„Gruppendynamik“ und „individuelle Förderung“, „beispielhaftes Kooperationsnetz zu einer effektiven Ausbildung des Nachwuchses“: Was sich wie der Lehrbucheintrag für den Weg zu einer soliden musikalischen Erziehung liest, ist die Beurteilung einer Jury – und an der Musikschule Grassau schon längst Realität.
Kürzlich ist deren Projekt, in dem Musikvereine, Musikschulen und Schulen zusammenarbeiten, mit dem Innovationspreis 2005 des Musikbundes von Ober- und Niederbayern (MON) und des VBSM ausgezeichnet worden. Seit zehn Jahren hat diese enge Vernetzung zwischen den Institutionen bereits Bestand: Das seit der Umstrukturierung des bayerischen Schulsystems so anhaltend diskutierte Klassenmusizieren wird in Grassau schon längst mit Erfolg praktiziert, wie Hans Nothegger, Leiter von mehreren Bläserklassen in der Zweigstelle Reit im Winkl von Anbeginn dabei, weiß: „Das Modell hat für uns nur positive Auswirkungen gehabt“, sagt er. Nicht nur, dass die Kinder viel mehr Spaß am Musizieren im Klassenverband hätten. Auch die Schule profitiere, weil für ihre Veranstaltungen immer Gruppen bereit stünden, die die Feste mit viel Eifer musikalisch umrahmen können, so Nothegger. In das Bläserklassenprojekt sind derzeit die dritten und vierten Klassen der Schulen in Reit im Winkl und Niedernfels sowie die Montessori-Schule in Grassau eingebunden. „Unsere Erfahrung ist, dass Schulen generell dem Klassenmusizieren sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Die suchen sogar danach.“ Und auch für die beteiligten Musikvereine, Reit im Winkl und Grassau, bezahlt sich der Schulterschluss im Sinne der Musik aus: „Wir haben auf einen Schlag jede Menge Nachwuchs. Unsere jungen Leute kommen fast ausschließlich aus den Bläserklassen.“ Bis die Mädchen und Buben in die Tracht der Musikkapellen schlüpfen, treten die Vereine aber erst einmal als Mittler auf: Diese leasen die benötigten Instrumente bei einem Musikgeschäft am Ort, das sich als Partner zur Verfügung gestellt hat, und geben diese gegen Entgelt an die Eltern weiter: „Wir investieren also indirekt etwas in die Ausbildung unserer eigenen Leute“, beschreibt Hans Nothegger, der selbst als Dirigent in den Musikvereinen Reit im Winkl und Grabenstätt als Dirigent aktiv ist. Auch für die Musikschule zahle sich das gesamte Konzept in barer Münze aus: „Weil die Instrumente bereit gestellt werden, kann die Musikschule günstiger arbeiten, die Einkünfte sind besser als beim Einzelunterricht.“ Ein wichtiger Vorteil für die Kinder: Sie werden in dem Modell von ausgebildeten Musiklehrern geschult und befinden sich so von Beginn an in qualifizierten Händen, die dafür sorgen, dass Talente nicht auf der Strecke bleiben: Denn mit im Boot befindet sich die Wolfgang-Sawallisch-Stiftung, die neben dem Jugendorchester und einer Combo der Musikschule auch besonders begabte Schüler fördert, erläutert Nothegger. Bis es allerdings zu diesem tragfähigen, institutionsübergreifenden Netzwerk in Grassau gekommen ist, habe freilich im Vorfeld einige Überzeugungsarbeit bei den beteiligten Einrichtungen geleistet werden müssen. Die anfängliche Skepsis, dass individuelle Förderung beim Klassenmusizieren zu kurz komme, hat sich laut dem erfahrenen Bläserklassen-Leiter nicht bestätigt: „Die Gruppendynamik bringt die Kinder weiter“, weiß er. Den besten Beweis dafür lieferten ihm seine Schüler erst vor wenigen Tagen: Als bekannt wurde, dass am letzten Schultag vor den Pfingstferien der Unterricht kürzer und damit die Bläserklasse ausfallen soll, hätten die Kinder heftig protestiert, erzählt Nothegger. „Nur für den Musikunterricht sind sie dann lieber eine Stunde länger in der Schule geblieben!“