Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 ist ein Thema, das die gesamte außerschulische Bildungslandschaft Bayerns umtreibt. Mehr Grundschulkinder werden zukünftig mehr Zeit in der Schule verbringen.
Musische Bildung für alle Kinder
Vor dem Hintergrund der aktuellen Kürzung musischer Bildung in der Grundschule sowie des Anspruches auf ein Ganztagsangebot ab 2026 positioniert sich der VBSM klar: „Die bayerischen Sing- und Musikschulen verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz, über qualifiziertes Personal und bewährte Unterrichtsformate. Diese für alle Kinder zugänglich zu machen ist die gemeinsame Chance des Ganztags.“ So heißt es im Forderungspapier des VBSM vom April 2024, welches versucht, auf die Gelingensbedingungen für die Einbettung der Musikschulen in das Ganztagsthema einzugehen und in best practice Beispielen aufzuzeigen, welche Modelle bereits jetzt erfolgreich umgesetzt werden können. Es ist offensichtlich, dass die Betreuung im Ganztag mit der prognostizierten Auslastung personell von den Kommunen und Schulen nicht allein bewältigt werden kann. Im urbanen Raum wird damit gerechnet, dass bis zu 90% der Eltern den Rechtsanspruch wahrnehmen wollen. Im ländlichen freilich wird es nicht so ausgeprägt sein. 48 Wochen im Jahr, 40 Stunden Betreuung: so groß die Entlastung dadurch für die Eltern ist, so groß ist die Herausforderung für die Verantwortlichen. Bis jetzt steht nur eines fest: Die Finanzierung ist nicht gesichert – weder die Höhe der Förderung, noch die Zuständigkeiten. Kurz: Es knirscht – und die Zeit läuft uns davon!
Musikschulen als Partner im Ganztag
Auch steht fest: Dort, wo es Musikschulen gibt, zeigen sich diese dem Mitwirken bei der Bewältigung der Herausforderung Ganztag offen. Hier gibt es qualifiziertes Personal, Lehrkräfte mit pädagogischer Hochschulausbildung und vielen Erfahrungswerten. Alles, was man sich für Bildung in Bayern nur wünschen kann, wird hier beherrscht: Im Vordergrund natürlich die Musikausbildung auf allen Leistungsniveaus. Gleichzeitig die Vermittlung von sozialer Kompetenz und das Erleben von Sinn im täglichen Tun, das Setzen und Erreichen von Zielen durch eigene Anstrengung, die Gestaltung von positiven Beziehungen zu anderen sowie sich selbst. Und nicht zuletzt das Erleben von Selbstwirksamkeit und Verantwortlichkeit für das Gelingen eines Vorhabens. Beim Blick auf den gesellschaftlichen Alltag muss man feststellen: diese Grundfähigkeiten demokratischen Zusammenlebens drohen zu verkümmern und es ein Verfall ist bereits zu spüren. Kulturell-musische Bildung formt die Persönlichkeit in einer konstruktiven Prägung nachhaltig.
Bildungsgerechtigkeit
Im Ganztag ALLEN Kindern ein musikalisches Angebot machen zu können, ist DIE Chance für Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe, unabhängig von Begabung, Herkunft und sozialem Status. Manche Familien haben ganz andere Sorgen, als sich um die Interessen ihres Kindes zu kümmern. Wenn beide Eltern für das Familieneinkommen arbeiten müssen, fehlen sowohl finanzielle wie auch zeitliche Ressourcen, ihr Kind mit Terminen am Nachmittag eine ganzheitliche und umfassende Bildung zugänglich zu machen. Hier ist das Kultusministerium gefordert, Rahmenbedingungen entsprechend ihrer Bildungs- und Erziehungsziele zu schaffen.
Verzahnung der Bildungsangebote
Das Kerngeschäft der Musikschulen ist der Einzel- und Kleingruppenunterricht. In der Regel beginnt die musikalische Grundbildung jedoch in Gruppen der elementaren Musikpraxis. In diesem Bereich finden auch die meisten bereits bestehenden Kooperationen im Grundschulbereich statt: Sing- oder Instrumentalklassen, in denen die halbe oder ganze Klasse musikalische Grunderfahrungen macht. Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich eine Familie für mehr Betreuung in der Schule entscheidet, gibt sie gleichzeitig Freiräume in der Freizeitgestaltung für ihr Kind auf. Der Wunsch nach vielseitiger Bildung aber bleibt bestehen. Daher muss man wach auf die Orte blicken, an denen eine Verknüpfung von Einzel- und Kleingruppenunterricht mit dem Betreuungsangeboten bereits funktioniert. Mit Drehtür-Modellen und flexiblen Regelungen hinsichtlich Aufsichtspflicht werden hier zeitliche und räumliche Hindernisse geschickt überbrückt. Kinder erhalten Zeitfenster, in denen sie im Ganztag auch den Instrumental- oder Gesangsunterricht besuchen können. Durch geschickte Organisation, Vorbereitung und Absprachen zwischen Grund- und Musikschule wechseln sie mühelos die Lernorte. Auch BR-Klassik (Antonia Morin) berichtete über die Ganztagsthematik in Hinblick auf das Üben der Kinder. Der Vorsitzende des VBSM, Markus Lentz, sagt in dem Interview: „Was wir feststellen, ist einfach die eingeschränkte Zugänglichkeit zur Musikschule. Immer mehr Kinder können erst nach dem Ganztag oder nach der Hortzeit in die Musikschule kommen. Und dann sind sie im Grunde genommen ausgepumpt, also kaum noch aufnahmefähig.“ Antonia Morin stellt in ihrem Artikel das Fazit der Musikschulen folgendermaßen dar: Wenn künftig immer weniger Kinder zur Musikschule kommen können, muss die Musikschule eben zu den Kindern kommen. Sprich, musikalische Bildung muss in die Ganztagsbetreuung integriert werden.
Fachkräftemangel
Den Wunsch, ganze Klassen am Nachmittag zu beschäftigen, können nur Musikschulen erfüllen, denen ausreichend Personal zur Verfügung steht, welches die entsprechenden Kompetenzen und Erfahrungen im Gruppenunterricht mitbringt. Schaut man an die Hochschulen stellt man fest: Es findet dort ein Prozess statt, der neben dem Ausbilden von reinen Künstlerinnen und Künstlern auch dem Lehren-Lernen immer mehr Stellenwert einräumt. Die Hochschulen gestalten ihre musikpädagogischen Studiengänge mit klarer Perspektive auf mögliche Berufsfelder. Gut ausgebildete Absolventinnen und Absolventen beherrschen den Einzel- und Kleingruppenunterricht. Lediglich im Bereich „Elementare Musikpädagogik“ wird auf das Musizieren mit größeren und evtl. auch heterogenen Gruppen vorbereitet. Der Kontakt der Musikschulen mit den Hochschulen ist gut, das Verständnis groß. Schließlich hängt die Qualität der Studienbewerber*innen auch von der Ausbildungsqualität an den Musikschulen ab – und gleichzeitig wünschen sich die Musikschulen gut vorbereitete Berufsanfänger*innen.
Gute Gelingensbedingungen
„Woran hakt es also?“, fragt man sich, wenn man ausrechnet, dass es bis zum Start des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung gerade mal noch zwei Jahre sind. Ganz sicher fehlt es nicht an guten Ideen. Glücklicherweise gibt es ja auch schon eine bunte Vielfalt an Zusammenarbeit zwischen Grund- und Musikschulen, getragen durch fleißige und musikverständige Schulleitungen, die die zusätzliche Organisationsarbeit nicht scheuen, weil sie um den Schatz wissen, den die Musik(-vermittlung) in ihrem Schulleben darstellt. Wohl fehlt es aber an einer klaren Ausgangslage, was die Finanzierung, die Räumlichkeiten und die Qualitätsansprüche im Ganztag angeht. Und was für Lösungen gibt es eigentlich dort, wo gar keine Musikschulen vorhanden sind?
Runder Tisch
Mit diesen Fragen wendet sich der VBSM an die Politik, die Ministerien, die Eltern, die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen, aber auch an die anderen Verbände kultureller Bildung, die auch in der Lage sind, Angebote im Ganztag zu machen. Der Bayerische Musikrat hat dankenswerterweise bereits eine Tagung zum Thema veranstaltet, auf der unter anderem klar wurde, wie viele Fragen noch offen sind und dass ein klarer Schulterschluss unter den Musikausbildenden besteht und musische Bildung im Ganztag verankert gehört.
Fazit
Die bayerischen Sing- und Musikschulen blicken auf eine bewährte Zusammenarbeit mit ihren Kommunen und dem Freistaat und sehen hier sowohl vielfältige Herausforderungen als auch Chancen, gemeinschaftlich Zielsetzungen weiter zu leben und zu entwickeln – so sieht der VBSM die Ganztagsbetreuung trotz aller Herausforderungen als Chance. Der Bayerische Musikschultag im Oktober in Bamberg wird erste Ergebnisse zusammentragen.
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