Die Freude war groß, als die bayerische Staatsregierung in ihrer Kabinettssitzung am 5. Mai beschloss, dass die Musikschulen ihre Türen ab dem 11. Mai zumindest für den Einzelunterricht wieder öffnen dürfen.
Auf diesen Moment hatten Schulleitungen, Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern seit der staatlich angeordneten Schließung der Musikschulen zum 17. März gehofft. Knapp acht Wochen waren seitdem vergangen, in denen die Musikschulen bereits intensive Vorarbeit geleistet hatten, um auf eine Wiedereröffnung unter den gegebenen Umständen bestmöglich vorbereitet zu sein: Mit Unterstützung des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) wurde jeweils ein auf die örtlichen Gegebenheiten angepasstes Schutz- und Hygienekonzept entwickelt. Schulleitungen, Lehrkräfte und Verwaltungspersonal stellten ihre handwerklichen Fähigkeiten beim Verschrauben von Spuckschutzwänden, Vermessen von Räumen und Anbringen von Bodenmarkierungen zur Einhaltung von Abstandsregelungen unter Beweis. In vielen Musikschulen mussten außerdem Absprachen mit übergeordneten Stellen der Stadtverwaltung getroffen werden, um Räume in ausreichender Anzahl und Größe zur Verfügung stellen zu können. „Als dezentral organisierte Musikschule findet unser Unterricht fast ausschließlich in Schulen oder gemeindlichen Räumen statt. Deshalb haben wir den Wiedereinstieg langfristig gemeinsam mit unseren Partnern vorbereitet“, berichtet Kurt Brunner, Leiter der Musikschule im Landkreis Passau.
Die gute Vorbereitung ermöglichte einen weitgehend reibungslosen Wiedereinstieg, so Brigitte Buckl, Leiterin der Musikschule Prien e. V.: „Die Schüler*innen und Lehrkräfte haben sich unglaublich gut auf die neue Situation eingestellt. Die Eltern haben ihre Kinder an der Tür abgeliefert, sodass sie das Gebäude nicht betreten mussten. Im ganzen Schulgebäude gilt eine Einbahnstraßenregelung sowie eine Maskenpflicht in den Gängen. Die Stundenpläne wurden entsprechend angepasst, sodass zwischen den Stunden ausreichend Zeit zum Lüften bleibt.“ Für viele Schüler*innen ist die Rückkehr an die Musikschule ein erster Schritt in Richtung Normalität. „Sowohl Schüler*innen als auch Lehrkräfte freuen sich über die persönliche Begegnung im Präsenzunterricht, einige von ihnen waren dafür das erste Mal seit vielen Wochen wieder in der Stadt. Es ist schön zu sehen, wie viel Freude ihnen das Musizieren bereitet“, so Karl Höldrich, Leiter der Sing- und Musikschule Mozartstadt Augsburg. Auch von Seiten der Eltern erhalte die Musikschule viel Lob für ihr Konzept. Peter Hackel, stellvertretender Leiter der Kreismusikschule Erding e. V. stellt darüber hinaus fest, dass „aufgrund der reduzierten Aktivitäten und der damit einhergehenden Entschleunigung insgesamt mehr Zeit für Muße und somit auch für die Musik bleibt.“ Während die Schüler*innen den Musikunterricht für gewöhnlich in ein freies Zeitfenster zwischen Schulunterricht und zahlreichen weiteren konkurrierenden Freizeitangeboten einpassen müssen, bleibt in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Homeschooling deutlich mehr Zeit zum regelmäßigen Üben. „Eine große Stütze war und ist uns in diesen Zeiten die Geschäftsstelle des VBSM, die uns umfassend mit Informationen versorgt, Musterpapiere bereitstellt und jederzeit für Rückfragen zur Verfügung steht. Kurzfristig wurde sogar ein Webinarprogramm zur digitalen Betreuung von Musikschüler*innen auf die Beine gestellt“, so Brunner.
Angesichts dieser positiven Berichte darf allerdings nicht übersehen werden, mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen die Musikschulen dabei tagtäglich konfrontiert sind. Zunächst geht mit der Organisation des Präsenzunterrichts ein enormer organisatorischer Aufwand einher. „Als Schulleiter ist man gefühlt auf 50 Baustellen gleichzeitig unterwegs“, erzählt Höldrich: „Als Hausmeister beim Verrücken von Möbeln und Anbringen von Abstandsmarkierungen, als Ansprechpartner für die vielen Fragen von Schüler*innen, Eltern und Lehrkräften und als Manager bei der Entwicklung von Belegungsplänen und der Sensibilisierung und Einweisung des Personals.“ Auch für das Verwaltungspersonal und die Lehrkräfte geht die Umsetzung der Regelungen mit einem nicht zu unterschätzenden zeitlichen Mehraufwand einher. Interessant wird es außerdem, wenn die Schüler*innen wieder mehr Zeit in den allgemeinbildenden Schulen verbringen: „Zur Entzerrung von Stundenplänen und Einhaltung von Lüftungszeiten wurde ein Teil des Unterrichts auf den Vormittag verlegt. Das wird dann in der Form nicht mehr möglich sein“, so Buckl.
Auch in finanzieller Hinsicht bringt die Situation zahlreiche Probleme für die Musikschulen mit sich. Zum einen ergibt sich aufgrund von Unterrichtsausfällen ein Fehlbedarf an Unterrichtsentgelten, der vor allem im Elementarbereich sowie im Großgruppenunterricht noch weiter ansteigen wird. Zum anderen ist auch in den Kommunen die Finanzlage sehr angespannt. Darüber hinaus zeichnen sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt Auswirkungen für das kommende Schuljahr ab: „Da viele Eltern von Kurzarbeit betroffen sind, können sie sich die Ausgaben für den Musikschulunterricht teilweise nicht mehr leisten“, so Brunner. Auch Buckl berichtet von zahlreichen Kündigungen zum neuen Schuljahr. Hinzu kommt, dass aufgrund der Einschränkungen auch die Schnupperwochen zum Anwerben neuer Schüler*innen ausfallen mussten. Als Ersatz hierfür haben viele Musikschulen nun kleine Videos auf ihre Website gestellt, in denen die einzelnen Instrumente vorgestellt werden.
Darüber hinaus herrscht Einigkeit darüber, dass man es dabei im Sinne einer qualitativ hochwertigen und vielfältigen musikalischen Ausbildung nicht bei Einzelunterricht belassen darf. „Die Fokussierung auf Einzelunterricht entspricht nicht der Grundhaltung und dem Gesamtbild öffentlicher Musikschularbeit und widerspricht auch den Anforderungen der Sing- und Musikschulverordnung. Die Idee Musikschule lebt von der Vielfalt der Unterrichtsformen. Dazu gehört ausdrücklich und unabdingbar das gemeinsame Musizieren in Ensembles, Orchestern und Chören. Daher freuen wir uns sehr, dass seit dem 15. Juni unter Einhaltung der geltenden Hygienebestimmungen nun auch der Gruppenunterricht – mit Ausnahme des Gesangs – wieder möglich ist. Wir sind uns sicher, dass unsere Musikschulleiter*innen sehr gewissenhaft mit der Verantwortung umgehen werden, die mit diesen weitreichenden Öffnungen einhergeht. Auch wenn damit natürlich weiterhin zahlreiche Einschränkungen verbunden sind, hoffen wir, unseren Schüler*innen auf diese Weise mittelfristig unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens wieder das gesamte Spektrum an Unterrichtsangeboten bieten zu können, für das die bayerischen Sing- und Musikschulen mit ihrem Namen stehen“, so Wolfgang Greth, Geschäftsführer und Leiter der Beratungsstelle des VBSM.