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Zwei Männer sitzen in einer Galerie vor einem gemalten Porträt. Der linke, überdurchschnittlich klein, im Rollstuhl, der rechte auf einem Stuhl ohne Rollen.

Benedikt Lika (links), sozialpolitischer Sprecher im Stadtrat Augsburg und Robert Wagner (rechts), Sprecher des Netzwerks Inklusion auf dem Fachtag in Augsburg. Foto: VBSM

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Brückenbauer Musik

Untertitel
Fachtagung des Netzwerks Inklusion
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Anfang März trafen sich viele interessierte Musikschullehrkräfte aus Bayern in der Sing- und Musikschule Mozartstadt Augsburg (SUMMA) beim Fachtag Inklusion, veranstaltet vom Netzwerk Inklusion im Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen e. V. Das Netzwerk setzt sich seit vielen Jahren intensiv mit den Gelingensbedingungen einer inklusiven Entwicklung der öffentlichen Musikschulen in Bayern auseinander. 

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Öffentliche Musikschulen sind, wie andere Bildungseinrichtungen auch, vermehrt herausgefordert, auf den gesellschaftlichen Wandel zu reagieren. Deshalb stand im Zentrum der Fachtagung, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um das Menschenrecht auf Teilhabe an kultureller Bildung möglichst vieler zu verwirklichen, freilich ohne die örtlichen Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeit der in und für die Schule handelnden Personen zu überfordern. Robert Wagner, Sprecher des Netzwerkes Inklusion im VBSM und Leiter der Musikschule Fürth e. V., begrüßte die Teilnehmenden und leitete inhaltlich in das Thema ein: Teilhabe verwirklichen, Zugehörigkeit erfahren. Was braucht man, um dies umzusetzen? Wie passiert es, dass jemand sich zugehörig fühlt? Man ist zum einen äußerlich dabei, aber Teilhabe muss auch auf der emotionalen Ebene wirken. „Ich habe das Gefühl, etwas beigetragen zu haben.“ In jeder Musikschule sind einzelne inklusive Handlungsfelder bereits gut entwickelt. Diese gilt es, als gelungene erste Schritte der eigenen inklusiven Schulentwicklung wahrzunehmen und, darauf aufbauend, gemeinsam nächste Ziele zu formulieren. 

Um den Teilnehmenden des Fachtags ein umfangreiches Bild verschiedener Möglichkeiten inklusiver Entwicklungen an der eigenen Musikschule mitzugeben, wurden in unterschiedlichen Beiträgen Perspektiven aufgezeigt. Die Beauftragten des VBSM im Netzwerk Inklusion gaben anhand der Empfehlung des Verbandes deutscher Musikschulen „zur Ausgestaltung der Aufgaben und Beschäftigungsverhältnisse von Inklusionsbeauftragten an Musikschulen“ Anregungen zum Thema und stellten sich der Diskussion mit den Teilnehmenden. Drei weitere Referent*innen sprachen aus der Perspektive des Schulleiters, der Leiterin des Augsburger Inklusionsorchesters sowie als politischer Sprecher im Stadtrat Augsburg. Karl Höldrich, Leiter der Sing- und Musikschule Mozartstadt Augsburg, gab in seinem Vortrag Einblicke in die Herausforderungen und Herangehensweisen einer Musikschulleitung. Neben den alltäglichen Aufgaben einer Schulleitung bezeichnete er die inklusive Arbeit als Herzensangelegenheit. Oftmals stünden einem Hindernisse, wie vor allem die Finanzen, im Weg. Die Musikschule hat Inklusion in ihr Leitbild integriert und trägt nach außen, was bisher alles erreicht wurde. Mittlerweile können bereits über 100 Menschen im Chor „Grenzenlos“ mitsingen. Auch das Inklusionsorches­ter „Die Bunten“ sowie das Tischharfenorchester der Senior*innen bringen viele musikbegeisterte Menschen zusammen. Wichtig und wertvoll sei der Austausch mit der Stadt sowie feste Ansprechpartner*innen, so Höldrich. Und so kann er als Schulleitung mit seinem Team stolz darauf blicken, einen Ort der Zugehörigkeit geschaffen zu haben, der sich stetig weiterentwickelt. 

Daniela Holweg, VBSM-Fachberaterin für Musik und Menschen mit Behinderung, zeigte den Teilnehmenden Möglichkeiten, Barrieren abzubauen und gab Einblicke in barrierefreie Instrumente. Wichtig sei es, Inklusion auch in der Öffentlichkeitsarbeit darzustellen und den*die Inklusionsbeauftragte*n nicht nur für interne Zwecke, sondern auch als Zeichen nach außen zu nutzen. Sie bestärkte die Teilnehmenden darin, im inklusiven Kontext mit der eigenen pädagogisch-methodischen Expertise aufzutreten und dies „aus dem Bauch heraus“ mit viel Empathie zu tun. Auch Lehrwerke und Lehrgänge, wie beispielsweise „BLIMBAM“ vom Verband deutscher Musikschulen (VdM) sowie die Vernetzung wurden thematisiert.

Markus Adam, VBSM-Fachberater für Musik im Alter, lenkte den Fokus dann auf die Thematik des Musizierens im Alter. Er gab einen Überblick über die Anzahl der älteren Menschen an Musikschulen und stellte heraus, wie wenige von ihnen Musikunterricht in Musikschulen nehmen. Durch eingeschränkte Mobilität existieren deshalb viele Angebote in Alten- oder Pflegeheimen, die sich an der Elementaren Musikpraxis orientieren. Durch die Kooperationen mit Bildungszentren und Pflegeeinrichtungen werde der Bildungsauftrag erfüllt und könne durch die Verschmelzung der Expertise von Musikschullehrkraft und Pflegepersonal in eine qualitätsvolle Umsetzung münden.
Angelika Jekic stellte ihre inklusive Orchesterarbeit in Augsburg vor. Neben dem Inklusionsorchester „Die Bunten“ leitet sie auch das Tischharfenorchester. Nach dem Grundsatz „Jeder, der kommt, ist eine Bereicherung für das Ensemble“ werden die Fähigkeiten der einzelnen Musiker*innen erkannt und die Stärken gefördert. „Die Bunten“ bestehen aus 35 bis 45 Personen als fester Zusammenschluss von Personen, die jede Woche gemeinsam proben. In Kooperation mit Behindertenwerkstätten wird es vielen Menschen ermöglicht, aktiv zu musizieren. Vor allem die vielen Auftrittsmöglichkeiten in stadtübergreifenden Kooperationen sind das Highlight aller Mitwirkenden. Auch die Senior*innen des Tischharfenorchesters freuen sich über jeden Auftritt. Die Aufgabe sei es, ein ganz normales Musikleben zu gestalten, so Jekic.

Der letzte Vortrag erfolgte von Benedikt Lika: Er studierte Musikwissenschaft, Musikpädagogik und Kunstgeschichte in Augsburg. Politisch engagiert er sich im Bereich Inklusion und ist sozialpolitischer Sprecher im Augsburger Stadtrat. Er setzt sich aktiv dafür ein, Menschen mit Behinderung kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und die Gesellschaft für die Belange und Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung zu sensibilisieren. „Meine Überzeugung ist, dass es keinen Menschen gibt, der nicht künstlerisch-musikalisch begabt ist“, so Lika. Er selbst ist mit einem Opern- und Konzertsänger als Vater sehr musikalisch aufgewachsen und hat bereits mit sechs Jahren Klavier gelernt und später an den Pauken im Orchester mitgespielt. „Ich hatte das Glück, auf Musikpädagogen getroffen zu sein, die gemeinsam mit mir Lösungen gefunden haben.“ Selbst mit einer Behinderung zur Welt gekommen, schätzt er die Musik als Brückenbauer. Man sei gleichberechtigt, einer unter den Musik-Kolleg*innen: „Eine Gemeinschaft, in der meine körperlichen Einschränkungen keine Rolle gespielt haben.“ Benedikt Lika hat in seinem musikalischen Wirken und seinem Freundeskreis Inklusion gelebt, bevor es den Begriff in der Gesellschaft überhaupt gab: „Wir haben uns nicht gefragt, wie wir es machen. Wir haben es einfach gemacht.“ Dabei betont er, dass ein theoretisches Gerüst wenig bringt; man sollte lösungsorientiert gemeinsam vor Ort agieren. In Augsburg gestaltet er bis heute ein Konzertprogramm für Menschen mit Behinderung, aber auch Konzerte im Betreuten Wohnen und Seniorenheimen, für die Bewohner*innen, aber auch die Öffentlichkeit: Es geht darum, Kultur und alle Menschen der Gesellschaft vor Ort zusammenzubringen – die Orte zu öffnen, anstatt sie voneinander zu isolieren.

Sein politisches Wirken hat im Projekt „Bayern barrierefrei“ sowie der Entwicklung eines barrierefreien Warnsystems bereits Früchte getragen. Außerdem ist er Vermittler und Ansprechpartner für die Sing- und Musikschule Mozartstadt Augsburg. Hier soll das Angebot so niedrigschwellig wie möglich gestaltet werden. So ist die Teilnahme bei den Bunten und im Chor Grenzenlos kostenfrei. Lika erklärt, dass der Blick weg von den Defiziten, hin zu den Möglichkeiten gelenkt werden sollte. Dann würde Teil-Habe und Teil-Gabe allen ermöglicht werden können. Am Ende des Tages stand für die Teilnehmenden das aktive Musizieren mit dem Inklusionsorchester „Die Bunten“ und dem Tischharfen-Orchester im Vordergrund. Gemeinsam wurden in einer kurzen Probe Einsätze und Abläufe besprochen, um das Geübte dann in einem öffentlichen Konzert am Abend vor einem Publikum zu präsentieren. Die Fachtagung Inklusion bot den Teilnehmer*innen folglich einen umfangreichen Einblick in die Arbeit inklusiver Musikschulen und zeigte Möglichkeiten auf, die für die eigene Musikschularbeit eine Anregung bieten können. 

Save the date: Die nächste Fachtagung Inklusion findet statt am 28. und 29. März 2025 in Oberstdorf.

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