Die Jahrestagung des Arbeitskreises der Musikbildungsstätten in Deutschland fand vom 18. bis zum 20. Februar in der Akademie Remscheid statt. Im Zentrum stand ein Vortrag von Prof. Dr. Max Fuchs, Direktor der Akademie Remscheid sowie Vorsitzender der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, des Instituts für Bildung und Kultur und des Deutschen Kulturrates, unter dem Titel „Nationale und internationale Tendenzen in der Bildungs- und Kulturpolitik“. Die nmz sprach darüber mit Klaus-Martin Heinz, Vorsitzender der Musikbildungsstätten in Deutschland und Leiter der Landesmusikakademie Rheinland-Pfalz.
neue musikzeitung: Was waren die zentralen Aussagen des Vortrages von Max Fuchs?
Klaus-Martin Heinz: Einheitliche Tendenzen in der Bildungs- und Kulturpolitik stellte Max Fuchs nicht fest; eher sieht er heterogene Entwicklungen. Einerseits erfährt Kulturelle Bildung einen nationalen wie internationalen Aufschwung. Darauf deuten unter anderem nationale Initiativen hin, aber auch der Schlussbericht der Enquete-Kommission oder die erste UNESCO-Weltkonferenz zur künstlerischen Bildung in Lissabon. Andererseits sind Schwächen in der Umsetzung prinzipiell begrüßenswerter Impulse ebenso wenig zu übersehen wie bildungstheoretische Überlegungen, die durch eine zu starke Konzentration der Bildungspolitik auf die durch PISA getesteten Fächer ausgelöst wurden und zur Marginalisierung künstlerischer Schulfächer führen könnten. Aus diesem Szenario erwachsen Aufgaben, zu deren Lösung auch die Musikbildungsstätten etwas beitragen können: Deutungsangebote von Kultureller Bildung sollten neu formuliert werden, Kultureinrichtungen sollten im Schulterschluss neue Professionalität entwickeln, die Wirkungsweisen Kultureller Bildung müssten erforscht werden. Die größte Herausforderung stellt die Entwicklung der Ganztagsschule dar.
: Zurzeit bewegen die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen um den Direktor der Bayerischen Musikakademie Hammelburg, Hermann Grollmann, die Direktoren und Leiterinnen und Leiter der 24 Musikakademien. Auch an anderen bayerischen Musikakademien ist die Tendenz zu konstatieren, dass die pädagogischen und künstlerischen Direktoren abgeschafft werden. Sind das bayerische Einzelfälle oder bundesweite Tendenzen?
: Trotz persönlicher Betroffenheit hat sich der Arbeitskreis in größter Ruhe und Sachlichkeit mit dem Bericht aus Hammelburg beschäftigt. Vieles, was sich dort ereignet hat, ist wohl als Einzelerscheinung zu betrachten, aber eben nicht alles! Die Auseinandersetzung enthält nämlich im Kern auch die Tendenz, die Personalunion von künstlerisch/pädagogischer und geschäftlich/administrativer Leitung aufzulösen. Zwar scheinen sich derartige Pläne derzeit auf Bayern zu begrenzen, doch sehen die Akademieleitungen Anlass genug, darauf hinzuweisen, dass der Erfolg der von ihnen geführten Einrichtungen in erster Linie aus der Verbindung von Tagungs- und eigenem Bildungsbetrieb resultiert. Daher halten sie die Bündelung von künstlerisch/pädagogischer und geschäftlich/administrativer Kompetenz in einer einzigen Person für unverzichtbar.
: Haben Bundes- und Landesakademien die gleichen Ziele? Welche Akademie-Profile wurden präferiert?
: Auch wenn die Ziele von Bun-des- und Landesmusikakademien sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden, können Abstimmung und Koordination das Bildungsangebot insgesamt verbessern. Die Gründung einer Landesmusikakademie in Wolfenbüttel, seit 1986 bereits Standort einer Bundesakademie, hat diesen Bedarf in neuer Klarheit aufgedeckt. Dort wollen die Verantwortlichen miteinander ein schlüssiges Konzept entwickeln. Nach Informationen aus der Bundesakademie Wolfenbüttel bedürfen aber organisatorische und bauliche Gegebenheiten noch abschließender Klärung. Die Mitglieder des Arbeitskreises wollen die Ergebnisse dieses Abstimmungsprozesses abwarten, bevor sie sich anschließend ggf. dem Thema erneut zuwenden. In der Praxis haben sich unterschiedliche Zuständigkeiten von Bundes- und Landesmusikakademien in den Qualifizierungsmaßnahmen für das Laienmusizieren bewährt. Nach dem sog. „Pyramidenmodell“ finden die C-Lehrgänge (z.B. für Chorleitung oder Blasorchesterleitung) oft an Landesmusikakademien statt, die B-Lehrgänge sind meist an Bundesakademien angesiedelt. Zu erproben ist, wieweit andere Bereiche analog strukturiert werden können. Die Zuordnung spezieller Themen dürfte sich am erfolgreichsten unter Berücksichtigung räumlicher und finanzieller Ressourcen von Haus zu Haus koordinieren lassen. Ein bundesweit einheitliches Profil können die Landesmusikakademien wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Einrichtungen und ihres Umfelds nicht anstreben. Unterschiedliche, aber gleichwertige Profile schließen Präferenzen aus.
: Welche Kooperationsmöglichkeiten von Musikhochschulen und Musikbildungsstätten können Sie sich vorstellen? Wo gibt es Überschneidungen, wo Konkurrenz?
: Heikle Fragen zum jetzigen Zeitpunkt! Die Antworten können nur beide Partner in sorgfältiger Beratung miteinander finden. Daher wünscht der Arbeitskreis, alsbald den Dialog mit den Hochschulen aufzunehmen. Bei der Vorbereitung darauf wollen die Musikakademien ihre Idiome herausarbeiten, um den Hochschulen solche Formen der Zusammenarbeit vorzuschlagen, die beiden Partnern eine Erweiterung ihrer Wirkungsmöglichkeiten in Aussicht stellt. Erfahrungen aus einzelnen bereits praktizierten oder bestehenden Kooperationen werden sicherlich einfließen.
: Was haben Sie für die Jahrestagung 2009 geplant?
: Zum Selbstverständnis der Akademien gehört es, auf aktuelle Entwicklungen rasch zu reagieren. Daher wird die Jahrestagung 2009 erst gegen Ende dieses Jahres detailliert geplant, obwohl es bereits Themenvorschläge gibt: Breites Interesse findet die weitere Entwicklung der Kooperation mit den Musikhochschulen, auch in Verbindung mit Zertifizierung und Akkreditierung von Bildungsangeboten. Die von Max Fuchs eingangs genannten Aufgaben stellen eine Herausforderung dar. Mehrfach hat die Thematik einer Jahrestagung Bezug genommen auf Besonderheiten der gastgebenden Einrichtung. So könnte das Treffen vom 16. bis 18. Februar 2009 in der Musikakademie Rheinsberg, deren Einladung dankend angenommen wurde, wieder einen eigenen Charakter erhalten.
Auch in diesem Jahr war die Wahl des Tagungsortes kein Zufall: Die Akademie Remscheid feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Bei der Gründung 1958 stand das Musikheim in Frankfurt/Oder Pate, das bereits 1929 Musik, Tanz und Laienspiel als Ergänzungsausbildung für Lehrer, Jugendpfleger und andere Zielgruppen verbinden wollte. Diese Ideen beeinflussen bis heute die Konzeptionen aller 24 Musikbildungsstätten in Deutschland, die dem Arbeitskreis angehören.