Dörte Wehner, Projektreferentin des Landesmusikrats Thüringen, führte dazu ein Interview mit Prof. Meike Britt Hübner und Dr. Kitty Schmidt-Hiller.
neue musikzeitung: Erstmalig fand an der Thüringer Landesmusikakademie der berufsbegleitende Lehrgang „Elementare Musikpraxis“ statt. Warum braucht es dieses Angebot?
Meike Britt Hübner: Der Fachkräftemangel im Bereich EMP in Thüringen ist hoch: Die Absolvent*innen des Masterstudiengangs EMP/ Rhythmik an der HfM Weimar können den Bedarf nicht allein decken. Vieler Orts werden dadurch Instrumentalpädagog*innen auch mit Gruppenunterricht im Bereich EMP betraut – ohne dafür ausgebildet zu sein.
Kitty Schmidt-Hiller: Genau, viele Kitas, Grundschulen und andere Bildungseinrichtungen machen sich auf den Weg in Kooperationen mit Musikschulen und so weiter, aber allzu oft scheitert es an fehlenden Fachkräften. Die Möglichkeit zum grundlegenden Bachelor in EMP fehlt. Darüber hinaus bleiben wenige Absolvent*innen tatsächlich in Thüringen. Daher erschien uns ein berufsbegleitender Lehrgang als sinnvolle Lösung, dem Mangel entgegenzutreten.
nmz: Wen haben Sie mit diesem Angebot erreicht?
Schmidt-Hiller: Im ersten Jahrgang waren Instrumentalpädagog*innen aus Thüringen und Sachsen, studierte Musiker*innen und Quereinsteigende, die größtenteils schon im Elementarbereich tätig waren. Wir haben also genau die gewünschte Zielgruppe erreicht.
Britt Hübner: Den Teilnehmenden ging es nicht nur – wie zunächst vermutet – um den Erwerb spezifischer Methoden, sondern insbesondere auch um die eigene körperlich-sinnenhafte Erfahrung im Erschließen von musikalischen Inhalten als Voraussetzung für die Konzeptions-, Realisations- und Reflexionsfähigkeit von Stunden.
nmz: Wie würden Sie die Situation der EMP im Hinblick auf Ausbildung, Fachkräfte und Angebot an Musikschulen und andere Träger beschreiben?
Schmidt-Hiller: Alle Musikschulen brauchen gute EMP-Lehrende, dazu kommen noch zahlreiche Kooperationsprojekte mit Kitas und Grundschulen. Nicht selten muss derzeit eine EMP-Lehrkraft bis zu 20 Kindergruppen pro Woche unterrichten, dazu kommen Fahrtwege und Absprachen und die eigentliche Unterrichtsvor- und Nachbereitung – all das ist für eine Arbeit unabdingbar und kann nicht als Massenabfertigung erfolgen. Genügend engagierte Fachkräfte sind daher Grundvoraussetzung für eine gelingende Grundausbildung.
Britt Hübner: Zukünftig ist auch – insbesondere an den Musikschulen – ein Wandel wünschenswert hinsichtlich der Angebote: EMP ist ein Fach für Jung und Alt, also für verschiedenste Zielgruppen. Auch für Jugendliche und Erwachsene sollten verstärktAngebote über die Musikschulen platziert werden, wofür aber ein Wandel in den Köpfen notwendig ist: EMP ist nicht gleichzusetzen mit Früherziehung, sondern EMP ist als eine vielfältige Musikpraxis zu verstehen.
Der Lehrgang war ein Kooperationsprojekt zwischen der Landesmusikakademie, der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen, dem Verband deutscher Musikschulen (VdM), dem Landesverband der Musikschulen in Thüringen und der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar. Wie können wir uns die Kooperation vorstellen?
Schmidt-Hiller: Das stimmt, viele kompetente Kooperationspartner haben dieses Projekt begleitet und mit ihrem Wissen bereichert, eine tolle Zusammenarbeit ist entstanden! Die Bundesakademie Trossingen half durch Erfahrungen aus EMP-Lehrgängen der anderen Bundesländer – das Modell wird an mehreren Akademien in inhaltlich ähnlicher Form angeboten, um ein flächendeckendes Netz zu ermöglichen. Ähnlich gelagert ist – neben der finanziellen Ermöglichung – die Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Musikschulen in Thüringen sowie dem VdM auf Bundesebene, die uns in der abschließenden Prüfungsphase sehr kompetent und hilfreich zur Seite standen.
Britt Hübner: Mit diesem Lehrgang ist gelungen, was notwendig ist und zukünftig immer bedeutsamer wird: Konkrete Schnittstellen zu schaffen zwischen verschiedenen Institutionen. Synergien zu ermöglichen, indem verschiedene Bereiche in Beziehung gesetzt werden. Die Hochschule ist grundsätzlich interessiert an einem Qualitätsstandard für das Fach, der sichergestellt werden soll über eine beratende Funktion in konzeptionellen Fragen und deren Umsetzung im Hinblick auf Inhalte, Formate und Dozent*innen.
Schmidt-Hiller: Der besondere Benefit für die Hochschule erwächst aber hieraus: Fortgeschrittene Studierende des Masters EMP/ Rhythmik an der HfM Weimar haben die Chance, in dem Lehrgang zu hospitieren und sogar punktuell mit den Teilnehmenden zusammenzuarbeiten.
nmz: Wie geht es weiter?
Schmidt-Hiller: Im Frühjahr 2023 startet der neue Jahrgang, diesmal hoffentlich ohne coronabedingte Einschränkungen. Wir freuen uns jedenfalls schon sehr auf eine neue Gruppe wunderbarer Menschen voller Kreativität und Energie.
Die ungekürzte Fassung des Interviews und weitere Informationen finden Sie unter: www.landesmusikakademie-sondershausen.de/emp