Unter dem Motto „Musikalische Bildung von Anfang an“ hat der VBSM zum dreitägigen Musikschultreffen „Bayerischer Musikschultag“ eingeladen. Das einzigartige Ambiente zwischen königlichen Prachtbauten in Bad Kissingen bot den Repräsentanten und Vertretern der Sing- und Musikschulen den richtigen Rahmen, sich in ungezwungener Atmosphäre über die aktuelle Situation und Entwicklung der Musikschularbeit in Bayern auszutauschen. Insgesamt rund 600 Schülerinnen und Schüler aus nordbayerischen Musikschulen sorgten dafür, dass die qualitätvolle musikpädagogische Arbeit der bayerischen Musikschulen von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.
Beim Festakt vor rund 200 Gästen betonten alle Redner, dass sie mit der finanziellen Situation der öffentlichen Bildungseinrichtung Musikschule zwar nicht ganz unzufrieden seien, sie aber natürlich auch noch besser werden könne. „Wir können uns im Großen und Ganzen nicht beklagen“, meinte Landrat Hanns Dorfner, Präsident des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) bei der Begrüßung im Rossini-Saal des Regentenbaus.
Aber es werde weiterhin die Unterstützung der öffentlichen Hand benötigt – was dieser freilich nicht allzu schwer fallen dürfte, denn „diese Gelder sind echt Zukunftsinvestitionen.“ Ein Musikschulgebäude müsse man nach 15 Jahren renovieren, aber von der Musik, die die Kinder lernen, könnten sie ihr Leben lang zehren, so Dorfner. An Bürgermeister und Kreisräte appellierte er, Musikschulen noch stärker zu unterstützen, da sie gerade im ländlichen Bereich von besonderer Wichtigkeit seien.
Von einer „Herausforderung der Verantwortung für die nächste Generation“ sprach Karl Heinz Laudenbach, Oberbürgermeister der Stadt Bad Kissingen. Gesundheit, Sport, Kunst, Kultur und Musik seien friedensstiftende Faktoren, deren Wirkung nicht zu unterschätzen sei: „Das Geld, das der Finanzminister heute nicht dem Kultusminister gibt, wird er später in zehnfacher Ausfertigung dem Innenminister geben müssen, weil sich Polizei, Richter und Staatsanwälte dort zu kümmern haben, wo die Gesellschaft versagt hat.“ Deshalb solle der Kampf um finanzielle Ressourcen gerade im Bereich der musikalischen Bildung für die Jugend nicht hinten angestellt werden. Einen ausdrücklichen Dank richtete Laudenbach an die Städtische Musikschule Bad Kissingen: „Wir sind stolz, euch zu haben.“
Positive Signale
Von positiven Signalen sprach der CSU-Landtagsabgeordnete Gerhard Wägemann, Mitglied der Arbeitskreise Hochschule, Forschung und Kultur sowie Bildung, Jugend und Sport. Zum einen sei die Zahl der Musikschulen in Bayern in den letzten Jahren von 180 auf 215 gestiegen. Damit haben sich die Musikschulen zum tragenden Fundament des bayerischen Musiklebens entwickelt und seien heute aus dem gesamten Kulturleben nicht mehr wegzudenken. „Musikschulen sind das Wurzelgeflecht, aus dem sich das gesamte Reservoir der Laienmusik speist“, so Wägemann. Daraus sprössen auch die besonderen Talente, die später Musik zu ihrem Beruf machen könnten. Wenngleich von Schulen und Ausbildungsstätten mehr und mehr verlangt würde, Kinder und Jugendliche möglichst effektiv auf das Arbeits- und Wirtschaftsleben vorzubereiten, könne und dürfe Bildung sich nicht nur darauf beschränken und müsse immer den ganzen Menschen im Blick haben: „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, jungen Leuten nicht nur Wissen und Können zu vermitteln, sondern auch Herz und Charakter zu formen“, erklärte Wägemann. Die musikalische Bildung spiele dabei eine entscheidende Rolle, da sie junge Menschen aus ihrer passiven Rolle als Medienkonsumenten herausführen könne: „Wer aktiv in einem Ensemble mitspielt, hat das Gefühl, dazu zu gehören und bei einer sinnvollen Sache mitwirken zu können.“
Beim gemeinsamen Musizieren lernten die Jugendlichen soziales Verhalten automatisch – „gewissermaßen zum Nulltarif“, so Wägemann. Als „Stützpfeiler“ bezeichnete der Landtagsabgeordnete gar die Musikschulen, weil sie die allgemein bildenden Schulen ergänzen, die solch eine musikalische Bildung allein nicht leisten könnten. Grund genug, von den politisch Verantwortlichen in Staat und Kommunen die weitere Förderung und Stärkung der Musikschulen einzufordern. Die Staatsregierung habe 2006 mit 9,7 Millionen Euro genauso viel Geld für die bayerischen Musikschulen aufgewendet wie im Vorjahr. Das habe durchaus etwas zu bedeuten angesichts der Kürzungen in allen Bereichen. Aber Wägemann vermittelte den Eindruck, dass es im nächsten Haushalt auch mehr werden könnte: „Es ist noch Spielraum vorhanden.“
Ankurbeln
Musikalischer Früherziehung
Wilfried Hiller, Präsident des Bayerischen Musikrates, schlug in seiner Festrede zunächst sorgenvollere Töne an. Er sprach von der manipulativen Kraft der Musik im positiven und vor allem im negativen Sinn, von der allgemeinen Musikberieselung und Zudröhnung: „Das In-sich-Hineinhören“, das Durch-Stille-zu-sich-Finden ist kaum mehr möglich. Alles macht für eine musikalische Umweltverschmutzung Platz, die schließlich auch zu einer Verschmutzung der Innenwelt führe. 70 Prozent unserer Jugendlichen sind durch permanenten Musikkonsum hörgeschädigt. Besonders beunruhigt zeigte er sich von einem Phänomen: „Wir haben bei klassischen Konzerten, bei Opern oder Sendern mit klassischer Musik einen Altersdurchschnitt von 65,3 Jahren. In 20 Jahren sind das 85,3 – in 40 Jahren...“ Eine Überalterung des Publikums habe es aber schon immer gegeben. Auch dies sein ein Grund, die musikalische Früherziehung weiter anzukurbeln: „Zwei Drittel der Bevölkerung Bayerns kann auf die Angebote der Musikschulen zurückgreifen. Das heißt aber auch: Ein Drittel der Bevölkerung ist im Freistaat noch unterversorgt.“ Natürlich lasse sich dieser Fehlbedarf nicht von heute auf morgen decken: „Trotzdem dürfen wir die Forderung nach einer flächendeckenden Versorgung, wie sie im Bayerischen Musikplan niedergelegt ist, nicht aus den Augen verlieren.“
Carl-Orff-Medaille
Die höchste Auszeichnung, die der VBSM zu vergeben hat, ist die Carl-Orff-Medaille. Sie wird seit 1980 an Personen und Institutionen verliehen, die sich in herausragender Weise um die Sing- und Musikschulen in Bayern verdient gemacht haben. In diesem Jahr ging die Auszeichnung an den Schlagzeuger Harald Rüschenbaum, künstlerischer Leiter des Landes-Jugendjazzorchesters.
Richard Wiedamann, Leiter des Bayerischen Jazzinstituts, würdigte Rüschenbaum nicht nur als Musikpädagogen und Musiker, sondern auch als einen „Mann des visionären Denkens“, der dafür verantwortlich sei, „dass so mancher junger Musiker eine Wahrheit mit auf den Weg nimmt, die so gar nicht mit unserer materiell orientierten Medienkultur kompatibel ist: Geist ist geil.“
78 Prozent des heutigen Musikangebots würden aus kommerzieller Erwägung produziert, gab Rüschenbaum in seinen Dankesworten zu bedenken. Nur 13 Prozent kämen von Herzen. Deshalb mahnte er: „Wenn die Musikerziehung nicht mit Liebe gemacht ist, ist sie umsonst.“ Abschließend ließ er alle Gäste einen Ton singen: „Warum soll man einen Musikschultag nicht mit einem Ton beginnen?“