aufschlussreich sind, seien hier einige Ergebnisse wiedergegeben und kommentiert.
Genau 58,7 Prozent der befragten Ensembles gaben an, durch die Einschränkungen, die mit der Corona-Pandemie notwendig geworden sind, gar nicht mehr proben zu können, immerhin 24,3% nutzen digitale Hilfsmittel. 42 Prozent der Ensembles fühlen sich durch die geltenden Probeneinschränkungen langfristig bedroht. Erfahrung mit Anwendungen wie „Digital Stage“, die ein verzögerungsarmes Musizieren im virtuellen Raum ermöglichen, hatten Mitte Juni weniger als 10% der Ensembles, knapp die Hälfte benötigt nach eigener Aussage Schulungen zur Nutzung digitaler Formate. – In den vergangenen Wochen gab es bereits zahlreiche Angebote vom Schnupperworkshop bis zur ausführlichen kostenpflichtigen Schulung. Da voraussichtlich noch über längere Zeit Präsenzproben im schulischen wie außerschulischen Bereich nur unter Auflagen und Einschränkungen möglich sein werden, besteht hier sicherlich auch noch länger ein entsprechender Fort- und Weiterbildungsbedarf.
Für den Fall, dass die Öffnungen weiter voranschreiten, haben bereits 38,1 Prozent der befragten Berliner Ensembles einen Hygieneplan vorbereitet, 35,3 Prozent gaben an, Hilfe bei der Erstellung eines solchen Plans zu benötigen. – Hier besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf für Ensembles in allen Bundesländern. Die entsprechenden bayerischen Verbände haben teilweise Vorlagen erarbeitet, die aber in jedem Fall an die konkreten Gegebenheiten vor Ort angepasst werden müssen.
Würden Proben in Innenräumen mit einem Mindestabstand von drei Metern genehmigt und würden Räumlichkeiten wieder geöffnet, könnte knapp die Hälfte der befragten Ensembles ihre Arbeit wieder aufnehmen, da ihr Probenraum groß genug wäre. – Bei den geringeren Mindestabständen, die mittlerweile dank aktualisierter Forschungsergebnisse möglich sind, dürfte die Quote der Ensembles, die zumindest in Teilbesetzungen wieder gemeinsam proben können, höher liegen. Der Deutsche Chorverband schlägt in seinem aktuellen Positionspapier für die Wiederaufnahme von Chorproben beispielweise Mindestabstände von zwei Metern sowie Raumgrößen von mindestens vier Quadratmetern pro Sänger*in vor. Der Verband macht aber auch in sehr verantwortungsvoller Weise deutlich, dass Proben im Freien und Hybridformate dem Proben in geschlossenen Räumen aus Sicherheitsgründen eindeutig vorzuziehen sind (siehe unten).
Ein weiteres Problem der befragten Amateur-Musikensembles dürfte sich mittlerweile etwas entschärft haben: Anfang Juni waren die meisten Probenräume noch nicht zugänglich, da sie sich in öffentlichen Schulen, Gemeindehäusern oder Kirchen befinden. – Bereiche wie nachmittags erteilter Instrumentalunterricht oder auch Musikschulunterricht, der in Schulräumen stattfindet, werden aber wohl noch über längere Zeit unter Einschränkungen leiden: Kleine, feste Gruppen und das Schichtprinzip in den Schulen erfordern nicht nur mehr personelle Ressourcen als der schulische „Normalbetrieb“, sondern auch mehr Räume, die dann für Musikschul- oder Verbandsaktivitäten fehlen.
In Bayern besteht bekanntlich seit Juni für Chöre und Instrumentalgruppen wieder die Möglichkeit, einen eingeschränkten Probenbetrieb zu beginnen. Festzuhalten ist, dass Laienmusik-Ensembles in ganz Deutschland klare Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Sicherheits- und Hygienekonzepten sowie Perspektiven für die mittelfristige Zukunft brauchen. Dafür sollten in Bayern zum einen die zuständigen Ministerien und Fachverbände besser zusammenarbeiten, als dies in den vergangenen Wochen der Fall war. Zum anderen gilt es, Forschungsprojekte auf mehreren Gebieten voranzutreiben: Neben bereits laufenden Grundlagenstudien, etwa zur Frage der Aerosolverbreitung in Innenräumen, müssen weitere interdisziplinäre Untersuchungen in Angriff genommen werden, mit deren Hilfe medizinische, physikalische und soziale Risikofaktoren für COVID-19-Ausbrüche identifiziert werden können. Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, die Entwicklung digitaler Alternativen und Ergänzungen zum herkömmlichen Übe- und Probenbetrieb voranzutreiben. Davon können musikalische Laien ebenso profitieren wie die Musik in Schulen oder Kirchen – denn eine Rückkehr zur „Normalität“ gemeinsamen Musizierens, wie wir sie vor der Corona-Pandemie kannten, wird noch geraume Zeit auf sich warten lassen.
Zusammenstellung: Gabriele Puffer
- Quellen der Berliner Befragungsergebnisse:
www.landesmusikrat-berlin.de/service/auswirkung-von-coronainformationen/ - Nähere Informationen zu „Digital Stage“:
www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/digital-stage-online-musizieren-1… - Informationen des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst:
www.stmwk.bayern.de/kunst-und-kultur/meldung/6535/oh-happy-day-ab-dem-2…