Seit 20 Jahren kommen singbegeisterte junge Menschen aus über 10 Nationen im August nach Ochsenhausen und haben aufgrund dieser Internationalität C.H.O.I.R. zu einem einzigartigen Chorfestival werden lassen. 1986, auf Anregung des Kultusministeriums Baden-Württemberg gegründet, entstand aus einem deutsch-französischen Jugendchortreffen in den darauffolgenden Jahren C.H.O.I.R. als interregionales Chorfestival der europäischen Jugend.
Der Begriff Interregionalität sollte dabei dem Gedanken Rechnung tragen, dass Europa kein Verbund von Nationalitäten sondern vielmehr eine Gemeinschaft verschiedener Regionen mit langen kulturellen Traditionen ist. So kamen zunächst über 150 junge Sängerinnen und Sänger Jahr für Jahr im Alter von 17 bis 24 Jahren aus der Lombardei und der Emilia Romagna (Italien), aus Katalonien (Spanien) und Coimbra (Portugal), der Region Rhône-Alpes (Frankreich), aus Flandern (Belgien) und Wales (Großbritannien) und aus der deutschen Partnerregion Sachsen. Nach dem Fall der Mauer wurden die Regionen Karelien in Russland und Lodz in Polen sowie Ungarn mit einbezogen. Seit einigen Jahren sind auch Jugendliche aus Estland, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Slowenien zu Gast in Ochsenhausen. Der anfänglich europäische Mikrokosmos hat sich in den letzten Jahren zu einem weltweiten, internationalen Aspekt erweitert, vor allem seit auch Jugendliche aus Singapur, Taiwan, Japan und Kanada teilnehmen.
Seit Beginn wird dieses Festival von der Landesmusikakademie Ochsenhausen organisatorisch betreut und künstlerisch weiterentwickelt. Finanziell wird C.H.O.I.R. durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie durch zahlreiche Sponsoren unterstützt. Darüber hinaus erfährt es eine wichtige ideelle und organisatorische Unterstützung aus den Partnerregionen selbst, welche eine wichtige Säule für den Erfolg des Projektes ist. Es sind über die Jahre enge Kooperationen zwischen Musikhochschulen und musikalischen Ausbildungseinrichtungen in den verschiedenen Ländern entstanden. Gerade in den Krisenzeiten der letzten Jahre, in denen viele Partnerregionen Europas unter enormen wirtschaftlichen Problemen leiden, wurde diese Zusammenarbeit nicht aufgekündigt und von allen Beteiligten an diesem europäischen Projekt festgehalten.
Von Anbeginn war die künstlerische Ausgestaltung des Projektes eine besondere. Es gab immer ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Klassik, Werken zeitgenössischer Musik und Kompositionen und Arrangements aus dem Bereich Jazz, Gospel und Rock. Ein wesentlicher weiterer innovativer Aspekt liegt in der Vergabe von Kompositionsaufträgen, welche speziell auf die Festivalwochen von C.H.O.I.R. zugeschnitten sind.
So wurden zahlreiche Uraufführungen durchgeführt, unter anderem das „Magnificat“ und die „MISSA in tempore incerto“ von Christoph Schönherr, die „European Jubilee Mass“ verschiedener Komponisten aus den Partnerregionen Baden-Württemberg, die „Missa ad maiorem Dei gloriam“ für Chor und Bigband von Wolfram Buchenberg oder die „Water-Suite“ und das Stevie-Wonder-Arrangement „Songs in the Key of Life“ von Jens Johannes, die Gospel-Suite „Always close to you“ von Martin Carbow sowie viele kleinere Kompositionen von jungen Komponisten aus den Partnerregionen. Zum Jubiläum wird das Oratorium „Hezekiah“ von Christoph Schönherr in seiner englischen Fassung uraufgeführt. Zwei CD-Aufnahmen belegen die künstlerische Qualität des Ensembles, dokumentieren den besonderen Chorklang des Festivalchores, bei dem die verschiedenen Klangkulturen aus Ost und West, Europas aber auch Asiens zu einer einzigartigen faszinierend emotionalen Farbigkeit zusammenwachsen.
Das Konzept von C.H.O.I.R. hat in anderen Teilen der Welt Beispiel gegeben, ähnliche völkerverbindenden Chorfestivals zu initiieren. Gerade in Asien besteht dabei ein besonderes Interesse, das Konzept für die dortigen Gegebenheiten zu übernehmen. Die zahlreichen Besuche von Delegationen zeigen, dass mit C.H.O.I.R. ein beispielhaftes Projekt entstanden ist. Toleranz, Respekt, Anerkennung, Kommunikation auf Augenhöhe, das sind die wesentlichen Bestandteile des Festivalkonzepts.
Die soziale Komponente ist der musikalischen Arbeit gleichgestellt. Bewusst werden die genannten außermusikalischen Faktoren einbezogen – hohe Qualität in sozialer Interaktion ist ein fruchtbarer Nährboden für gutes Musizieren und für die reale Umsetzung der Vision eines vereinten Europas en miniature und darüber hinaus. Die Alumni von C.H.O.I.R., welche heute als professionelle Musikerinnen und Musiker arbeiten, dienen als Dozenten für Stimmbildung oder Ensembleleitung, um das Niveau und die Qualität des Festivalchores ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Gerade das 20-jährige Jubiläum zeigt die tiefe Prägung von Jugendlichen durch dieses Festival. Bei dem Alumni-Treffen zum 20-jährigen Bestehen haben sich bereits eine Vielzahl internationaler früherer Teilnehmer angemeldet und werden die Idee eines vereinten Europas für wenige Tage in Ochsenhausen zur Wirklichkeit werden lassen.
Eine Besonderheit zum 20-jährigen Jubiläum ist eine Konzerttournee in die Partnerregion Lombardei, in der mehrere Konzerte gegeben werden und damit die kulturelle Klammer zwischen den Partnerregionen Baden-Württembergs zum Ausdruck bringen wird.