Die „Initiative Musik“ der Bundesregierung ist das wohl jüngste signifikante Merkmal in der bundesrepublikanischen Musiklandschaft, das der gestiegenen Bedeutung von Populärer Musik in der kulturpolitischen Debatte Rechnung trägt. Die Aktion reiht sich damit ein in Fördermaßnahmen im populären Bereich des Deutschen Musik-rats („Popcamp“, „Schooltours“, „Jugend musiziert“) sowie in vielfältigste Aktivitäten der Musikverbände auf regionaler, Landes- und Bundesebene, die das Thema vor allem im musikpädagogischen Kontext beleuchten.
Populäre Musik – in seiner Bandbreite von Jazz über Welt- und Rock- bis Popmusik verstanden – ist der musikalische Gegenstand in der Schule, an dem sich Schüler – vor allem mit praktischem Tun – mit hoher Motivation „abholen“ lassen. Doch sind die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen auf diese Herausforderung vorbereitet? Die besten Chancen, eine Kommunikationsebene mit ihren Schülern zu finden, haben immer noch die Musikpädagogen, die in ihrer eigenen musikalischen Sozialisation Bandprojekte durchlaufen haben und sich in diesem Metier von Grund auf auskennen.
An dieser Stelle nun muss der Blickwinkel auf die Berliner Perspektive eingeengt werden. Wir haben in der Hauptstadt das Problem, dass aus finanzpolitischen Gründen in den letzten Jahren kaum junge Kolleginnen und Kollegen in die Schule nachgerückt sind und ältere Kollegeninnen und Kollegen mit einer Fülle von Schulreformen als Konsequenz aus den PISA-Ergebnissen auch nicht den Freiraum zur Verfügung hatten, um sich in neue musikalische Herausforderungen zu stürzen. In Berlin, der Hauptstadt des Pop, droht der Nährboden für Popmusik-Aktivitäten an den Schulen, zumindest in struktureller Hinsicht, zu veröden.
An den kommunalen Berliner Musikschulen ist Jazz durchaus Unterrichtsgegenstand, Weltmusik in Ausnahmefällen auffindbar, Rock- und Popmusik werden jedoch sträflich vernachlässigt, so dass Interessierte jetzt vor allem die privaten Musikschulen aufsuchen, die Rock- und Popmusik zu ihrem Spezialthema gemacht haben. Ein Problem mag darin liegen, dass es für diese Musikform bislang keine ausgebildeten Musikpädagogen in Größenordnungen gibt, die ein leichteres Entree in Institutionen wie Musikschulen gehabt hätten. Popakademie Mannheim, Fachschule Regensburg, Jazz- und Rockschule Freiburg werden den Bedarf nicht abdecken können. In der Szene pädagogisch und musikalisch ambitionierte Musiker zu scouten, wäre möglich, aber zeitaufwändig, bedarf der kontinuierlichen Präsenz auf Konzerten und in den angesagten Clubs – für traditionelle Musikschulleitungen nicht zu leisten und mit Sicherheit auch für klassisch orientierte Kollegien mit der nötigen Schwellenangst behaftet.
In Jugendfreizeiteinrichtungen, wo Jugendliche meist den geschützten Raum finden, erste Gehversuche als Band zu unternehmen und fast jede namhafte Popband Deutschlands ihre ersten Akkorde durch die Verstärker jagte, betreuen – wenn überhaupt – Szenemusiker als Honorarkräfte, meist ohne pädagogisches Know-How, die jungen Musiker/-innen. Fest angestellte Sozialarbeiter, womöglich mit musikalisch-handwerklichem Popmusik-Background – in Berlin eher Fehlanzeige.
Wo positioniert sich nun die Landesmusikakademie Berlin mit Angeboten, wenn einerseits die allgemeinen Zeichen auf Popmusik stehen, sich andererseits die Situation der Zielgruppen in der beschriebenen Form darstellt? Sie versucht, mit vereinten Kräften – und da ziehen VdM (LV Berlin), AfS Berlin/Brandenburg und externe Partner wie „Let´s make music e.V.“ alle an einem Strang – das Thema bei den Musikpädagogen zu platzieren und mit Kontinuität und Permanenz für das Thema ein immer größeres Interesse zu bewirken. Hierzu gehören mannigfaltige Angebote im Bereich Rhythmus und Perkussion vom berufsbegleitenden Lehrgang bis zu Wochenendworkshops, aber auch Angebote im Bereich Bandarbeit mit Kindern.
Neben den Multiplikatoren nimmt die Akademie aber auch die jungen Musizierenden selbst in den Fokus und versucht durch Maßnahmen wie den Wettbewerb „Styles & Skills – Berlin Band Award“ mit Förderpreisen und Coachinganteilen sowie einer Workshop-Kooperation mit dem inzwischen über die Landesgrenzen Berlins hinaus bekannt gewordenen Übungsraumzentrum „ORWOhaus“, in dem über 180 Gruppen unterschiedlichster Stilrichtungen proben, als kompetenter Ansprechpartner Vertrauen in der Szene aufzubauen. Hierbei steht das langfristige Ziel Pate, dass pädagogisch ambitionierte Musiker mit entsprechender Qualifikation in allgemein bildenden Schulen und Musikschulen mit der Bandarbeit berufliche Perspektiven entwickeln könnten. Ein weiteres Tätigkeitsfeld wird vermehrt in der Betreuung von Jugendlichen im Freizeitbereich sowie bei Ferienaktivitäten liegen. Schon jetzt suchen Anbieter entsprechende pädagogische Fachkräfte. In jedem Fall sind die jungen Popmusiker, sobald ihre Träume von Nummer eins-Hits einer realistischeren Perspektive Platz gemacht haben, eine Zielgruppe, die den musikalischen Nachwuchs im populären Bereich auf allen Ebenen unterstützen kann – in diesem Sinne ist musikalische Fortbildung im Populären Bereich ein strategisch langfristig angelegtes Projekt. Dass die Landesmusikakademie Berlin dabei am Aufbau eines Netzwerks mitwirkt, das unterschiedlichste Institutionen miteinander verknüpft, sei hier als Vision ebenso am Rande erwähnt wie das unerschöpfliche Potenzial interkultureller Kommunikation, die über Populäre Musik gerade in einer Stadt wie Berlin in Gang gesetzt werden kann.