Als Stadtschulrat Max Löweneck und Volksschullehrer Albert Greiner 1905 beschlossen, eine Singschule in Augs-burg zu gründen, ging es beiden zunächst darum, die „kläglichen Resultate des Kindergesanges“ zu verbessern. Die Singschule sollte als Ergänzung zur Volksschule verstanden werden, um die bestehenden Defizite in der musikalischen Bildung zu beseitigen. Die sich kontinuierlich verändernde Musikerziehung in Bayern und das inzwischen erreichte hohe Niveau ist dem beständigen Engagement von Musikpädagogen und der fortwährenden Fürsprache politischer Entscheidungsträger zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Musikerziehung zu verdanken. Heute ist die Musikschularbeit in ihrer bildungspolitischen Bedeutung anerkannt und wird weiter ausgebaut, um auch in der Zukunft – in einer digitalen Welt, in der jede Art von Musik zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar ist – attraktiv zu bleiben.
Musikschulen als Kooperationspartner bieten vielerlei Möglichkeiten für gegenseitige Synergien mit dem Ziel der Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Diese Netzwerkarbeit bedarf einer stetigen Pflege und Neuausrichtung, denn in allen Bereichen gilt es, verschiedene Hindernisse zu erkennen und zu überwinden.
Burkard Fleckenstein, Leiter des Kulturamtes der Stadt Aschaffenburg und Vorstandsmitglied im VBSM hatte Birgit Huber (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus), Renate Reitinger (Hochschule für Musik Nürnberg) und Andreas Horber (Bayerischer Blasmusikverband) eingeladen, im Forum zum Bayerischen Musikschultag in Hof den Status Quo der Kooperationen von Musikschulen mit Kitas und allgemeinbildenden Schulen, Hochschulen und Laienverbänden zu beleuchten.
Eine klare Rollenverteilung, die stete Begegnung auf Augenhöhe sowie eine transparente Feedbackkultur sind unabdingbare Gelingensbedingungen, darin waren sich die Teilnehmer der Konferenz einig. Keiner der Kooperationspartner darf sich dem Anderen aufgrund verschiedener Eigenschaften untergeordnet fühlen. Missverständnisse gilt es auszuräumen – zum Beispiel sollte das Klassenmusizieren nicht als „Zulieferbetrieb für Musikvereine“ zu betrachten sein. Es bedarf konkreter Absprachen in Bezug auf Mitgliedschaften und Zugehörigkeiten, Aufgabenverteilung und gemeinsame Aktivitäten.
Die Musikschule als Partner von Kindertagesstätten und allgemeinbildenden Schulen kann allen Kindern einen Zugang zur musikalischen Bildung im Rahmen des Schulunterrichts ermöglichen. Vor allem die musikalische Früherziehung in der Kita als auch das Ganztagsangebot in Schulen bieten große Chancen: „Echte Musiker“ bereichern den Schulalltag und bringen – immer im Zusammenspiel mit der Klassenlehrkraft – den Musikunterricht in der Schule auf ganz neue Art und Weise zum Klingen. Da das Klassenmusizieren zeitlich begrenzt im Stundenplan platziert ist, sollte jedoch stets gewährleistet sein, dass die Kinder in Vereinen beziehungsweise in der Musikschule ihre Kenntnisse vertiefen und die Ausbildung im Instrumentenspiel oder im Gesang fortführen können.
Eine weitere Schwierigkeit zeigt sich im Bereich der musikalischen Früherziehung. In naher Zukunft werden nach aktuellem Stand der Dinge nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, um den Kleinsten in der Musikschule oder in Kooperationsprojekten mit der Kita die Welt der Musik zu zeigen und erste, elementare Grundlagen zu vermitteln. Hier könnten gemeinsam neue Lösungsansätze entwickelt werden, um verschiedene Zugänge zu diesem Fach zu ermöglichen und die Attraktivität zu erhöhen. Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Voraussetzungen könnten zum Beispiel im Rahmen eines Masterstudiengangs berufsbegleitend zur Fachkraft für Elementare Musikpädagogik (EMP) ausgebildet werden. Eine gemeinsame, stimmige Politik für eine bessere Berufsausbildung mit Aussicht auf eine vernünftig bezahlte Anstellung könnte diese Herausforderung sicherlich sogar kurzfristig lösen.
Die Musikhochschulen sind laut Renate Reitinger meist „nur Durchlaufstation“ – junge Musiker kommen von der Musikschule zum Studieren und gehen nach ihrem erfolgreichen Abschluss nicht selten an eine Musikschule zurück. Dass beide Institutionen bereits von Natur aus eng miteinander verbunden sind, könnte als sehr gute Grundlage für einen intensiveren Austausch und für gemeinsame Projekte dienen. Zum Beispiel könnten im Rahmen von praktischen Unterrichtseinheiten mit „echten“ Musikschüler/-innen zum Üben zusätzliche Schlüsselqualifikationen im Studienverlauf für den Lehrberuf vermittelt werden, die im regulären Studium – im Schutz- und Schonraum Hochschule – nicht real „nachspielbar“ sind. Die jungen Absolvent/-innen bekämen so die Chance, sich bereits während des Studiums auf die Bedarfe, die die Praxis fordert, vorzubereiten.
Dass gelungene gemeinsame Projekte immer abhängig vom Willen und Interesse aller beteiligten Personen sind, unterstrich auch Andreas Horber, der im Forum vorrangig als Vertreter der Blasmusikvereine sprach. In den Verbänden haben nachhaltige Zusammenarbeit und die Nutzung von Synergien deutlich an Bedeutung gewonnen, trotzdem sind beispielhafte Kooperationen zwischen Blasmusikvereinen und Musikschulen aktuell trotz aller Bemühungen zurückgegangen.
Außer Frage steht, dass die Netzwerkarbeit positive Effekte im Hinblick auf gemeinsam nutzbare Räumlichkeiten und Musikinstrumente mit sich bringt sowie das Fortbestehen der Vereine durch nachhaltige Nachwuchsarbeit sichern kann. Das Scheitern beziehungsweise Nicht-Zustandekommen hat andere, ganz unterschiedliche Ursachen: Bürokratische Hürden bezüglich Anstellungsmodellen und Strukturen gilt es zu überwinden. Oft ist es nicht leicht, in diesem Zusammenhang Ehrenamtliche für administrative Aufgaben zu finden. Höhere Kosten und daraus folgend höhere Gebühren oder Entgelte müssen erklärt werden und Akzeptanz finden. Den ursächlichen Faktor sieht Horber jedoch im zwischenmenschlichen Bereich. Unterschiedliche Voraussetzungen, Missverständnisse in der Herangehensweise und falsche Erwartungen kamen ebenso zur Sprache wie die fortbestehende Wahrnehmung der Vereinsmitglieder als Laienmusiker und Amateure. Auch sich hartnäckig haltende Ängste und eine Konkurrenzhaltung gegenüber der Musikschule tragen wenig zu positiven Kooperationsüberlegungen bei. Im Verein geht es ganz klar um das Gewinnen von Mitgliedern und um das Halten von gut ausgebildetem Nachwuchs – hier punkten die Musikschulen, denn im pädagogisch-orientierten qualitativ etablierten Musikunterricht haben sie definitiv die Nase vorn und könnten den Vereinen zur Seite stehen – Aufgabe muss deshalb sein: Sorgen abzubauen, Ängste zu nehmen und gegenseitigen Respekt zu schaffen.
Positive Beispiele für erfolgreiche Kooperationen gibt es bereits in allen Bereichen. Der VBSM bietet mit dem Ziel des dauerhaften Erfolges eine fachliche Begleitung, zum Beispiel mit Handlungsempfehlungen, der Unterstützung bei der Erarbeitung von Rahmenvereinbarungen und Musterverträgen sowie einer umfassenden Beratung zur Kooperationsförderung. Seit dem Schuljahr 2014/15 konnte die Anzahl der Kooperationen fast verdoppelt werden.