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Eine Musikschule für alle!

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150-jähriges Jubiläum der Musikschule Schweinfurt
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Im Juli feierte der Zweckverband Musikschule Schweinfurt sein 150-jähriges Jubiläum mit drei Konzerten. Ein Rückblick in die Vergangenheit und die Entwicklungen bis heute.

Vor 150 Jahren – 1872 – wurde in Schweinfurt eine städtische Musikschule gegründet. Eine mutige Entscheidung der Bürgerschaft, Musikerziehung von der öffentlichen Hand anzubieten mit dem Ziel zur Schaffung eines städtischen Orches­ters. Der Unterricht in den Orchesterfächern stand nur Knaben offen –
heute sind es zwei Drittel Mädchen.

Im knappen Gründungsbeschluss steht geschrieben: „Wirklich armen, aber talentvollen und fleissigen Musikschülern kann der Magistrat den Unterrichtsbeitrag ganz oder theilweise erlassen.“ An diesem politischen Bewusstsein hat sich bis heute nichts geändert. Die Musikschule soll allen Bevölkerungsschichten offenstehen. Und so begann der Unterricht vor 150 Jahren mit 65 Musikschülern. Noch im 19. Jahrhundert wurde die Musikschule den allgemeinbildenden Schulen angegliedert und entwickelte sich zu einer Singschule nach dem Vorbild der damals prägenden Augsburger Albert-Greiner-Singschule. Im Dritten Reich wurde Musik zur Staatssache: Totalitäre Staaten fördern Musikerziehung als staatstragend, Musik im Gleichschritt, wie wir es heute nicht mehr hören wollen. So wurde zu Beginn des 2. Weltkriegs die Singschule Schweinfurt wieder zum Leben erweckt – bis zu den Bombenangriffen 1943. Nach dem Krieg entstand eine große Sehnsucht nach Kunst und Kultur. Schon 1950 wurde die Schweinfurter Singschule wiedereröffnet, ein Segen für viele Kinder und mit 700 Schüler*innen gut angenommen. Der Unterricht in den Schweinfurter Grundschulen begann mit Kinderchören und Blockflöten. Rasch folgten Querflöte, Streichinstrumente, Gitarre und Klavier und bald waren es über 1.000 Schüler*innen.

Ab den frühen 60er Jahren begann dann die bis heute andauernde kontinuierliche Entwicklung der Musikschule; parallel dazu wurden bundesweit auch die Strukturen für eine moderne Musikschule durch den VdM festgelegt. 1964 übernahm der Komponist und Gesangspädagoge Karl Haus die Leitung, leider nur für zwei Jahre, blieb der Musikschule aber lebenslang verbunden, nicht nur durch die Karl-Haus-Stiftung, die unmittelbar begabten oder bedürftigen Schüler*innen der Musikschule zugutekommt. Ihm folgte bis 1977 Karl Schöner; 1978 wurde Bernd Geith Musikschulrektor. Da immer mehr Schüler*innen aus den Landkreisgemeinden in die Musikschule strömten, gelang 1979 ein kommunalpolitischer Paukenschlag: In überraschend kurzen Verhandlungen wurde ein Zweckverband zwischen Stadt und Landkreis zum Betrieb einer Musikschule gegründet und ab dem Schuljahr 1979/80 Unterricht in Stadt und Landkreis angeboten – im ersten bayernweiten Musikschulzweckverband. Und die Ehe hält! Musik stiftet eben doch Harmonie: Die Beschlüsse der Verbandsversammlung bestehen seit 1979 stets einstimmig über Gebiets- und Parteigrenzen hinweg. Auch für die jetzigen Verbandsvorsitzenden Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Landrat Florian Töpper ist die Musikschule eine Herzensangelegenheit. Mit der Gründung des Zweckverbandes ging es bergauf: Anfang der 90er Jahre hatte die Schule 4.200 Schüler*innen und über 100 Lehrkräfte. Mit fast 800 Gitarrenschüler*innen machte das Wort „Zupferhochburg“ die Runde. Bernd Geith bewältigte diesen Schub mit riesiger Energie: 1989 wurde das Amt eines Verwaltungsleiters geschaffen, welches Thomas Barisch seitdem innehat. Mehr Schüler*innen machen stolz, kosten aber auch mehr Geld, sodass die Zuschüsse von Stadt und Landkreis stiegen; nicht zur Freude der Kämmerer: „Meine Herren, meine Herren, wo soll das noch hinführen, ich stehe mit dem Rücken an der Wand!“. So begannen die Haushaltsverhandlungen zu dieser Zeit mit dem damaligen Landrat Karl Beck regelmäßig. Aber wie seine Nachfolger hat er es immer bewerkstelligt, in der Gewissheit, dass es Geld ist, welches Kindern und Jugendlichen direkt zugutekommt. Dazu war die Musikschule auch immer ein sparsamer Partner, auf den sich die Träger verlassen konnten. Anfang der 90er Jahre hatte die Musikschule Schweinfurt großes Glück: Der Stadt wurde eine Erbschaft des leerstehenden Polizeigebäudes mit der Auflage vermacht, sie für Kultur und Jugend zu verwenden. Dafür hatte die Musikschule die ideale Schnittmenge und so wurde es in ein Schmuckkästchen verwandelt: Von den ehemaligen Ausnüchterungszellen im Keller bis zum wunderschönen Konzertsaal für 200 Gäste im Dachgeschoss. Ein großes Zentralgebäude ist der Traum einer jeden Musikschule – 2021 konnte auch der Schlagzeugunterricht akustisch hervorragend untergebracht werden wie auch ein weiterer großer Veranstaltungsraum und mehrere Räume für den Instrumentalunterricht. Unabhängig davon unterrichtet die Musikschule noch in 54 weiteren Häusern in Stadt und Landkreis.

Bernd Geith, der auch als 1. Vorsitzender des VBSM das bayerische Musikschulleben geprägt hat, wurde 2003 in den verdienten Ruhestand verabschiedet. Die Leitung der Musikschule wurde daraufhin gleichberechtigt von der neuen musikalisch-pädagogischen Leiterin Andrea Schärringer und Verwaltungsleiter Thomas Barisch besetzt. Auch das Lehrpersonal wurde nun zum Zweckverband überführt. Unter der neuen Leitung gab es Erweiterungen des Angebots – mit großem Erfolg: Eltern-Kind-Kurse, die Arbeit mit Senior*innen (Musikgeragogik), E-Gitarre, E-Bass und Popgesang. Kooperationen mit Schulen, Kitas und Seniorenheimen folgten. 2013 wurde die Bläserphilharmonie Schweinfurt gegründet: Ein 60-köpfiges symphonisches Blasorchester auf höchstem Leistungsniveau. Nach verschiedenen erfolgreichen Konzerten entließ die Musikschule dieses 2015 in die Selbstständigkeit eines eingetragenen Vereins.

Auch die Corona-Zeit hat die Musikschule überstanden und sich dadurch den Herausforderungen der Digitalisierung gestellt. Online-Ersatz-Unterricht, YouTube-Kanal, Facebook und Instagram – doch fundierten, persönlichen und liebevollen Präsenzunterricht ersetzen diese Medien nicht. Mit über 3.000 Schüler*innen und 75 engagierten Diplom-Musiklehrer*innen gehört die Musikschule weiterhin zu den größten in Bayern. Wie schon 1872 ist die soziale Zugänglichkeit für alle Schichten und eine fundierte Ausbildung Schwerpunkt der Musikschularbeit – eine moderne Musikschule am Puls der Zeit für alle. Nach den Lockerungen der Corona-Auflagen im Frühjahr 2022 wurde mit Volldampf ein Jubiläumsprogramm aus dem Boden gestampft: Vor 700 Gästen führten 200 Mitwirkende in einem Galakonzert durch 150 Jahre Musik- und Musikschulgeschichte mit Filmeinblendungen, Interviews und viel Musik. Ein Abba-Medley mit dem abschließenden „Thank you for the Music“ brachte dann fast alle Mitwirkenden nochmal auf die Bühne und sorgte für „Gänsehautmomente“. Zwei weitere Open-Air-Konzerte folgten und sorgten für Begeisterung und Staunen, was eine Musikschule alles auf die Beine stellen kann.

 

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