Am 7. März begeht der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) sein 50-jähriges Gründungsjubiläum. Dieser Beitrag schildert die Ausgangssituation, die Schwierigkeiten auf dem Weg zur Gründung und die Meilensteine, die letztlich zum Zusammenschluss der Sing- und Musikschulen führten.
Der Anfang nach dem Zweiten Weltkrieg
„Es braucht mehr als Häuser und Brot, wenn Bürger leben wollen.“ Mit diesen Worten eröffnet Singschulleiter Lorenz Schlerf in der Kirchenruine St. Kilian in der kriegszerstörten Stadt Schweinfurt den „Junggesang“, das traditionelle Abschlusskonzert zum Ende eines Singschuljahres. Der Neuanfang nach 1945 gestaltet sich für Singschulen und Musikschulen schwierig, er ist aber auch von Hoffnung, Zuversicht und einer großen Begeisterung für die musikalische Betätigung getragen. So sind zum Wiederbeginn der Augsburger Singschule im Oktober 1947 nach einer Woche bereits 1.400 Singschüler*innen angemeldet.
Am 9. Juni 1952 vereinigen sich 92 Singschulvertreter und -förderer zum neuen, bundesweit offenen Verband der Singschulen. Kommissarischer 1. Vorsitzender wird der Augsburger Singschulleiter OStDir Josef Lautenbacher. Am 7. September gründen 12 Musikschulen in der Jugendburg Oberwerries bei Hamm/W. den neuen, bundesweiten Verband der Jugend- und Volksmusikschulen e. V., Vorsitzender wird Dr. Wilhelm Twittenhoff, Leiter der Jugendmusikschule Dortmund. Dieser Verband wird sich 1966 in Verband deutscher Musikschulen e. V. (VdM) umbenennen.
Am 9. Juli 1961 heben Singschulen und Musikschulen die Landesarbeitsgemeinschaft der Sing- und Musikschulen in Bayern (LAG) aus der Taufe. 1. Vorsitzender wird OStDir Josef Lautenbacher, Vorsitzender des Verbandes der Singschulen, 2. Vorsitzender Fritz Büchtger, Vorsitzender der Sektion Bayern im Verband der Jugend- und Volksmusikschulen.
Drei Meilensteine auf dem Weg zur Verbandsgründung
Am 20. März 1962 veröffentlicht das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus seine erste Bekanntmachung über Ordnung und Förderung des Sing- und Musikschulwesens in Bayern mit Aussagen unter anderem zum Auftrag von Singschulen und Musikschulen, zu Flächendeckung, gemeindlicher Aufgabe und staatlicher Mitverantwortung, zur Institutsbezeichnung, zum fachlichen Angebot und zur Qualifikation des Lehrpersonals.
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Sing- und Musikschulen in Bayern (LAG) legt am 21. Januar 1963 eine umfangreiche „Denkschrift zur musischen Erziehung der Jugend in Bayern“ vor. In ihr werden 14 Musikschulen und 54 Singschulen, davon 35 mit angeschlossenen Instrumentalklassen, aufgezählt. Selbstbewusst wird formuliert: „Unser Ziel muß sein: a) Errichtung von Singschulen möglichst in Verbindung mit jeder größeren Volksschule, b) Errichtung von Musikschulen oder jedenfalls Singschulen mit Instrumentalklassen, mindestens einer in jedem größeren Landkreis oder einer größeren kreisfreien Gemeinde,“ […] „c) Auslese musikalisch Begabter …“
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus veröffentlicht am 17. September 1968 seine 2. Bekanntmachung über Ordnung und Förderung des Sing- und Musikschulwesens in Bayern mit Satzungsmuster für Musikschulen, Lehrplänen und Zeugnisvorlagen.
Der schwierige Weg des Zusammenfindens; Ministerialrat Dr. Erich Stümmer als gestaltende Kraft
Langwierige Vorverhandlungen zwischen den beiden Lagern der Singschulen einerseits und der Musikschulen andererseits sind notwendig, um fachliche Vorbehalte auszuräumen und Bedenken hinsichtlich des Verlustes von Bildungsinhalten zu zerstreuen. Die zweite Hälfte des Jahres 1969 ist geprägt von dem Bemühen um eine Einigung. Ministerialrat Dr. Erich Stümmer hatte die Notwendigkeit des Zusammenschlusses längst erkannt, um politisch wirkungsvoller auftreten zu können. Mit taktischem Geschick und viel Geduld ruft er die Akteure beider Lager immer wieder zusammen, um den Weg zu einem Zusammenschluss anzubahnen. Satzungsentwürfe werden im Dezember ausgetauscht, eine Sitzung im Kultusministerium bringt den Durchbruch. Auch Josef Lautenbacher hat ein Einsehen und gibt schließlich seiner Hoffnung Ausdruck, dass „der neue Verband gegenüber den Stellen, von denen für unsere Arbeit eine wirksame Hilfe kommen könnte, überzeugender und auch dringender in Erscheinung treten kann, was wohl auch für die nächsten Jahre deshalb besonders schwer sein wird, weil die Gewichte der geistigen und seelischen, der musischen und künstlerischen Bildungswerte gegenüber den materiellen Werten und ihren Massenvertretungen als zu leicht befunden werden, vor allem von den Parlamentariern“.
Der Durchbruch
20 Mitgliedsschulen des „Verbandes deutscher Musikschulen“ in Bayern und 23 Singschulen des Verbandes der Singschulen e. V. (davon zwei mit Stimmrechtsübertragungen) kommen am 7. März 1970 in der Musikhochschule München zur Gründungsversammlung des „Verbandes bayerischer Sing- und Musikschulen e. V.“ zusammen.
Mit 43 Ja-Stimmen wird am 7. März 1970 beschlossen, den „Verband bayerischer Sing- und Musikschulen“ zu gründen. Wichtig ist den Vertretern beider Lager, auch in der Namensgebung darauf aufmerksam zu machen, dass der neue Verband seinen Ursprung in zwei eigenständigen Verbänden hat. In der Satzung wird der Singschularbeit besondere Bedeutung beigemessen, die Mitwirkung in einem „ständigen Ausschuß für Singschulfragen im Verband deutscher Musikschulen“ wird festgehalten. Die beiden Vorsitzenden sollen so gewählt werden, dass „der eine die Musikschularbeit, der andere die Singschularbeit besonders betreuen kann“. Fritz Büchtger wird zum ersten Vorsitzenden gewählt, Karl Zeller zum zweiten Vorsitzenden. Weitere Vorstandsmitglieder sind Werner Mayer als Kassenverwalter, Ernst Cambensy als Schriftführer sowie als Beisitzer Josef Kraus (Schongau), Karl Schöner (Schweinfurt), Wilfried Bergmann (Lindau), Karl Lampart (Augsburg), Ludwig Gebhard (Nürnberg), Stephan Werner (Würzburg) und Ludwig Hahn (Kaufbeuren). Lehrgänge zur Intensivierung der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte an Singschulen, die gezielte Schulung von privaten Instrumentallehrerkräften zwecks Anstellung an Musikschulen, die stetige Erhöhung des Staatszuschusses und die Ausstattung der Schulen mit Instrumenten sind Themen der ersten Vorstandssitzung am 23. April 1970. Der überschaubare Haushalt des Jahres 1970 beträgt 50.000 DM.
Die schwierige Frage der Mitgliedschaft
Mit der Gründungsversammlung werden die Mitglieder des Singschulverbandes und des bisherigen Musikschulverbands in die Mitgliedschaft des VdM überführt. Weitere Sing- und Musikschulen, die bislang keiner der beiden Gruppierungen angehören, haben eigene Aufnahmeanträge an den VdM zu stellen. Der VdM geht in einem Schreiben vom 21. September 1970 von 65 bayerischen Mitgliedsschulen aus. Unklarheiten über den Mitgliedsstatus und die Zahl der Mitglieder veranlassen Fritz Büchtger am 3. Oktober 1970 zu einem Schreiben an den VdM-Vorsitzenden Diethard Wucher mit dem Eingangssatz „Die Angelegenheit der Mitgliedschaft muss jetzt einmal richtig in Ordnung gebracht werden.“ Schulen, die an der Gründungsversammlung teilgenommen hatten und bis dahin keinem Verband angehörten, sind beim VdM als Mitglieder geführt, nicht jedoch beim VBSM. Singschulwerke melden ihre Mitglieder beim VdM als Verbandsmitglieder an, die Beitrittserklärungen der einzelnen Schulen fehlen. Schließlich warnt Büchtger vor der Aufnahme einer Schule, die zwar behauptete, Mitglied zu sein, es aber nicht ist, „denn sie war nicht Mitglied des Singschulverbandes. (Ich habe ein äußerst dürftiges Konzert im Sommer gehört)“.
Ungereimtheiten hinsichtlich der Mitgliedschaften ergeben sich auch dadurch, dass Trägergemeinden von Teilnehmern der Gründungsversammlung die Verbandsmitgliedschaft ablehnen. Die Mitgliederaufstellung des VBSM vom 15. Juni 1970, ergänzt um Nachmeldungen vom 4. Oktober 1970 geht von 68 Mitgliedsschulen aus, wobei sich ein Mitglied im Nachhinein als Doppelanmeldung herausgestellt hatte. Deshalb kann Ende des Jahres 1970 von 67 bayerischen Mitgliedsschulen ausgegangen werden.
Die Gründung des Verbandes ist der Beginn der beeindruckenden Erfolgsgeschichte des bayerischen Musikschulwesens. In den vergangenen 50 Jahren wurden viele wichtige verbands- und landespolitische Ziele erreicht, wie sich der Abbildung rechts entnehmen lässt. Heute vertritt der VBSM als Fachverband der Träger die fachpolitischen Interessen der bayerischen Sing- und Musikschulen. Der Verband zählt mittlerweile 219 Mitgliedsschulen, an denen über 200.000 Schüler*innen durch qualifiziertes Lehrpersonal an Instrument oder Stimme ausgebildet werden.
43. Bayerischer Musikschultag in Kaufbeuren
Feierlich begangen wird das Jubiläum im Rahmen des 43. Bayerischen Musikschultags vom 22. bis 24. Oktober 2020 in Kaufbeuren. Zu diesem Anlass wird der Verband auch eine umfassende Festschrift herausgeben, die sich mit der Verbandsgeschichte beschäftigt.