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Direkt in die Herzen der Hörer

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Die Musikakademie Rheinsberg präsentiert die Oper „Argenore“ von Wilhelmine von Bayreuth
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Da verschachert ein König seine Tochter an den erstbesten Feldherren als Lohn für treue Dienste. Die junge Frau aber liebt einen anderen. Ein Dritter verrät die heimliche Liebe; das Paar fällt in Ungnade und wird in den Tod getrieben. Der Geliebte entpuppt sich am Ende als Sohn des Königs und Liebhaber der Tochter, und der durch Schmerz geläuterte Despot wählt den Freitod. All das soll sich in antiker Vorzeit in Kleinasien zugetragen haben.

Hunderte Opern ähnlichen Inhalts füllten im 17. und 18. Jahrhundert die Opernhäuser. In strenger Folge führen Rezitative und Arien durch alle Windungen der vertrackten Handlungsstränge. Hier und da blitzt ein besonders gelungener Affekt aus der Fülle der koloraturreichen Da-Capo-Arien. 

Wilhelmine von Bayreuths einzige Oper „Argenore“ folgt dem herrschenden Kompositionsprinzip penibel. Ihr Personal beschränkt sich auf sechs Hauptdarsteller, kein Chor, kein Ballett, keine Ensembles. Nichts Außergewöhnliches also auf den ersten Blick. Und doch entdeckt man schnell eine Vielzahl von Besonderheiten. Zwar konnte die begabte, dilettierende Komponistin nicht immer mit ihren berühmten Zeitgenossen mithalten, was Raffinesse oder harmonische Kühnheit der musikalischen Mittel angeht, aber gerade deshalb trifft sie ohne intellektuelle Umwege mit unmittelbaren Emotionen ins Herz des Hörers. Zudem erweist sie sich als geschickte Dramaturgin im Aufbau des Dramas. So setzt sie im dritten Akt, wo die Konflikte auf den Kulminationspunkt zusteuern, explosive Accompagnato-Rezitative ein, die bereits auf Gluck verweisen. Am erstaunlichsten ist jedoch der Schluss: Kein „lieto fine“, kein unrealistisches Happy End, kein „Deus ex machina“, der mit Zauberhand den Karren wieder aus dem Dreck zieht. Ein dürres „Secco-Rezitativ“, in dem Argenore den Freitod wählt, beendet das menschliche Drama.

Und die Handlung? Als Wilhelmine von Bayreuth der pseudo-historische Stoff um den grausamen Herrscher von Ponto in die Hände fiel, mag er ihr wie ein Spiegel der eigenen Vergangenheit erschienen sein. Sie selbst wurde mit 22 Jahren von ihrem autoritären Vater Friedrich Wilhelm I, dem „Soldatenkönig“, zur Ehe gezwungen. Dass sie mit Friedrich von Brandenburg-Bayreuth ein gutes Los gezogen hatte, war Glückssache. In Bayreuth, wo Wilhelmine nach der Heirat lebte und wirkte, konnte sie endlich ihre lang unterdrückten Neigungen ausleben. Neben den hochgeschätzten Auftritten als Cembalistin und Lautenspielerin stellte sie am Hof binnen weniger Jahre einen funktionierenden Opernbetrieb auf die Beine. Gespielt wurden vorwiegend italienische Opern und französisches Schauspiel, wie es der Zeitgeschmack verlangte. Das Aufstellen des Spielplans, den Einkauf der Künstler sowie die Organisation der Proben arrangierte allein Wilhelmine. Eine Intendantin also. Höhepunkt ihrer umfassenden Aktivitäten war schließlich 1748 die Einweihung des Markgräflichen Theaters in Bayreuth, das noch heute zu den wenigen originalen Bühnenbauten seiner Zeit zählt.

Doch schon acht Jahre zuvor komponierte die 31-Jährige ihre Oper mir düsterem Grundton. Als „Argenore“ 1740 in der Hofoper Bayreuth anlässlich des 40. Geburtstages des Markgrafen uraufgeführt wurde, bedurfte es einer Entschuldigung des Librettisten Galletti an den Jubilar, denn diesen erwartete kein heiteres Feiertagsständchen. Wollte Wilhelmine in „Argenore“ mit ihrer Vergangenheit abrechnen? Liest man ihre erschütternden Memoiren, so finden sich erschreckend wortgetreue Textstellen im Libretto wieder. Körperliche und psychische Gewalt gegen sie und ihren Bruder standen am Königshof auf der Tagesordnung. Diese leidvolle Kindheitserfahrung verband Wilhelmine besonders innig mit ihrem Bruder Friedrich. Ähnlich wie sie in Bayreuth, konnte auch er zwischen 1736 und 1740 erstmals aufatmen. Es waren die Rheinsberger Jahre, seine „glücklichsten“. In der kleinen Residenz fernab des väterlichen Hofes genoss Friedrich das musische Klima in vollen Zügen. Ein umfangreicher Briefwechsel der Geschwister gibt Auskunft über ihren regen künstlerischen Austausch.

Über die Resonanz der Uraufführung ist leider nichts bekannt, und „Argenore“ geriet in Vergessenheit. Dem 250-Jährigen Jubiläum der Universität Erlangen ist es zu verdanken, dass Wilhelmines Hauptwerk aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde. 1993 brachte ein Stab von Wissenschaftlern die komplette Partitur der Oper heraus. Seither behauptet sie sich erfolgreich auf zahlreichen Liebhaberbühnen.

Die Musik ist es wert. Aber gehen uns die blutigen Taten eines längst dahingegangenen Tyrannen noch etwas an? Nicht wirklich. Streift man aber der Story vorsichtig den historischen Mantel ab, so enthüllt sich ein erstarrtes Getriebe, in dem die Zahnräder nicht mehr ineinandergreifen wollen und es außer Kraft setzen. Ein Gesetz, das sich durch die Menschheitsgeschichte zieht und nichts an Aktualität verloren hat. 

Gibt es nach der Katastrophe einen Neuanfang? Fragen, denen sich das Inszenierungsteam und das junge Ensemble während der Rheinsberger Probenarbeit stellen wird. Gesungen wird ausschließlich in deutscher Sprache, wofür eigens eine neue Textfassung erarbeitet wurde. Ebenso sind musikalische Striche von Nöten, denn das Gesamtwerk hat eine Dauer von circa 4,5 Stunden. Eine umfassende Arbeit also, die mit der Einstudierung einhergeht. 

Bis zur Premiere am Ostersamstag, dem 7. April 2012, liegt eine spannende Zeit vor allen Beteiligten, die Fragen stellt und Antworten sucht.

 

„Argenore“ - Oper in drei Akten von Wilhelmine von Bayreuth

Musikalische Leitung: Justus Thorau
Inszenierung: Claudia Forner
Bühnenbild: Lars Unger
Kostüme: Anja Winkler
Schlosstheater Rheinsberg
Premiere: Ostersamstag, 7. 4. 2012, 19.30 Uhr
Weitere Vorstellungen: 8. 4., 19.30 Uhr, 14. 4., 19.30 Uhr, 15. 4., 15.00 Uhr, 21. 4., 19.30 Uhr, 22. 4., 15.00 Uhr
Einführungsvorträge jeweils 1½ Stunden vor Vorstellungsbeginn im Foyer des Schlosstheaters
www.musikakademie-rheinsberg.de
Tel. 033931/721-0

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