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Keine Weiterentwicklung ohne Beobachtung

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Gedanken zum Thema Unterrichtsqualität
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Unterrichten ist von vielen Faktoren abhängig und eine sich stetig verändernde Tätigkeit. Lehrkräfte sind kontinuierlich mit neuen Anforderungen und Situationen konfrontiert. Nicht nur die einzelne Stunde, die sie allwöchentlich geben, sondern auch Unterrichtszyklen und Arbeitsabschnitte unterliegen höchst individuellen Anforderungen an Lehrer und Schüler.

Die Entwicklung eines offenen und übertragbaren Curriculums wird möglich durch die Darstellung der einzelnen Arbeitsschritte des Unterrichts in einer zeitlichen Abfolge von Ereignissen zwischen Ausgangspunkt und Zielerreichung. Im Folgenden werden nicht Unterrichtsinhalte oder methodische Ansätze behandelt, sondern eine Struktur, die es ermöglicht, mehr Raum zu schaffen, sich den Inhalten und der Wege zu deren Umsetzung zu nähern.

Ohne das Bereitstellen der notwendigen Ressourcen kann der Unterricht erst gar nicht beginnen. Dabei ist nicht nur für die ausreichende Unterrichtszeit, sondern u. a. auch für geeignetes Notenmaterial, Instrumente, Unterrichtszimmer, gültige Anmeldungen der Schüler und ggf. Kammermusikstunden zu sorgen, um ein ausgewähltes Stück zu realisieren.

Die Klarheit über ein Ziel ist der Anfang im Unterricht. Hat das Handeln im Unterricht immer ein Ziel? Werden Ziele mit dem Schüler kommuniziert und abgeklärt? Die Offenlegung der Lernziele dient der Beurteilung des Erfolgs; diese müssen für beide Seiten nachvollziehbar sein. Durch das Abklären der Ziele mit dem Schüler wird Leistung und Leistungsbereitschaft deutlich gesteigert. Die Zufriedenheit bei Lehrern und Schülern steigt. Jeden einzelnen Lernschritt mit Schülern durchzudiskutieren und somit uneingeschränktes Mitspracherecht einzuräumen würde in seiner konsequenten Ausübung Komplikationen provozieren, die einem produktiven Lernprozess entgegenwirken. Die Lehrkräfte müssen Stellung beziehen zu ihrem Unterricht, zu ihren Vorstellungen, Erwartungen und Hoffnungen.

Sie müssen eindeutig sein in der Haltung und Aufgabenstellung. Vor Beginn der Vermittlungsphase steht die Abklärung und Festlegung der Arbeitsschritte sowie des zeitlichen Ablaufes. Diese Faktoren sind zur Erreichung der vereinbarten Lernziele notwendig. Die Arbeitsschritte stehen in direkter Abhängigkeit zum Ziel. Wie müssen die Arbeitsschritte im Verlauf der Unterrichtsstunde platziert werden, damit das abgesteckte Ziel erreicht und zum Erfolgs- und Zufriedenheitserlebnis für den Schüler wird? Klarheit zu schaffen über die Wege zum Ziel ist Aufgabe vor Beginn des Unterrichts.
Der Unterricht im Sinne von konkreten inhaltlichen Handlungshinweisen soll an dieser Stelle nicht Gegenstand der Betrachtung sein. Die Gedanken, die diesem theorisierenden Ansatz zu Grunde liegen, entstammen praktischer Unterrichtserfahrung. Ziel ist es, Freiraum für die wesentlichen Elemente des Unterrichts durch Systematisieren und Abklären zu schaffen und Raum zu gewinnen, sich der Sache selbst, dem Erleben von Musik, dem Ausdrücken von Empfindungen, der Faszination von Leidenschaften und Stimmungen, der Kraft von Virtuosität und Stille zu widmen.

Ohne Beobachtung und Beurteilung gibt es keine geführte Weiterentwicklung mit Stecken neuer Ziele. Nur durch die Beurteilung eines Zustandes, durch die gemeinsame Besprechung mit dem Schüler, können die weiteren Lernziele formuliert werden. Die Beurteilung kann aber nur funktionieren, wenn vorher die Ziele, die Arbeitsschritte, der zeitliche Ablauf und die Ressourcen abgeklärt waren.
Die beteiligten Personen und die sich ständig verändernden Situationen stehen in ständiger Abhängigkeit zu jeder einzelnen Komponente, machen das Unterrichten lebendig und abwechslungsreich. Sie sind die Faktoren, die die pädagogische Arbeit unvorhersehbar bei den zu erwartenden Resultaten erscheinen lassen.

Die theoretisch strukturelle Auseinandersetzung entbindet nicht von der Eigenverantwortung, Entscheidungen bezüglich der zu setzenden Ziele, der notwendigen Arbeitsschritte und deren Abläufe, zu treffen – erfahrungs- und ausbildungsbasiert im kollegialem Austausch auch über die Bereitstellung der notwendigen Arbeitsmittel und Methodik.

Durch die Darstellung einzelner Komponenten des Unterrichts in einer zeitlichen Abfolge von Ausgangspunkt und Zielerreichung, wird die Tätigkeit an sich nicht leichter, wird die Verantwortung, die Lehrkräfte tragen, nicht weniger, aber sie wird klarer, einsichtiger, transparenter und durchschaubarer. Die Offenlegung pädagogischer Ziele, das Abklären der Vorgehensweise mit den Schülern und die Eindeutigkeit im Handeln, zwingt die Klarheit auf, die für Lehrer und Schüler Erfolgsfaktoren sind. Durch Strukturierung entsteht die Möglichkeit, Fehlerquellen, die sich in Unterrichtskonzeptionen tagtäglich einschleichen wollen, herauszufiltern und gezielt zu verändern.

Die Entwicklung einer Fehlerkultur zwischen Schüler und Lehrer, zur gegenseitigen Wissensmehrung im Sinne einer objektivierten Fehleranalyse, rückt in den Bereich des Möglichen. Gefühl, Intuition und Einfühlungsvermögen werden weiterhin stark gefordert. Der hohe Grad an Sensibilität, den Musikpädagogen in sich tragen und in ihrer Tätigkeit immer stärker ausbilden, bleibt im Zentrum und soll nicht durch theoretische Darstellungen ersetzt werden. Sie stellen eine Unterstützung und Bereicherung für ihre Arbeit dar.

Der Autor ist Leiter der Musikschule Unterhaching e. V. und Mitglied im Bundesfachausschuss Qualitätsmanagement beim Verband deutscher Musikschulen

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