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Inklusive Musikschulen

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Lernräume für eine demokratische Gesellschaft
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„Wir müssen etwas tun und ich bin überzeugt, wir können etwas tun.“ Der Vorsitzende des VdM-Fachausschusses Inklusion und Sprecher des Netzwerkes Inklusion im Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen, Robert Wagner, findet in der Hauptarbeitstagung und Bundesversammlung des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) in Regensburg deutliche Worte. Dabei stellt er die Notwendigkeit heraus, Inklusion in seiner gesamten Bandbreite im Musikschulwesen voranzutreiben, um die Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft zu ermöglichen und ein Wertesystem abseits von Machtmissbrauch zu etablieren.

„Inklusive Musikschulen sind relevant für die Entwicklung und die Stabilität demokratischer und sozialer Gesellschaften, Musikschulen sind relevant für eine regelbasierte, chancengerechte und menschliche Weltordnung“, so Robert Wagner.

In der Bundesversammlung des VdM wurden Handlungsempfehlungen zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes an Musikschulen vorgestellt: Der VdM bekennt sich darin zu sozialen und demokratischen Werten und nimmt Stellung zu Diversität; er tritt ein für Menschen, die besonders verletzlich sind und thematisiert Macht und Machtmissbrauch. Robert Wagner begrüßt die Entwicklung, durch die ein starkes Zeichen gesetzt wird. Der VdM formuliert eine klare Haltung zu diesen Themen, gibt seine gesellschaftspolitische Neutralität auf und übernimmt Verantwortung – für die Qualität der musikalischen Ergebnisse seiner Arbeit wie auch für die demokratische Entwicklung innerhalb der Gesellschaft.

Eine grundlegende inklusive Entwicklung durch die strukturelle Verankerung eines Netzwerkes Inklusion im Herbst letzten Jahres auf allen Ebenen ist laut Wagner bereits sichtbar: In vielen Musikschulen und Landesverbänden sind Inklusionsbeauftragte durch die Führungsebenen bestellt worden und haben ihre Aufgaben aufgenommen. Das im Leitbild des VdM formulierte Ziel, allen Menschen die Teilhabe am Leben und Lernen in der Musikschule zu ermöglichen, wird zunehmend von den in und für die Musikschule Handelnden als Teil der eigenen Musikschulidentität verstanden.

In aller Deutlichkeit weist Wagner darauf hin, dass vor allem die Art und Weise, wie ein Instrument gelehrt wird, gesellschaftliche Relevanz der Musikschulen erzeugt. Die Umstände, unter denen gelernt wird, haben Auswirkungen auf jede*n einzelne*n Musiker*in, aber auch auf den musizierenden Menschen und somit auch auf unsere Gesellschaft. Es sind vor allem die positiven Lernerfahrungen in der Gemeinschaft mit anderen, die dazu beitragen können, eine Welt der Solidarität, des Friedens und der Freiheit zu gestalten. Die Möglichkeit, das eigene Können in ein größeres Ganzes einbringen zu können, begründet die Bereitschaft und die Fähigkeit, Verantwortung in einer Welt zu übernehmen, in der Chancengerechtigkeit Ziel aller ist und Machtmissbrauch keinen Platz hat.

Robert Wagner ist davon überzeugt, dass gerade die außerschulische musikalische Bildung beispielgebend vorangehen und einen Entwurf einer „Welt für alle“ leben kann. Er stellt wichtige Leitfragen auf:
• Welche Lernerfahrungen machen die Schüler*innen? Lernen sie, sich eigene Ziele zu setzen und diese selbstbestimmt zu verfolgen?  
• Stärken die Lernerfahrungen das Selbstwertgefühl? Erleben die Schü­ler*innen Selbstwirksamkeit?
• Werden sie ermutigt und fähig, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen?
• Lernen sie, sich realistisch selbst einzuschätzen?
• Erfahren sie den Mehrwert sozialer Gemeinschaften und können sie diesen reflektieren?
• Begründet die Reflexion gemeinsamen Lernens und Musizierens den individuellen Einsatz für eine inklusive Gesellschaft?
• Findet der Mensch Sinn in seinem Tun und erfährt er sich als Teil einer einander wertschätzenden Gemeinschaft?

Jede einzelne Lehrkraft besitzt dabei eine besondere Vorbildwirkung, denn ihre Haltung und ihr Verhalten in der täglichen Arbeit mit den Schüler*innen hinterlässt Spuren. Sie ist ausschlaggebend dafür, ob Schüler*innen ein Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit und den Wert anderer Menschen für das eigene Wohlbefinden erfahren und deshalb bereit sind und fähig werden, Verantwortung zu übernehmen.

Die Arbeit als Musikschullehrer*in geht folglich weit über die Vermittlung des Instrumentes hinaus: Gemeinsame Werte und die Anerkennung individueller Qualität sind die Basis für einen wertschätzenden Umgang mit Vielfalt. Die inklusive Entwicklung von Musikschulen wird zum Nährboden für eine Stärkung der individuellen Resilienz und damit auch der Resilienz unserer Gesellschaft.

In inklusiven Musikschulen geht es sowohl um die individuell bestmögliche musikalische Förderung – um Fähigkeiten, mit denen Schüler*innen etwas anfangen können und anfangen wollen – als auch um die Art, wie unterrichtet wird. Jede Lehrkraft ist mitentscheidend dafür, ob sich Schüler*innen als „schwach“ erleben oder Bereitschaft und Stärke entwickeln, das eigene Umfeld mitgestalten zu wollen und zu können.
Jede positive Lernerfahrung im Lebensraum Musikschule strahlt auf andere Lebensbereiche aus und ist ein Baustein für eine soziale und demokratische Gesellschaft, so Wagner.

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