Chöre während der Corona-Pandemie: Eine schwierige Angelegenheit, die seit nunmehr 2 Jahren das Chorleben weltweit in eine Ausnahmesituation gebracht hat. Keine Konzerte, Proben – wenn überhaupt möglich – nur mit Hygienekonzept und Abstand. Viele Chöre dämmern aufgrund dieses komplexen Spannungsfeldes in einem Dornröschenschlaf, tun sich nach wie vor schwer, eine sinnvolle Zielsetzung zu finden und warten auf bessere Zeiten. Dass unter all diesen Beschränkungen jedoch auch eine kreative Vision entstehen kann, beweist das Videoprojekt „Drivers License“ des jungen Frauenchores „Independent Women“ (Alter 14-24 J.) der Musikschule Grünwald e.V. unter der künstlerischen Leitung von Elisabeth Daiker. Seit seinem Release Ende Januar wird das Video auf YouTube begeistert gefeiert und konnte schon nach drei Wochen fast 3.000 Aufrufe und sogar eine Empfehlung auf Ninas VoxBox verzeichnen.
Doch wie kam es dazu und warum gerade ein Chorcover von Drivers License? Dazu meint Chorleiterin und Gesangslehrerin Elisabeth Daiker: „Mir fiel im Frühjahr 2021 auf, dass viele meiner Schülerinnen diesen Titel singen wollten. Da wurde mir klar – dieser Song trifft einen Nerv, der durch Corona bei den Jugendlichen immer wieder getriggert worden ist: all die enttäuschten Erwartungen in Bezug auf erhoffte Ereignisse, die nicht eingetroffen sind und auf die sie vielleicht schon ewig hin gefiebert hatten. Eine Klassenfahrt, der Abiball oder das Auslandsjahr – einfach ersatzlos gestrichen! Dieses Grundgefühl und die innere Auseinandersetzung damit charakterisiert viele junge Menschen und das ist bestimmt auch einer der Gründe, warum das Video so gut ankommt und berührt.“
Zunächst war aber alles gar nicht so groß angelegt wie es sich dann entwickelte. Entscheidend war sicher, dass Joachim Rust (Arrangeur und Produzent aus Hannover) Lust hatte, dieses Projekt mitzutragen. „Ich kannte Elisabeth von der berufsbegleitenden Zertifikatsweiterbildung „B-Kurs Jazz- & Popchorleitung“ an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, wo ich als Dozent fungiere. Nachdem ich eine Live-Aufnahme des Chores gehört hatte, die mich stimmlich und musikalisch total überzeugt hat, brauchte ich nicht lange mich zu entscheiden als sie mich anfragte. Zudem fand ich es spannend unter diesen speziellen Aufnahmebedingungen mit jungen Menschen zu arbeiten, die zum größten Teil wenig bis gar keine Studioerfahrung hatten. Da alle Beteiligten sehr engagiert und super vorbereitet waren, hat es tatsächlich sehr gut funktioniert.“
In Form eines 3-tägigen Workshops im Juli wurde dann nach gründlicher Einstudierung unter den geltenden Corona-Maßnahmen jede der 14 Sängerinnen des Chores einzeln in Recording-Sessions in der Musikschule Grünwald e.V. aufgenommen, was für alle Beteiligten ein tolles Erlebnis war. „Ich habe durch dieses Projekt definitiv gelernt, über meinen Schatten zu springen und mutiger zu sein beim Singen. Elisabeth und Joachim, die über ein Talkback mit uns gearbeitet haben, waren da zwar sehr genau, aber auch total einfühlsam, wenn es mal nicht gleich perfekt geklappt hat“, meint Arlène. Maja erinnert sich daran wie sie sich selber beim Einsingen wahrgenommen hat: „Es hat sich total cool angefühlt einen Einblick zu bekommen wie man mit professionellem Equipment arbeitet. Ich musste mich erst mal daran gewöhnen mich selbst über den Kopfhörer singen zu hören.“ In der anschließenden Postproduktion führte Joachim Rust – wie in einem großen Puzzle – alle Einzelaufnahmen zu einem auditiven Gesamtkunstwerk zusammen.
In der Euphorie des Workshops entwickelte sich dann der Gedanke an eine Videoumsetzung, zumal einzelne Chormitglieder im filmischen Bereich arbeiten. Ermutigt durch die Qualität des fertig produzierten Songs, die alle Erwartungen übertroffen hatte, bildete sich ein Kreativ-Team, koordiniert von Elisabeth Daiker, das sich um Konzept, Filmcrew, Postpro, Drehgenehmigungen, Locations, Teststation, Hygienekonzept, Catering, Make-up und Styling kümmerte, während sich Musikschulleiter Markus Lentz um die dazu notwendige Finanzierung bemühte. „Es war eine Freude die begeisterte und mitreißende Gruppendynamik zu beobachten, die sich innerhalb dieses Projektes entwickelt hat. Glücklicherweise kam gerade zu diesem Zeitpunkt das Aufholpaket Kultur heraus, und die Stiftung der Kreissparkasse für den Landkreis München war ebenfalls bereit, dieses besondere Projekt finanziell zu unterstützen. Allerdings wäre es ohne den riesigen idealistischen Einsatz des gesamten Teams nicht umsetzbar gewesen.“
Generalstabsmäßig durchgeplant, fand dann im Oktober an einem Wochenende der Hauptdreh des Musikvideos statt. In metaphorischen Bildern und mit dem Anliegen, das Video im Grünwalder Umfeld mit den typischen Spots wie der Trambahnstation und Straßenzügen der Münchner Vorstadt abzubilden, erzählt das Drehbuch von Lilith Kampffmeyer den inneren Kampf einer einzelnen jungen Frau (Charlotte Stoiber) die – mit ihren ureigenen Dämonen (Chor) konfrontiert – einen Weg zurück in ihre eigene Kraft sucht.
Doch was wäre so ein abenteuerliches Unterfangen, wenn es nicht auch Unvorhergesehenes gegeben hätte? Umdisponieren am Drehtag, weil die Tram aufgrund technischer Probleme nicht fahrplanmäßig eintrifft, krankheitsbedingte Ausfälle, ein spontaner Nachdreh – Flexibilität und Anpassungsvermögen waren ebenso gefragt wie gute Planung.
„Ohne den Elan, die Geduld und Ausdauer von allen Beteiligten wäre das so nicht möglich gewesen“, dankt Lilith Kampffmeyer, die somit ihre erste Regie im Bereich Musikvideo geführt hat, ihren Chorfreundinnen.
„Der Videodreh war für uns Mädels eine besondere Erfahrung jenseits vom reinen Singen. Es war sehr schön sich dabei auch noch besser kennenzulernen und in den Zwischenpausen miteinander auch unsere alten Lieder wieder aufzufrischen, die wir hoffentlich bald wieder live singen dürfen.“, meint Lara. Und Carla bekennt freudestrahlend: „Ich bin super glücklich darüber, dass ich bei diesem tollen Projekt mitmachen durfte, und ich bin auch sehr stolz auf unser Ergebnis. Daran werden wir uns immer erinnern.“
Das Video ist auf der Homepage musikschule-gruenwald.de zu finden und auf dem YouTube Kanal der Musikschule Grünwald e.V., https://youtu.be/3h4_b8UuN0I