Die „Leitgedanken und Handlungsempfehlungen zur Entwicklung inklusiver Musikschulen“ des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen e. V. (2015) sind eine tragfähige Grundlage, um sich in den Musikschulen gemeinsam Lösungen zu Fragen einer niederschwelligen Zugänglichkeit zu erarbeiten. Diese hat der VBSM im Jahr 2016 im Hinblick auf die Integration von Flüchtlingen an Musikschulen weiter spezifiziert. Besonders erfreulich ist, dass der Verband deutscher Musikschulen e. V. die Handlungsempfehlungen, leicht ergänzt um bundesweite Thematiken, unter dem Titel „Zur Integration von Geflüchteten an Musikschulen“ als offizielles Papier des VdM nun auch bundesweit den Musikschulen zur Verfügung gestellt hat.
All dies spiegelt die Bedeutung dieser Materie für die öffentlichen Musikschulen in Bayern wider. Und doch ist das Thema Vertreibung und Flucht bei weitem kein neues – die Menschheitsgeschichte ist voll von bedrückenden Flucht-Schicksalen und auch die Künste haben sich in unzähligen Werken mit diesem Motiv auseinandergesetzt. Der Schriftsteller Šolem Alejxem beispielsweise schuf mit seinem Roman „Tevje, der Milchmann“ die Grundlage des von Jerry Boof vertonten Musicals „Fiddler on the Roof“ (Deutscher Titel: „Anatevka“), das 1964 in New York uraufgeführt wurde und beschäftigte sich darin mit heute ganz aktuellen Themen wie die Herausforderungen einer sich kontinuierlich verändernden Gesellschaft, mit Vertreibung und Flucht.
Dass sich die Sing- und Musikschule Bad Tölz e. V. gemeinsam mit dem Gabriel-von-Seidl-Gymnasium Bad Tölz den inhaltlichen wie künstlerischen Herausforderungen gerade dieses Werkes stellte, würdigte auch der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Dr. Ludwig Spaenle, in seinem Grußwort im Abendprogramm: „Eine Aufführung des Musicals erfordert von allen Mitwirkenden schon fast professionelle Fertigkeiten und einen langen Atem der Vorbereitung. […] Gerade junge Menschen können durch die Teilnahme an einem derartigen Projekt wertvolle Erfahrungen sammeln […].“
Was die Mitwirkenden vom 15. bis einschließlich 19. März 2017 in fünf Ausführungen auf der Bühne zeigten, freute auch Josef Niedermaier, Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen: „Mit der Realisierung des Großprojektes ‚Anatevka‘ bündeln zwei Schulen ihre Kräfte, deren öffentlicher Auftrag es ist, die nachwachsende Jugend zu führen und zu begleiten.“ Der Landkreis ist Sachaufwandsträger des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums und Landrat Josef Niedermaier zweiter Vorsitzender der Sing- und Musikschule Bad Tölz e. V., die 2017 ihr 100-jähriges Gründungsjubiläum feiern kann. Gerade die Kooperation von Bildungsträgern ist in Bayern ein wichtiger Baustein kultureller Bildungsarbeit und so lobte auch der Bayerische Staatsminister a.D., Dr. Thomas Goppel, MdL und Präsident des Bayerischen Musikrates explizit diesen Aspekt in seinem Grußwort: „Als Präsident des Bayerischen Musikrates schreibe ich zusätzlich gerne von meiner Begeisterung für die schulische und außerschulische Zusammenarbeit zwischen Gymnasium und Sing- und Musikschule. Der musische Zweig des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums wird überwiegend von Schülerinnen und Schülern der Sing- und Musikschule besucht.“
Das Ergebnis hat überzeugt: Rund 80 Schülerinnen und Schüler sowie unzählige Lehrkräfte aus beiden Einrichtungen, die sich intensiv vorbereiteten und „Kraft, Zeit, Kompetenz und Können“ für das gemeinsame Ziel investierten, begeisterten das Publikum. „Ohne deren außergewöhnliche Einsatzbereitschaft hätte die Produktion ebenso wenig gestemmt werden können, wie ohne die ideelle, organisatorische und finanzielle Hilfe zahlreicher Förderer“, so die beiden Schulleiter Harald Rossberger (Sing- und Musikschule Bad Tölz e. V.) und Dr. Harald Vorleuter (Gabriel-von-Seidl-Gymnasium). ¢