„Mit der Kraft und dem Zauber der Musik können die öffentlichen Musikschulen einen wesentlichen Beitrag zu Integration und schließlich Inklusion leisten. Einen Beitrag, der unsere Gesellschaft jünger, bunter, kreativer, friedvoller und zukunftsfähiger macht.“ (Ulrich Rademacher, Bundesvorsitzender des VdM, 18.1.2016)
Die Landesmusikakademie Hamburg hat am 23.1.2016 den Fachtag „Musik macht Heimat“ (1) ausgerichtet. In die Staatliche Jugendmusikschule Hamburg (JMS) lud der Fachbereich Musiktherapie unter der Leitung von Karin Holzwarth zum Austausch über musikalische und therapeutische Angebote für junge Geflüchtete ein. Damit knüpfte der Fachtag an die Tradition der Netzwerktreffen Kinder- und Jugendmusiktherapie an der JMS zum gleichen Thema an.
Unterstützt wurde der Fachtag „Musik macht Heimat“ von der Andreas Tobias Kind Stiftung, der Stiftung Children for Tomorrow (Steffi Graf)/Flüchtlingsambulanz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und dem Landesbetrieb Erziehung und Bildung der Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Inneres. Neun Arbeitsgruppen wurden durch rund zwanzig ausstellende Initiativen erweitert. Über 100 Teilnehmende waren nach Hamburg gereist.
Dr. Nicola Kaatsch, Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie eröffnete den Fachtag mit ihrem Vortrag zu Grundlagen der Traumapsychologie und Resilienzforschung. In den anschließenden Arbeitsgruppen fand ein intensiver Erfahrungsaustausch statt:
AG 1: Der Verein Musiktherapie Initiative e.V. stellte unter Leitung der Musiktherapeutinnen Tina Posselt und Julia Hoffmann (JMS) die Selbstfürsorge in den Mittelpunkt, die gerade beim Einsatz für Geflüchtete ein zentrales Thema darstellt.
AG 2: Die Musiktherapeutin und Supervisorin Claudia Knoll hat etwa zehn Jahre nach dem Krieg in Bosnien vor Ort in Mostar in einer multiprofessionellen Initiative der Andreas Tobias Kind Stiftung erste Erfahrungen in der therapeutischen Unterstützung kriegstraumatisierter Menschen gesammelt. Später gründete sie in Slowenien ihr Institut für Musiktherapie.
AG 3: Studierende der Medical School Hamburg präsentierten unter Leitung ihrer Professorenschaft Dr. Jan Sonntag und des Dozenten Michael Ganß ihre engagierte Projektarbeit im Kunstzelt einer großen Hamburger Erstaufnahme.
AG 4: Mit Petra Schmidt, Percussionlehrerin am Hamburger Konservatorium, erlebten wir eine Pädagogin, die bereits seit Januar 2015 in einer großen Hamburger Erstaufnahme mit den schulpflichtigen Kindern lustvoll und experimentierfreudig das Angebot „TrommelPower“ umsetzt – als Teil eines großen Engagements des Hamburger Konservatoriums für musikalische Angebote für Flüchtlinge.
AG 5: Bernd Willutzki vom Landesbetrieb Erziehung und Bildung der Stadt Hamburg ist für die Erstversorgung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge verantwortlich, leitet sechs sogenannte Erstversorgungseinrichtungen und erzählte von seinen Erfahrungen mit den jungen Neuankömmlingen und den amtlichen Vorgehensweisen und Bedingungen.
AG 6: Andrea Engert, Lehrkraft der Hamburger Schulbehörde, nahm ihre Gruppe in die Welt der kleinen Schule in einer Hamburger Erstaufnahme mit. Die JMS setzt dort seit November 2015 wie auch in anderen Hamburger Erstaufnahmen ein umfangreiches musikalisches Angebot für schulpflichtige Kinder um.
AG 7: Ulrike Herzog, Musikethnologin und Lehrerin für Percussion an der JMS berührte mit Schilderungen ihrer Erlebnisse in Kurzzeitprojekten auf Haiti und Madagaskar beim Aufbau von Musikschulen vor Ort. Sie findet ihre eigenen Erfahrungen in der Fremde bei den jungen unbegleiteten Geflüchteten wieder, für die sie in Hamburg seit Mai 2015 ihr musikalisches Pilotprojekt anbietet.
AG 8: Die Flüchtlingsambulanz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf war mit der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Anna von Möllendorff vertreten. Die Ambulanz bietet minderjährigen Unbegleiteten mit traumatischen Belastungsstörungen psychotherapeutische Hilfe in Form von Gesprächstherapie und Kunsttherapie an.
AG 9: Der jamliner ist ein zum Studio umgebauter HVV Bus der JMS, der seit fast zwanzig Jahren in so genannten Brennpunkten der Stadt als rollende Musikschule unterwegs ist. Jochen Reich, Koordinator des jamliners, präsentierte die Arbeitsweise seines Teams anschaulich vor Ort im Bus, der eigens vorgefahren war.
Umrahmt wurde dieser Tag von Derya Yildirim mit einem türkischen Friedenslied, zu dem sie ihre Stimme auf der Langhalslaute Saz begleitete. Mahmoud Said (Violine) gestaltete, begleitet von Wiebke Schremm (Viola), den musikalischen Ausklang des Tages mit einer berührenden Taksim-Improvisation in einer arabischen Makam und einer Komposition aus seiner Heimat Ägypten.
Karin Holzwarth, Diplom-Musiktherapeutin, Psychotherapie
1 Der Deutsche Musikrat hat den Titel Musik macht Heimat hierfür freundlicherweise zur Verfügung gestellt