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Keine Musik ist keine Lösung!

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Guido Froese, Leiter des Nordkollegs in Rendsburg, im Gespräch über den Klimaschutz
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neue musikzeitung: Ihre Akademie hat in den 100 Jahres ihres Bestehens neben der Erfüllung ihrer Kernaufgabe vielen Herausforderungen begegnen müssen. Auf welche Erfahrungen können Sie sich bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen stützen?
Guido Froese: Das Nordkolleg ist transformationserfahren. Die Rahmenbedingungen des Gründungsjahrs 1921 und des Jahres der Wiedergründung 1946 legen nahe, dass die Einrichtung erdacht wurde, um mit Bildung Krisen zu begegnen und diesen zu entwachsen. In den Wurzeln der Institution liegt daher viel Stützendes für unser heutiges Wirken.
nmz: Das wäre zum Beispiel?
Froese: Ziel war es in den Nachkriegsjahren der beiden Weltkriege, einen Ort der intensiven Bildung, des intensiven Austauschs und der Begegnung zu schaffen, nach erheblichen Krisen neue Werte zu prägen und zu vermitteln. Darin sehen wir heute immer noch – oder wieder – mit musikalischer und kultureller Bildung unsere Aufgaben. Die Krisen haben sich verändert: Heute muss als weltweit größte Krise wohl der Klimawandel betrachtet werden.
nmz: Welche Möglichkeiten hat denn in Bezug auf den Klimawandel eine Musikakademie?
Froese: Viele! Zunächst einmal muss man zwar feststellen, dass die Kulturszene beim Thema Klimawandel nicht zur Avantgarde der Veränderung gehörte. Doch da ist derzeit viel Bewegung wahrnehmbar. Mit Programmen wie zum Beispíel „Net Zero“ der Kulturstiftung des Bundes oder mit dem Ausbildungsangebot des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit zum „Transformationsmanagement für nachhaltige Kultur“ bekommen viele Kulturinstitutionen die notwendigen Impulse, sich des Themas intensiv anzunehmen. Dabei geht es zunächst um das Erkennen und Handeln, dann aber auch um das Vermitteln. Wichtig ist nur, dass wir unseren Beitrag leisten – auch wenn wir im Verhältnis zur Industrie natürlich für deutlich geringere CO2-Emissionen verantwortlich sind.
nmz: Was bedeutet das konkret zum Beispiel für das Nordkolleg und Ihren KulturCampus?
Froese: Das Nordkolleg hat schon vergleichsweise früh begonnen, betriebsökologische Maßnahmen umzusetzen. Dazu gehören kleine Dinge, wie zum Beispíel der Verzicht auf Coffee-to-go-Becher im hauseigenen Restaurant, die Reduktion von Plastik, die Verwendung von Wasserautomaten oder der Bezug von Öko-Strom aus erneuerbaren Energien. Aber auch größere, nein, teurere Maßnahmen hatten wir bereits umgesetzt, wie etwa die Umstellung auf LED-Beleuchtung oder die energetische Sanierung des alten Häuserbestandes auf dem Campus. Das war aber sozusagen Handeln ohne die Basis eines Konzeptes oder die genaue Kenntnis über die Wirksamkeit.
nmz: Und jetzt gibt es eine qualitative Entwicklung?
Froese: Ja! Im Kontext der Weiterbildung beim Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit entstand eine Klimabilanz für das Nordkolleg. Das heißt, dass wir erstmals genau wissen, welches Handeln und welcher Energieverbrauch zu unseren CO2-Emissionen führt und welche Handlungsansätze wir also haben oder prioritär verfolgen müssen. Diese haben wir in einem umfassenden Klimaschutzkonzept festgehalten, haben einen Maßnahmenplan und konkrete Ziele, an denen wir nun arbeiten können.
nmz: Was sind denn die größten Faktoren und was ist das Ziel?
Froese: Das Ziel ist es – und muss es sein –, Klimaneutralität zu erreichen. Da haben wir uns das Jahr 2035 als Perspektive gesetzt – wie auch unsere Heimatstadt Rendsburg und unsere Region. Das ist gefühlt übermorgen und ist sicher ambitioniert, aber es muss uns einfach gelingen. Der größte CO2-Faktor für das Nordkolleg ist die Mobilität. Unsere eigene, also der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie auch die unserer Gäste, die aus einem großen Radius zu uns anreisen. Danach folgen der Gas- und Stromverbrauch und weitere Verbräuche. Und selbstverständlich spielt unser Restaurant auch eine Rolle.
nmz: Wäre dann nicht ein kleineres Angebot auch gut fürs Klima?
Froese: Keine Musik ist keine Lösung. Da gibt es andere Wege. In der Mobilität setzen wir etwa auf die Unterstützung von Fahrrad-Leasing für Mitarbeitende, auf das Job-Ticket, auf Diensträder und auf E-Mobilität. Gerade entstehen hier vier Ladepunkte. Die Teilnehmenden könnten noch häufiger die Bahn nutzen. Dafür könnten wir die Kurszeiten zum Beispiel den Ankunfts- und Abfahrtszeiten anpassen und auf eine Verbesserung des Anschlusses des Campus an den ÖPNV drängen. Blended Learning Formate erübrigen vielleicht auch manche Anfahrt. Für die Energieversorgung gibt es technische Lösungen wie Photovoltaik, Wärmepumpen, Nahwärmeversorgung über Quartierskonzepte. Das ist teuer, aber notwendig. Hier gilt es, passende Förderprogramme zu finden und unsere Träger zur Unterstützung zu bewegen.
nmz: Also keine Einschränkungen für Mitarbeitende und Gäste?
Froese: Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Wir alle werden dazu einen Beitrag leisten und gegebenenfalls auch verzichten müssen. Aber ich glaube, dass es dafür eine große Bereitschaft gibt und dass wir einfach mit der Änderung von ein paar Verhaltensmustern anfangen sollten. Auch am Nordkolleg ist Klimaschutz Gemeinschaftsaufgabe: Für die Mitarbeitenden starten wir mit einer CO2-Einspar-Challenge, die Gäste sensibilisieren wir über alle unsere Kanäle und werden auch finanzielle Anreize dafür schaffen, doch mal mit der Bahn anzureisen oder auf das Fleisch-Gericht zu verzichten. Und auch die Gesellschafter der Träger-GmbH und unsere Netzwerkpartner werden wir auf unseren Weg mitnehmen. Alle gemeinsam wollen wir mit einem finanziellen Beitrag für die Renaturierung von Mooren in Schleswig-Holstein echte CO2-Senken schaffen. Die ersten paar hundert Quadratmeter sind schon finanziert. Letztlich schaffen wir über diesen Mehrwert vielleicht auch ein Mehrwert-Gefühl.
nmz: Was braucht es zur Unterstützung?
Froese: Einen Prozess, der als „Cultural Green Deal“ in der kulturpolitischen Diskussion ist. Die Zeit ist reif.

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